Di., 16.01.2018
Interviews

Gregor Gysi im Interview: "Ich hasse niemals zurück"

Hate-Speech hat sich Gregor Gysi schon vor Jahrzehnten verboten. Der Chef der Europäischen Linken provoziert lieber mit scharfem Witz. Wie er Trump zur Räson bringen würde? Was Martin Schulz falsch macht? Ob FKK sexy ist und Mullahs gefährlich sind? Weiß er alles. Nur mit Drogen hat er keine Erfahrung. Und wie man mit der Linken an die Regierung kommt

Andere Abgeordnete können sich ja gern erbauliche Bilder in ihre Bundestagsbüros hängen. Gregor Gysi, 69, schaut von seinem Platz am Schreibtisch lieber auf den Ausschnitt einer TV-Sendung, in der er einmal dabei vorgeführt wurde, wie er einem Schweißer zur Hand ging. In die Banderole zur Sequenz schrieb die Fernsehredaktion: „Der Vormann der Linken, Gregor Gysi, hilft beim Flicken einer Baggerschaufel. Diese Schweißnaht muss später von einem Fachmann korrigiert werden.“ Gysi lächelt sein vieldeutiges Gysi-Lächeln: „Ist das nicht unverschämt?!“ Offenbar rechnet er bei Journalisten mit diversen Bosheiten. Vielleicht also keine ganz schlechte Idee, erst mal ein bisschen Wir-Gefühl zu schaffen. . .

Wir beide, Playboy und Gregor Gysi, haben ja einen Kulturtransfer geleistet – Playboy 1972 aus den USA nach Deutschland, Sie nach der Wende aus der DDR. Das heißt, wir waren mal große Provokateure. Sind wir das noch?

Wir provozieren heute beide nicht mehr so wie am Anfang. Das liegt daran, dass wir uns Akzeptanz erarbeitet haben. Ich habe dazu beigetragen, dass es heute normal ist, dass eine Partei links von der SPD zum politischen Spektrum gehört. Die Leute fragen sich nicht mehr, was haben die hier zu suchen, der Playboy und der Gysi?

Wäre es wünschenswert, dass wir wieder mehr provozieren?

Das hängt von Ihrer Leserschaft ab. Es gibt ja Zeitungen, wenn die schärfer werden, verlieren die eher ihre Leser. Wer von Jugendlichen gelesen werden will, muss aber immer Provokation suchen. Ein Jan Böhmermann hat gerade bei der Jugend Erfolg, weil er mit allen Gewohnheiten bricht.

Sie waren letztes Jahr in seiner Sendung und haben ihn kritisiert für sein Erdogan-Gedicht, ihn aber auch brillant verteidigt. Wollten Sie mal wieder den alten Gegenwind spüren?

Nein, ich hatte ihm schon zugesagt, als er sein berühmtes Gedicht noch nicht verlesen hatte. Und in der ersten Sendung danach war ich dann dran. Da dachten wieder alle, das hätten wir beide so provokant organisiert, aber es war blanker Zufall. Es war bloß für mich kein Grund abzusagen.

Als besten Redner der Republik kann sich die deutsche Öffentlichkeit auf Sie ja einigen, aber in die Regierungsverantwortung hat man Sie nie gewählt. Ist das eigentlich tragisch oder eher komfortabel?

Es zeigt nur, was mir gelungen ist und was mir nicht gelungen ist. Also, gelungen ist mir, einen gewissen Respekt für mich zu erarbeiten. Aber es ist mir nicht gelungen, das für meine Partei ebenso zu erreichen, die zwar auch an Akzeptanz gewonnen hat . . .

. . .das heißt, Sie sind in der falschen Partei?

Ich höre häufig: Sie sind ganz in Ordnung, aber in der falschen Partei. Dann frage ich immer zurück: Welches wäre denn die richtige Partei? Und dann sagen die meisten: Da haben Sie auch wieder Recht.

Sie sagten mal, links zu sein bedeute, allen Schwachen dieser Welt helfen zu wollen, während Rechte sagten: nur die eigenen Landsleute! Macht es Sie eigentlich insgeheim neidisch, dass jetzt weltweit Angela Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik für dieses linke Ideal steht?

Na ja, dafür steht sie ja nicht mehr. Sie hat ihre Flüchtlings-politik doch sehr geändert. Aber das würde mich gar nicht neidisch machen, wenn es denn wirklich so wäre. Stattdessen macht mir die Art der Dominanz, mit der wir den Süden Europas in einen Sparkurs treiben, große Sorgen. Helmut Kohl wollte immer ein europäisches Deutschland. Jetzt haben wir ein deutsches Europa. Das gefährdet die EU.

Ist die EU nicht erst mal gerettet durch die Wahlschlappen von Marine Le Pen in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden?

Nein. Der Herr Wilders hat ja ein relativ gutes Ergebnis, und die Le Pen hat über ein Drittel der Stimmen im zweiten Wahlgang bekommen. Wenn der Macron jetzt seinen neoliberalen Kurs durchzieht und Sozialabbau betreibt, wird sie noch mehr Zustimmung kriegen. Und wenn wir in Deutschland keinen Regierungswechsel und keinen sozialen Schub bekommen, dann gibt es keine neuen Weichenstellungen in Europa, und die AfD wird immer stärker. Sie sehen: Meine Begeisterung für Angela Merkel hält sich im Augenblick in Grenzen.

Was macht die AfD so stark?

Unterschiedliche Gruppen. Da sind Gutverdienende, die finden: Wenn sie mehr gefördert worden wären, ginge es ihnen noch besser. Dann gibt es Rassisten. Und dann auch sozial Abgehängte, die schon jede Partei gewählt hatten, ohne dass sich etwas für sie verbessert hätte. Zuletzt haben sie gar nicht mehr gewählt. Und jetzt wählen sie die AfD, weil sie hoffen, dass sich die Scheinwerfer endlich auf sie richten. Auch deshalb sage ich: Wir brauchen einen sozialen Schub. Die umfassende prekäre Beschäftigung in Deutschland ist nicht mehr hinnehmbar. Wir haben den größten Niedriglohnsektor in Europa.

Verstehen Sie die Ängste vieler AfD-Wähler, die sich in Fremdenfeindlichkeit ausdrücken?

Von den Fakten und Zahlen her nicht. Wir haben 500 Millionen Europäer und 1,5 Millionen Flüchtlinge. Das muss zu verkraften sein. Im Libanon gibt es, glaube ich, drei Millionen Einwohner und eine Million Flüchtlinge. Ich habe aber neulich einen Intendanten gefragt, warum ich im Fernsehen immer nur zwei Typen von Arabern sehe: Der eine ruft so laut nach Allah, dass mir schon ganz komisch wird, der andere sprengt sich gerade in die Luft. Aber als ich selbst zuletzt durch Kairo gelaufen bin – zu sechst, drei BKA-Beamte, ein Dolmetscher, ein Mitarbeiter und ich – und es war Ramadan, und der Mullah rief am Abend, dass jetzt alle anfangen dürfen zu essen, da wurden wir vor jedem Haus eingeladen mitzuessen. Da frage ich mich: Wann haben wir in Deutschland das letzte Mal das Fenster aufgemacht und zu sechs Leuten auf der Straße gesagt, kommen Sie doch rein und essen Sie mit uns?! Völlig unvorstellbar. Ich habe den Intendanten gefragt: „Warum sehe ich nicht mal solche Bilder im Fernsehen?“

Also wir beim Playboy haben auch schon weniger einladende Signale empfangen. Etwa die drohende Aufforderung, unser „schändliches Tun“ zu unterlassen – also das Entkleiden statt Verschleiern der Frauen. Könnten Sie Redakteure verstehen, die danach weniger gern zur Arbeit gingen?

Nein! Dann müssen Sie besonders gern zur Arbeit gehen, um sich durchzusetzen. Sonst geben Sie Ihren kulturellen Anspruch auf. Wissen Sie, wenn man in ein Land flieht, darf man immer versuchen, die Kultur zu erweitern. Aber man darf nie versuchen, sie einzuschränken. Wenn ich beschimpft worden bin im Bundestag und anderswo, bin ich umso häufiger hingegangen. Ich habe mal zum Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion gesagt: Sie wären mich längst los, wenn Sie netter zu mir gewesen wären.

Werden Sie lieber geliebt oder abgelehnt?

Ich habe ja keinen psychischen Schaden, dass ich mich daran ergötze, abgelehnt zu werden. Aber wenn ich abgelehnt werde, fange ich an, dagegen anzukämpfen.

Was hilft Ihnen dabei?

Humor. Wissen Sie, was meine wichtigste Entscheidung im Bundestag war? Dass ich mir vorgenommen habe: Ich hasse niemals zurück! Und wenn ich merkte, dass in mir doch mal so ein Gefühl hochkam, habe ich gesagt: Gysi, was hast du beschlossen? Du hasst nicht zurück! Erklär dir, wieso diese Person so ist. Sie hat eine andere Sozialisation als du.

Würden Sie das auch Männern wie Trump, Erdogan oder Putin gegenüber durchhalten?

Wenn ich jemanden politisch bekämpfe, besagt das ja nichts darüber, wie ich ihn als Mensch beurteile. Ich hatte als Rechtsanwalt über 1000 Mandanten, da kennt man die verschiedenen Typen, und bei Trump bin ich davon überzeugt, dass er unter Minderwertigkeitskomplexen leidet. Die kaschiert er. Und seine sexistischen Witze macht er nur, weil er bei Frauen nicht besonders erfolgreich ist. Das könnte ich Ihnen alles erklären. So kriegt man dann ein kleines bisschen Verständnis: Aha, deshalb ist der so.

Und bei Erdogan?

. . .ist das Problem, dass er jetzt in einem Macht- und Siegesrausch ist, das verführt immer zu einer falschen Politik. Er glaubt, nichts mehr nötig zu haben. Außer Gegner auszuschalten. Er denkt jetzt wie ein Diktator, nicht mehr wie ein Demokrat. Interessant ist nur, dass er uns damit mehr in Schwierigkeiten bringt als sich selbst. Denn die Bundesregierung versucht ja, die Flüchtlingsfrage über die Türkei zu lösen, so werden wir erpressbar von Erdogan. Und was machen wir jetzt mit der Nato? Es sollten doch nur demokratische Staaten rein . . .

Kommen wir zu Putin.

Bei ihm verstehe ich, wie er denkt. Der war sowjetischer Geheimdienstoffizier in der DDR. Und dann hat er erlebt, dass der Westen immer näher kam, und dann war die DDR weg. Das ist seine Erfahrung. Und jetzt merkt er, wie der Westen immer näher an die russische Grenze heranrückt und wie er auch noch aus dem Nahen Osten verdrängt werden sollte, und sagte sich: Schluss, hier ist das Ende der Fahnenstange! Er kämpft politisch-militärisch um die Sicherung seines Einflussgebiets, egal, wie andere denken.

Als Oppositionsführer plädierten Sie 2014 für Deeskalation statt Sanktionen gegen Russland in der Krimkrise. In der NSA-Affäre aber forderten Sie, man solle den Amerikanern gegenüber stärker auftreten. Spüren Sie noch Sympathien und Antipathien aus der Zeit des Kalten Krieges?

Nein, wenn der russische Geheimdienst uns vollständig ausspionieren würde, würde ich genauso reagieren. Ich sehe ja bloß nicht ein, dass meine Regierung so hasenfüßig ist. Wissen Sie, ein führender CSU-Politiker hat gesagt: Wir konnten auf die widerrechtliche Vereinnahmung der Krim nicht ohne Reaktion bleiben, deshalb die Sanktionen. Und ich habe ich ihn gefragt: War der Krieg der USA gegen den Irak völkerrechtsgemäß? Sagte er: nein. Sage ich: Welche Sanktionen haben Sie beschlossen? Keine, sagt er, aber Sie können nicht verlangen, dass wir die USA und Russland gleich behandeln, Herr Gysi. Da habe ich zu ihm gesagt, das will ich gar nicht. Aber eines will ich: Auf eine Völkerrechtsverletzung muss man gleichermaßen reagieren. Und das heißt: Wir müssen auch bei Russland einen anderen Weg gehen als den der Sanktionen. Frieden und Sicherheit in Europa gibt es niemals ohne oder gegen Russland. Und was haben wir jetzt? Jetzt beschließen die USA vielleicht Sanktionen, die uns treffen, obwohl sie scheinbar Russland treffen sollen. Dann dürften wir viele Dinge nicht mehr nach Russland liefern, von denen unsere Wirtschaft abhängig ist.

Okay, wie sähe eine Unterredung zwischen Ihnen und Trump aus?

Wenn ich jetzt in der Verantwortung wäre und der Trump würde zu mir sagen: Wir werden Strafzölle einführen für Ihre Produkte, denn Sie exportieren viel mehr in die USA als wir nach Deutschland, dann würde ich als Erstes sagen: Sie haben Recht, das liegt daran, dass wir besser sind. Dann ist er schon sauer. Dann würde ich als Zweites sagen: Wenn Sie wirklich einen Strafzoll einführen für unsere Produkte über 35 Prozent, muss ich leider auf US-Produkte 45 Prozent Strafzoll erheben. Ich muss ja zehn Prozent höher gehen, weil wir mehr in die USA verkaufen als Sie an uns, das werden Sie verstehen, Herr Präsident, sonst kriege ich den Ausgleich nicht hin. Dann würde er wütender werden und sagen: Dann mach ich 50 Prozent. Dann sage ich: Damit habe ich gerechnet. Dann gehe ich auf 62,5 Prozent. Und jetzt, lieber Herr Präsident, würde ich dann sagen, können wir beide noch bis 250 Prozent gehen, oder wir kehren zur Vernunft zurück. Wenn man diese Härte nicht an den Tag legt, wird man nichts erreichen.

Mit Trumps Wahlsieg hätte ja vor einem Jahr niemand gerechnet. Sie kämpfen für eine rot-rot-grüne Regierung nach der Bundestagswahl, aber mit Martin Schulz rechnet momentan auch niemand mehr – gibt es demnach Hoffnung?

Im Augenblick sind die Hoffnungen eher gering. Die SPD ist gerade dabei, alles zu verduddeln.

Was macht Martin Schulz falsch?

Kann ich Ihnen sagen. Der erste Fehler war, dass er sich zum Kanzlerkandidaten machen ließ ohne Vorbereitungszeit, ohne dass er politische Botschaften erarbeitet hätte. Dann beging er vor der Saarland-Wahl den Fehler zu sagen: Warum soll ich denn nicht mit Oskar Lafontaine zusammen regieren, der hat hier ja schon erfolgreich regiert. Das hat uns nicht geschadet, aber den letzten CDU-Wähler an die Urne getrieben. Danach hat er gesagt: Also wir können doch auch eine Koalition mit der FDP auf Bundesebene machen. Und damit glaubt ihm keiner mehr die soziale Gerechtigkeit. Und Frau Kraft erklärte, dass sie niemals mit den Linken koalieren würde, obwohl sie schon mal eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der Linken hatte. Und er nun wiederum sagte: Da hat sie völlig Recht. Und dann brach sie grottenmäßig ein. Wenn ich sein Berater gewesen wäre, hätte ich ihm zu einem anderen Vorgehen geraten.

Sprechen wir über Ihre Positionen zu Dingen, die uns Männer im Allgemeinen bewegen: Gleichberechtigung der Geschlechter, die Legalisierung von Drogen. . .

Also, ich bin für die Legalisierung weicher Dogen. Ich möchte, dass dieser Riesengewinn an Cannabis endlich beendet wird, indem wir es legalisieren. Bei harten Drogen will ich nur eines nicht: dass sie frei verkäuflich sind. Ich will nicht, dass Menschen abhängig werden, ich will, dass sie selbstbestimmt bleiben. Aber wenn einer bereits drogenabhängig ist, dann muss der Arzt sagen können: Du kriegst das Zeug. Denn sonst zwinge ich Abhängige in die Beschaffungskriminalität. Und die Legalisierung nimmt Leuten, die das verkaufen, die Einnahmen.

Haben Sie selbst Drogenerfahrungen?

Nein, und ich bin wirklich froh, dass ich diesbezüglich nie ein Problem hatte. Aber es lag auch daran, dass ich in der DDR aufwuchs. Da gab es das Zeug nicht. Was weiß ich, was gewesen wäre, wenn ich im Westen gewesen wäre mit 18.

Prostitution gab es in der DDR auch nicht, keine Pornos, keine Strip-Bars, keinen Playboy – nur das „Magazin“. . .

Ja, darin gab es immer ein Aktfoto.

. . .von Günter Rössler, dem „Helmut Newton der DDR“.

Das war harmlos. Aber auf der anderen Seite gab es in viel größerem Umfang als in der Bundesrepublik Freikörperkultur. Also, in manchen Punkten war die DDR prüder, und in anderen war sie weiter. Und jetzt wird die Freikörperkultur Schritt für Schritt abgeschafft, wie mir ein Sexualwissenschaftler erklärt hat: Der erste Grund sei, dass die Westmänner teilweise mit einem pornografischen Blick kämen. Und Frauen wollten sich beim FKK ja nicht vorführen. Und das Zweite sind jetzt Hotelinvestoren, die sagen: Wir bauen das Hotel hier nur, wenn die Nackten verschwinden. Was schade ist, denn die Freikörperkultur hatte Niveau, und sie ist ja nicht wirklich erotisch. So ein Bikini kann viel erotischer als FKK sein.

Die neueste Form der Prüderie herrscht heute weltweit in den sozialen Medien. Ein Mann darf sich da oben ohne hinstellen, eine Frau nicht. Verstehen Sie, dass Frauen das aufbringt?

Ich kann es nachvollziehen, wenn Frauen mit Nacktheit provozieren, ja. Nur wie man darauf klug reagiert, weiß ich nicht.

Würden Sie sich als Feministen bezeichnen?

Also, die „taz“ hat mich mal gefragt, ob es Männer gibt, die Feministen sind. Da habe ich gesagt, in aller Regel nicht, ich kenne nur eine einzige Ausnahme, nämlich mich. Aber ob die Ironie wirklich verstanden worden ist, weiß ich nicht. Wofür ich aber wirklich bin, ist die Gleichstellung der Geschlechter. Dafür streite ich ernsthaft. Was nicht heißt, dass ich jede überzogene Sache mitmache. Aber die Gleichstellung ist auch weltweit wichtig, wenn wir verhindern wollen, dass das Wachstum der Weltbevölkerung explodiert. Wenn du den Frauen sagst: Euer Platz ist Küche, Herd und bei den Kindern, dann sagen sie: Ob nun fünf oder sechs Kinder, ist auch wurscht. Wenn du sagst: Ihr habt dieselben Karrierechancen wie die Männer, dann sagen sie: Mehr als drei Kinder schaffe ich nicht.

Die Zeit Anfang der 70er-Jahre, als Sie nach Ihrer ersten Ehe alleinerziehend waren, war die schwer für Sie?

Also meine Nachbarin wollte mir immer helfen, weil sie es fantastisch fand, dass ein Vater allein mit seinem Kind lebte. Im selben Haus wohnte auch eine alleinerziehende Frau mit zwei Kindern, der hat sie nie Hilfe angeboten. Dann hat mir mal ein Richter eine Ordnungsstrafe gegeben, weil ich eine Verhandlung verließ, um meinen Sohn von der Kindertagesstätte abzuholen. Er hatte meine Bitte ignoriert, die Verhandlung rechtzeitig zu schließen. Das hätte er bei einer Frau nie gemacht. Aber das eigentlich Unangenehme ist Folgendes: Wir Väter sind ja gern Sonntagsväter, für das Schöne und Gute zuständig. Und die ganzen Auseinandersetzungen soll die Mutter führen. Das konnte ich nicht. Ich war für alles zuständig.

Dafür tun Sie etwas, das ich noch nie eine Frau tun sah: Sie angeln. Warum ist Angeln so männlich?

Nee, ich habe auch schon Frauen gesehen, die angeln. Ich war auch nur einmal angeln. Letztlich soll doch jede und jeder machen, wozu sie oder er Lust hat. Aber wissen Sie, warum Männer so gern angeln? Nicht wegen der Fische. Sondern weil sie zur Ruhe kommen und allein sein wollen. Wenn du einen Beruf hast oder ein Familienleben oder beides, in dem du die ganze Zeit vollgequatscht wirst, dann
ist das Angeln nichts als Erholung. Egal, ob ein Fisch anbeißt.

 

Titelbild: Playboy Deutschland