Mi., 11.07.2018
Sport

Football’s Coming Home: Warum die Engländer ihre Lieblings-Hymne falsch singen

„Three Lions (Football's coming home)“ hat es in den letzten 22 Jahren zu einem echten Klassiker unter den Fußball-Songs gebracht. Der Titel von Baddiel & Skinner & Lightning Seeds wurde erstmals zur Europameisterschaft 1996 in England veröffentlicht. Heute gehört es zum Standard-Repertoir der Fangesänge. Doch ausgerechnet in seinem Ursprungsland wird eine Zeile fast immer falsch gesungen.

Klar, den Refrain kann jeder Fußballfan auch bei 2,5 Promille noch mitgrölen. Bei den restlichen Zeilen wird es, gerade für Menschen, die des Englischen nicht mächtig sind, oft happig. Aber auch Muttersprachler haben ihre Schwierigkeiten.

„Three Lions on the Shirt...“ und dann?

Im Lied beschreiben das Komiker-Duo Baddiel & Skinner zusammen mit den Lightning Seeds wie hart es ist, Fan der englischen Nationalmannschaft zu sein. Im Intro hört man deshalb pessimistische Samples von britischen Fußballexperten, die einen Erfolg der „Three Lions“ anzweifeln. Verständlich, schließlich gewann die britische Elf zuletzt 1966, bei der WM im eigenen Land, einen internationalen Wettbewerb.

Aus diesem Grund lautet der Chorus auch: "Three lions on a shirt / Jules Rimet still gleaming / Thirty years of hurt / never stopped me dreaming“ zu Deutsch etwa: „Drei Löwen auf dem Trikot / Jules Rimet glänzt immer noch / Dreißig Jahre voller Schmerz / hat mich nicht vom Träumen abgehalten“

Wer zum Teufel ist Jules Rimet?

Der französische Funktionär Jules Rimet gilt als Vater der Fußball-Weltmeisterschaft.

Diese Frage dürfte sich der ein oder andere Fußballfan fragen. Doch Jules Rimet geriet zu Unrecht in Vergessenheit, schließlich gilt er als einer der Begründer der FIFA Weltmeisterschaft. Aus diesem Grund wurde die erste WM-Trophäe, die von 1930 bis 1970 vergeben wurde, nach ihm benannt: Der „Jules Rimet-Pokal“.

Wembley 1966: Bobby Charloten mit der Jules Rimet-Trophäe nach dem 4:2-Fianlsieg gegen West-Deutschland.
Credit: Playboy Deutschland

Da die Brasilianer 1970 zum dritten Mal eben jenen Pokal in den Himmel streckten, durfte der Verband, wie 1930 bei der allerersten Weltmeisterschaft versprochen, die Trophäe behalten. Zur WM 1974 in West-Deutschland wurde erstmals der heute bekannte Pokal vergeben.

"<p> </p> 7. Juli 1974: Kapitän Franz Beckenbauer mit dem Pokal, der zur Weltmeisterschaft in Deutschland erstmals vergeben wurde. Links neben ihm: Bundestrainer Helmut Schön.
Credit: Bongarts

Jules Rimet bleibt verschollen

Der erste WM-Pokal wurde 1983 gestohlen und ist bis heute nicht mehr aufgetaucht. Vermutlich wurde die Trophäe aus vergoldetem Sterlingsilber eingeschmolzen. Mit ihr verschwand auch das Wissen um Jules Rimet und die englischsprachigen Fans missverstehen „Football’s Coming Home“ deshalb. So wir bei vielen Fans aus „Jules Rimet still gleaming“, „Jewels remain still gleaming“. Übersetzt etwa „die Juwelen glänzen immer noch“.

Die falsche Textzeile ist so populär, dass es sogar einen Twitter-Account mit dem Namen gibt, der die Tweets mit den falschen Lyrics sammelt.

Ein Song wird zur Legende

Nicht nur die missverstandenen Textzeilen sind im kollektiven Gedächtnis der Fußballwelt, auch die Geschichte um das Lied selbst. 1996 scheiterte England im Halbfinale im Elfmeterschießen an Erzfeind Deutschland. Die Deutsche Mannschaft besiegte im Finale Tschechien und die Truppe um Jürgen Klinsmann, Oliver Bierhoff und Andreas Möller schmetterte das Lied mit heißeren Kehlen am Frankfurt Römer. Einen größeren Schmerz für die englische Fußballseele ist kaum vorstellbar.

Doch das Abschneiden bei der EM ließ Baddiel & Skinner & Lightning Seeds nicht verzweifeln. Stattdessen brachten sie eine aktualisierte Fassung des Lieds zur WM 1998 heraus. Auch diese Version schaffte es, wie die 1996er-Version, an die Spitze der UK-Charts und der Song wurde endgültig zum Klassiker.

Was Robbie Williams und Stefan Kuntz gemeinsam haben

Gastauftritt: Robbie Williams ist für einige Momente als England-Fan im Video zu ""Footballs Coming Home"" zu sehen.
Credit: Playboy Deutschland
Die Komiker Frank Skinner und David Baddiel machen sich im 1998er-Video über den Nachnamen von Nationalspieler Stefan Kuntz lustig...
Credit: Playboy Deutschland
...falls sie den Witz nicht verstehen: Googeln Sie den Namen und tauschen Sie dabei das "K" gegen ein "C" und das "Z" gegen ein "S".
Credit: Playboy Deutschland

Der Text erhielt 1989 nicht nur eine optimistischere Ausrichtung, auch drehten die musikalischen Komiker ein neues Video. Baddiel & Skinner reisen darin mit anderen England-Fans (unter die sich auch Robbie Williams gemischt hat) nach Frankreich und träumen erneut vom großen Triumph. Dort treffen sie auf eine Horde deutscher Fans, allesamt mit Vokuhilas und Kuntz-Trikots. Ein böser Wortwitz, auf Kosten des damaligen Nationalspielers, den wir an dieser Stelle nicht komplett erklären wollen.

„No more years of hurt“

EM 1996: Gareth Southgate nach seinem verschossenen Elfmeter im Halbfinale gegen Deutschland.
Credit: Stu Forster
Gareth Southgate 2018: Der Elfer-Fluch ist besiegt, jetzt scheint alles möglich.
Credit: Matthias Hangst

1996 versagte Gareth Southgate vom Elfmeterpunkt. Heute ist er Coach der "Three Lions" und hat aus seinem Fehler gelernt: Er ließ das Elfmeterschießen üben, der legendäre Elfer-Fluch der Engländer scheint überwunden. Auf einer seiner ikonischen Westen findet man eingestickt die Worte "It's coming home".

[Instagram Embed: https://www.instagram.com/p/BlFTD9LlZRp]

Die Engländer scheinen 2018 fest an ihren großen Traum zu glauben. Und tatsächlich sind die Chancen nach über 50 Jahren ohne Titel für das englische Team um Harry Kane so groß wie nie. Falls die „Three Lions“ heute Abend tatsächlich gegen Kroatien ins Finale einziehen, sollten die britischen Anhänger es ihrer Mannschaft gleichtun und üben. Denn auch der Text-Fluch zu "Football's coming Home" kann nach 22 Jahren beendet werden.

Titelbild: Juan Mabromata