Fr., 12.06.2020
Interviews

"Ich glaube nicht an Talent"

Wie wird man erfolgreich? Nur durch harte Arbeit, sagt der Däne Andreas Bagh. Er ist einer der jüngsten Sterne-Köche Europas.

Als Jugendlicher bewunderte Andreas Bagh, 33, nicht Fußball- oder Rockstars, sondern die besten Köche der Welt. Irgendwann wollte er selbst einer werden. Ein Glück, dass er in Kopenhagen aufwuchs, im europäischen Zentrum der nordisch-modernen Spitzengastronomie.

Playboy: Herr Bagh, nach Ihrer Schulzeit sind Sie einfach ins beste Restaurant Kopenhagens spaziert und haben nach einer Lehrstelle gefragt. Waren Sie mutig oder naiv?

Andreas Bagh: Ein guter Mix aus beidem. Ich dachte in meinem jugendlichen Leichtsinn, dass ich selbstverständlich in kürzester Zeit einer der besten Köche der Stadt werde. Als ich angenommen wurde, merkte ich, dass ich gar nichts kann. Ich musste komplett von vorn anfangen.

Hat es Ihnen trotzdem geholfen, sich für den Größten zu halten?

Irgendwie schon. Wenn du auf ein Top-Level kommen willst, egal, wo, brauchst du Selbstbewusstsein vielleicht sogar etwas Arroganz.

Credit: Digel

Ist Ehrgeiz wichtiger als Talent?

Ich glaube nicht an Talent. Für mich zählen nur Hingabe und harte Arbeit. Erst wenn du dir über Jahre hinweg die Grundlagen angeeignet hast und auf einem guten Fundament stehst, kannst du anfangen, kreativ zu werden und künstlerische Noten zu setzen.

Sind Sie hart zu sich selbst?

Sehr. Das ist meine größte Stärke und meine größte Schwäche. Ich bin nie zufrieden.

Während Ihrer Lehrzeit herrschte ein sehr rauer Umgangston. Sie haben jetzt in Ihrem Restaurant aber eine ganz andere Küchenkultur etabliert.

Das war vom ersten Tag an meine oberste Priorität. Ich nutze Human-Resources-Methoden wie in großen Unternehmen, um das Beste aus meinen Mitarbeitern rauszuholen. Denn unabhängig davon, wie gut ich als Koch selbst bin – ohne mein Team könnte ich nichts tun. Du musst es hinter dich bekommen.

Credit: Digel

Wie erreichen Sie das?

Mein stärkstes Küchenwerkzeug ist die Kommunikation. Ich spreche mit allen Mitarbeitern, vom Lehrling bis zum Souschef. Wir trinken einen Kaffee und reden einfach. Wie das Leben ist, welche Herausforderungen sie haben, wo sie sich in ein paar Jahren sehen. Wir erarbeiten gemeinsam Ziele. Du musst deinen Mitarbeitern etwas beibringen, sie ermutigen und nach oben heben, als Personen und als Köche. Ich sehe mich nicht nur als Koch, sondern auch als Leader.

Nebenbei arbeiten Sie auch als Model. So sind Sie beispielsweise aktuell als Kampagnen-Testimonial für das deutsche Modelabel Digel zu sehen. Mögen Sie es, im Mittelpunkt zu stehen?

Daran kommst du als Spitzenkoch gar nicht vorbei. Ich will aber nicht zu bescheiden wirken: Ich mag es. Ich mag die Aufmerksamkeit, die um die ganze Gastronomie herum herrscht. Das ist ein Teil des Spiels.

Sie sagen aber auch, dass Sie nicht für Ihr eigenes Ego kochen.

Wenn du für den Rest deines Lebens kochen willst, musst du langfristig denken. Die Gäste wollen etwas, das schmeckt. Und nicht tausend Sachen auf dem Teller, nur weil ich als Kind mal eine Karotte gegessen habe und sie nun in 50 verschiedenen Texturen zeigen will.

Credit: Digel

Sie sind einer der jüngsten Köche mit einem Michelin-Stern in Europa. Sind Sie darauf stolz?

Eigentlich nicht. Ich werde mich nicht in zehn Jahren damit verkaufen können, dass ich der jüngste Sterne-Koch in Kopenhagen war. Wenn du einen Stern hast, hast du nur einen Fokus: den zweiten Stern. Wenn du den hast, bist du zwei, drei Tage glücklich – und denkst an den dritten Stern. Köche sind sehr wettbewerbsorientiert.

Hatten Sie mal Zweifel am Beruf?

Ja, als ich Souschef war. Es gab in den anderen Restaurants so viele Souschefs, und ich dachte, alle sind besser als ich. Warum sollte ich es schaffen? Ich habe überlegt, nach Dubai oder Hongkong zu gehen, um einen Job zu bekommen.

Was war Ihre Rettung?

Der Anruf vom „Hotel d’Angleterre“, ob ich der neue Chefkoch sein will. Wenn du erfolgreich sein willst, musst du geduldig sein.

Credit: Digel

Würden Sie Geduld auch jungen Menschen mit einem Traum raten?

Absolut. Viele Mädchen und Jungen himmeln gleichaltrige Social-Media-Stars an, die scheinbar alles erreichen. So ist das Leben aber nicht in der echten Welt. Es braucht Zeit, um in etwas gut zu sein. Ich habe 13 Jahre gebraucht, um meinen Traumjob zu bekommen. Ich hab mir den Arsch aufgerissen. Es gibt keine Abkürzung.

Titelbild: Playboy Deutschland