Mo., 19.11.2018
Interviews

Hollywood-Superstar Scarlett Johansson wird 38

Sie ist die Frau, die unsere Superhelden-Träume wahrwerden ließ – heute, am 22. November, feiert Hollywood-Superstar Scarlett Johansson ihren 38. Geburtstag. Zum Start ihres Kinofilms "Ghost in the Shell" trafen wir Sie im letzten Jahr, um mit ihr über Karriere, Treue und Trump zu sprechen.

 

Playboy: Frau Johansson, Ihre Besetzung in „Ghost in the Shell“ als Major war umstritten. Viele Leute dachten, dass die Figur Japanerin sei und von einer Japanerin gespielt werden müsste. Haben Sie von dieser Diskussion etwas mitbekommen?
Scarlett Johansson: Sicher. Kulturelle Vielfalt ist ein wichtiges Thema in Hollywood. Ich spiele ein Individuum, dessen menschliches Gehirn in eine Art Roboter eingepflanzt wurde. Es ist eine universelle Figur, das heißt, sie besitzt keine eigene Identität. Der Film handelt von der Suche nach dieser Identität. Es kommt nicht darauf an, wie die Figur aussieht.

Erzählen Sie uns, wie Sie sich auf eine Rolle vorbereiten.
Am Anfang versuche ich, die Körperlichkeit einer Figur zu finden. Das kann ein Gefühl der Unsicherheit sein oder – wie bei meiner Rolle als Major – das mangelnde Gefühl für sich selbst. Dafür habe ich alle physischen Ticks weggelassen, die kleinen Gesten, die einen Menschen ausmachen. Geist und Körper sind bei ihr getrennt, also muss sie erst denken und dann handeln. Das sind meine Ausgangspunkte.

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Ihr zurückgenommenes, subtiles Spiel ist einer der Gründe, warum es auch so ein Vergnügen ist, Ihnen und Bill Murray in „Lost in Translation“ zuzusehen: das sogenannte Unterspielen. Sie scheinen keine Angst vor Stille oder einem leeren Blick zu haben.
Ich achte darauf, mir genug Zeit zu nehmen. Das Publikum bleibt bei einem. Es macht die Reise mit. Das ist übrigens das Beste am Theaterspielen – die pure Magie, wenn das Publikum mit dir mitgeht.

War es für Sie als New Yorkerin ein Kindheitstraum, am Broadway zu spielen?
Unbedingt. Schon mit acht wollte ich in Musicals mitspielen, was ich heute unter keinen Umständen mehr täte. Wenn ich vor Publikum singen und tanzen müsste, würde ich im Boden versinken.

Ihr Vater ist Däne, und Ihre Mutter stammt aus der Bronx. Wie haben Sie Ihre Eltern erlebt?
Meine Eltern hatten bereits zwei Kinder und wollten noch ein drittes. Stattdessen kamen zwei: mein Zwillingsbruder und ich. Ich glaube, spätestens da haben sie ihren Erziehungsplan aufgegeben – falls sie je einen hatten. Meine Mutter zog nach Kalifornien und war nur noch selten zu Hause, und mein Vater war damit beschäftigt, uns großzuziehen. Meine Eltern hatten nie große Sprünge machen können, daher war es nicht leicht für ihn. Mit 13 sorgten mein Bruder und ich mehr oder weniger für uns allein. Ich wohnte zu Hause, ging zur Schule, arbeitete aber schon als Schauspielerin und ließ mich treiben. Ich hätte ganz schön abstürzen können, wenn ich nicht immer einen Leitstern gehabt hätte.

Was war das? Die Arbeit?
Ja. Ich hatte eine gesunde Arbeitsmoral und einen starken Selbsterhaltungstrieb. Ich habe meinen Schulabschluss gemacht und bin mit 18 ausgezogen.

"Bei meinem ersten Blind Date hatte sich der Typ gerade Tequile durchs Auge eingeflößt."

Wie sah es damals mit Jungs aus? Gibt es etwas, das Sie heute wissen und gern schon mit Anfang 20 gewusst hätten?
Ich hatte nie einen Freund, sodass ich dazu wenig sagen kann. Ein einziges Mal hatte ich ein Blind Date. Als ich kam, hatte sich der Typ gerade seinen Tequila durchs Auge eingeflößt. Ich wusste gar nicht, dass so was überhaupt geht! Was für ein Reinfall! Ich möchte nie wieder Anfang 20 sein, auch wenn ich damals viel Spaß hatte. Ich wünschte, ich hätte damals gewusst, dass sich alles ändert und nichts für die Ewigkeit ist – außer der Tod. Dann hätte ich mir viel Grübelei ersparen können.

Ist es wichtig, genau zu wissen, was man will?
Unbedingt. Ein Überangebot an Möglichkeiten kann erdrückend sein. Ich glaube, genau hier liegt das Problem. Alles ist möglich, gerade in den USA. Wir sind in dieser Hinsicht verwöhnt. Es gibt zu viele Möglichkeiten, und das versetzt die Leute in Panik. Aus Angst, etwas falsch zu machen, verfallen sie in Schockstarre. Sie setzen sich keine Ziele mehr. Diese Versagensangst kennen viele Amerikaner. Weil in ihrem Land nur der Erfolg zählt. Es wird nicht honoriert, Fehler, Misserfolge und Unsicherheit zuzugeben. Das ist etwas, was Barack Obama auszeichnet – seine Bescheidenheit. Eine wunderbare Eigenschaft. Wir werden viel an ihm vermissen, aber Bescheidenheit ist essenziell, um Erfolg zu haben. Es wird sich sicher bald herausstellen, dass der Herrscher eines Landes ohne Eigenschaften wie Verletzlichkeit, Neugier, Mitgefühl und eben Bescheidenheit nicht erfolgreich sein kann.

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Sie haben Barack Obamas Wahlkampf zweimal unterstützt und zuletzt für Hillary Clinton geworben. Wie haben Sie die Niederlage verarbeitet?
Wissen Sie, es ist komisch: Kurz nach der Wahl war ich mit Woody Allen zum Essen verabredet, und beide spürten wir den Drang, erst über die Wahl zu sprechen, bevor wir zum Sinn des Lebens übergehen konnten. Ich sagte: „Bitte erzähl mir nicht, dass du es gleich gewusst hast!“ Und er antwortete: „Um ehrlich zu sein, hat mich fast der Schlag getroffen. Ich hätte nie gedacht, dass er auch nur in einem einzigen Bundesstaat gewinnt.“ Ich war erleichtert: Wenn es schon Woody so ging, konnte ich besser damit umgehen, dass ich so dumm gewesen war – denn der Wahlausgang traf mich wie aus heiterem Himmel. Der Wahltag war vollkommen bizarr. Ich hatte meiner Tochter erklärt: „Wir kriegen eine Präsidentin, das ist was Besonderes. Und zwar Hillary Clinton.“ Dann nahm ich den Flieger nach Hongkong, trank zwei Gläser Wein und nickte ein. Zehn Stunden später wachte ich auf, und die Stewardess sagte: „Entschuldigen Sie, Miss, möchten Sie wissen, wie die Wahl ausgegangen ist?“ Ich sah sie an und sagte: „Wieso, das ist doch klar – wie bitte? Was ist los? Es muss Clinton sein.“ Und sie: „Nein, Miss, es ist Trump.“ Ich dachte, ich bin im falschen Film.

Unternehmen Sie etwas gegen Gefühle wie Hoffnungslosigkeit?
Das Wichtigste ist, nie zu denken, man habe es geschafft. Nicht, dass ich dafür wäre, aber durch eine gesetzliche Pflicht zum Engagement würde sich das politische Klima total verändern. Die Leute würden mehr Eigeninitiative entwickeln. Es ist schwer, die Menschen zu mobilisieren – ich meine, sehen Sie sich die letzte Wahl an. Niemand ist hingegangen. Die Wahlbeteiligung war so niedrig wie noch nie. Das ist auch eine Schuld der Medien. So was wie Wahlprognosen sollte verboten werden. Die Leute sind einfach zu bequem.

"Mein Therapeut würde sagen: „Sie machen immer dieselben Fehler. Hören Sie einfach auf damit.“

Sie haben viele Figuren gespielt, die sich im Lauf eines Films wandeln. Hat man im Leben dieselben Möglichkeiten, sich zu verändern?
Im Schauspiel sind sie großartig. Aber mein Therapeut würde sagen: „Sie machen immer dieselben Fehler. Hören Sie einfach auf damit.“ Im wirklichen Leben macht man die gleichen Fehler doch immer wieder und wieder.

Bis man sie eines Tages…
... nicht mehr macht. Das ist die Hoffnung. Dabei ist es so faszinierend, wenn jemand immer wieder denselben Mist baut.

Ich glaube, ein paar dieser Kerle kenne ich ziemlich gut.
Oh, ich dachte, die hätte ich schon alle getroffen! Waren wirklich noch welche für Sie übrig?

Liebe macht blind, oder? Man ist nicht ganz bei Sinnen.
Das stimmt. Dann ist der rationale Teil des Gehirns ausgeschaltet, und ein dysfunktionaler Teil übernimmt. Der Bereich, der auch bei Abhängigkeiten aktiv wird. Verliebtheit ist eben ein tolles Gefühl.

Sie haben mal gesagt, Sie bezweifelten, dass Menschen für ein monogames Leben geschaffen seien.
Na ja, alles hat seinen Preis, oder? Die Ehe ist ein wunderschönes Konzept. Trotzdem glaube ich nicht, dass es natürlich ist, monogam zu leben. Auch wenn man mich dafür an den Pranger stellt, bin ich der Meinung, dass Monogamie sehr anstrengend ist. Und die Tatsache, dass es für so viele – eigentlich alle – so schwer ist, beweist, dass sie nicht angeboren ist. Ich habe größten Respekt vor monogamen Beziehungen und hatte selbst welche, aber ich bin überzeugt, dass das dem Instinkt zuwiderläuft.

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Welchen Beruf würden Sie aus- üben, wenn Sie nicht Schauspielerin geworden wären?
Ach herrje, wahrscheinlich würde ich irgendwas mit Medizin machen. In anderen Leuten herumstochern. Menschen interessieren mich einfach. Dermatologin wäre genau mein Ding. Mein absoluter Traumjob. Meine Freunde kommen ständig zu mir: „Was hab ich denn hier Komisches?“ Und ich: „Zeig her!“ Aber ich glaube nicht, dass ich sieben Jahre Uni durchstehen würde.

Wahrscheinlich würde Hollywood Sie auch nicht ziehen lassen.
Ach, da wäre ich mir nicht so sicher. Jeder ist ersetzbar.

Kürzlich war zu lesen, dass Sie 2016 an den Kinokassen die höchsten Ergebnisse eingespielt haben.
Viele meiner Filme sind Kassenschlager, das hilft. Aber ich habe die letzten Jahre auch hart gearbeitet.

"Ich habe eine eigene Meinung zu dem, was ich tue."

Lesen Sie Kritiken Ihrer Filme?
Ja, doch. Ich suche nicht verbissen nach Rezensionen, aber wenn sie in der „New York Times“ stehen oder in Fachzeitschriften, das interessiert mich schon. Es hilft mir zu sehen, wo ich stehe. Trotzdem habe ich eine eigene Meinung zu dem, was ich tue. Nicht unbedingt zu meiner Leistung, aber zu einem Film insgesamt. Und die unterscheidet sich wahrscheinlich nicht besonders vom allgemein herrschenden Eindruck. Auf der anderen Seite habe ich aber auch schon Filme gedreht, die extrem erfolgreich waren, ohne dass ich wüsste, warum. Beim Dreh von „Lost in Translation“ zum Beispiel war niemandem wirklich klar, was Sofia Coppola genau vor Augen hatte. Wir befanden uns alle in einem seltsamen Jetlag-Fiebertraum, in einer komplett fremdartigen Umgebung und brauchten nur 27 Tage. Unser Kameramann Lance Acord war wahrscheinlich einer der wenigen, die wussten, wohin die Reise geht. Durch das Drehbuch war mir das jedenfalls nicht klar geworden. Ich habe einfach mein Ding mit Bill Murray durchgezogen und das erlebt, was meine Figur erlebt. Und dann kam der Film raus und hat so viele Menschen berührt. Das hätte ich mir nie träumen lassen.

Damals waren Sie zarte 17. Was empfinden Sie, wenn Sie den Film heute sehen?
Es ist lange her, dass ich ihn gesehen habe. Wahrscheinlich würde ich denken: „Gott, war ich jung.“

Robert Redford, unter dessen Regie Sie in „Der Pferdeflüsterer“ gespielt haben, beschrieb Sie einmal als „13-Jährige, die auf die 30 zugeht“. Waren Sie schon immer so erwachsen?
Tja, wie ich schon sagte, war ich sehr früh auf mich gestellt. Ich musste in vielen Bereichen Verantwortung übernehmen.

Sie nutzen auch keine sozialen Medien, wie das die meisten anderen jungen Menschen tun.
Ich habe mich da von Anfang an rausgehalten. Ich rufe auch niemanden zurück oder höre meine Mailbox ab. Das ist einfach nicht mein Ding. Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu verpassen.

Sie gehören vielleicht auch so gerade noch zu der Generation von Schauspielerinnen, die ihren Weg gehen konnten, ohne rund um die Uhr beobachtet zu werden.
Stimmt. Manchen jungen Schauspielern sieht man richtiggehend an, dass sie sich ständig Gedanken darüber machen, wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und welche Persönlichkeit sie rüberbringen sollen. Das ist ein Jammer.

Titelbild: Frazer Harrison