Di., 22.03.2016
Porträts

Backpfeifen, Bohnen, bare Fäuste

Mit Bud Spencer an seiner Seiter gab Terence Hill dem Italowestern ein neues Gesicht: frech bis zum Übermut - perfekt für die Parodie aufs klassische Gewalt-Genre. Anlässlich seines heutigen 82. Geburtstags, eine Hommage an den wohl größten Hedonisten unter den Revolverhelden.

Ein deutlicher Anflug von Verwegenheit umweht Terence Hill noch immer, trotz seines mittlerweile fortgeschrittenen Rentenalters. Weißer Anderthalb-Tage-Bart nebst strähniger, ein paar Schuss zu blonder Haarpracht, dazu Stonewashed-Jeanshemd unterm Sakko, Jeanshose, klobige Cowboystiefel – so kreuzte er in einer italienischen Promi-Talkshow auf, und alles war wie immer: ein Studio-Festspiel jener unverschämten Lässigkeit des hedonistischen, abgebrühten Westernhelden, mit der sich dieser Mann tief ins Gedächtnis der Kino- und TV-Welt gebrannt hat.

Kein Gebot aus Benimm-Bibeln half in den 60er- und 70er-Jahren gegen seine hinreißend vorlauten Figuren mit der unbekümmerten Grinsemimik. Zwar ragen Terence Hills Westernrollen mit knapp mehr als 250 Produktionen, Serien inklusive, zahlenmäßig nicht gerade in den Olymp. Doch eine Hand voll davon haben das gesamte Genre verändert. Der Spaghetti-Western verhalf Hill zum Durchbruch als Kino-Star, und als Dankeschön gab er ihm ein neues Gesicht. Frech, fratzig, parodistisch – nicht zuletzt in den Prügelszenen: grins, bumm, peng. Der Mann war die Fleisch gewordene, weltgewandte Flapsigkeit.

Credit: xCourtesyxEverettxCollectionx MBDTHCA EC006

Aus Mario Girotti wird Terence Hill

Kein Wunder also, dass Terence Hills Italowestern-Karriere mit einem Arschtritt begann. Es war im Sommer 1967, als der Südtiroler Choleriker Peter Martell statt des Hinterns seiner Freundin eine Wand traf, wobei samt seinem Fuß auch seine Hauptrolle in einem Western zu Bruch ging, den der italienische Regisseur Giuseppe Colizzi gerade in Südspanien zu drehen begonnen hatte. Und ehe sich Mario Girotti – wie Terence Hill damals noch hieß – versah, fand er sich an Stelle von Martell im Staub der Wüste von Tabernas wieder, dem Kulissen-Mekka für Italowestern. Dort stellte Colizzi ihm Carlo Pedersoli vor, seinen Filmpartner, der sich wegen der besseren Einprägsamkeit für den Filmverkauf im Ausland einen leichteren Namen zulegen musste: Bud Spencer. Aus demselben Grund wurde aus Mario Girotti nun Terence Hill.

Zunächst sah alles so aus, als wenn das Spaghetti-Western-Debüt dieses Terence Hill völlig normal verlaufen würde: blutig statt medium, vollgestopft mit zügelloser Gewalt, womit sich die Italo- von den inzwischen recht mediokren US-Western abgrenzen wollten. Und auch die Handlung – die Jagd nach einem Goldschatz – ließ nichts Ungewöhnliches vermuten, denn sie war stark an „Zwei glorreiche Halunken“ von Sergio Leone angelehnt. Doch entscheidende Nuancen gaben „Gott vergibt – Django nie“ einen neuen Spin: Der Regisseur ließ die Eimer mit Filmblut öfter mal hinter der Kamera stehen und strickte kleine Parodien in den Plot ein, die wie die Hauptfiguren von Äsops Tierfabeln inspiriert waren. Hill schlüpfte in die Rolle der Katze, Spencer mimte den Hund. Und beide fuchsten sich in die Szenen rein, als hätten sie nie etwas anderes getan. Sie ergänzten sich auf Anhieb perfekt. Es gibt sogar eine Szene, die als Symbol dafür steht: einen Streit, den sie in tierischem Kampf an einem Fluss um einen toten Baum herum austragen. Dabei entwickelte das Duo den berühmten „Taubenschlag“ – einen plumpen Hieb von Bud mit der Faust auf den Kopf des Gegners, der sich zu einem Markenzeichen ihrer Filme entwickeln sollte.

„Gott vergibt – Django nie“ kam noch 1967 in Italien ins Kino und wurde später in Deutschland ein Riesenerfolg. 1968 übertraf dann die Fortsetzung „Vier für ein Ave Maria“ alle Erwartungen.

Nur ein einziger Film schaffte es damals, die Zuschauerzahlen zu toppen: Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“. Terence Hill hatte in Bud Spencer sein ideales Gegenstück gefunden. Sie bildeten fortan ein Männerpaar, das so klassisch für Gewalt und Witz stand wie Romeo und Julia für Romantik.

Vergessen war damit das größte Trauma des jungen Schauspielers Mario Girotti, das ihn durch seine ersten 30 Filme begleitet hatte: das Image des jugendlichen Liebhabers – würde er es je loswerden? Selbst in seinem Leinwand-Wildwest-Debüt, das er in der Heimat seiner Mutter, in Deutschland gab, hatte der blonde Mario mit den himmelblauen Augen es nicht abschütteln können. 25 Jahre alt war er, als Kinopapst Horst Wendlandt ihn 1964 für „Winnetou II“ und drei weitere Karl-May-Streifen engagierte.

„Es gab bei der Filmcrew keine Frau, die nicht sofort für Mario geschwärmt hätte“, erinnert sich seine Filmpartnerin Karin Dor heute. Allerdings sei er derart schüchtern gewesen, dass es am Set hieß, er sei vermutlich eher Männern zugetan. Als er bei einem Fest dann doch einmal „sichtlich beschwipst“ war, habe sie ihm vor aller Augen einen Kuss gegeben, „den Mario leidenschaftlich erwiderte“. Was Karin Dor unter dem Lachen der Menge mit den Worten kommentierte: „Seht ihr, er ist nicht schwul!“

An der Seite Bud Spencers wurde nun endlich geprügelt statt geknutscht – wenngleich auf gewisse Weise liebevoll und harmlos, weil eben parodistisch. Mit dieser Idee sorgte Regisseur Enzo Barboni 1970 für den endgültigen Durchbruch von Spencer und Hill als Weltstars: In „Lo chiamavono Trinità“ (wörtlich: „Sie nannten ihn Trinità“) hauen und ballern die Jungs, was das Zeug hält, doch wie bei Kindercomics tut sich niemand ernsthaft weh. Die erste Parodie des Spaghetti-Western, in Deutschland „Die rechte und die linke Hand des Teufels“, ging als einer der erfolgreichsten Filme der 70er-Jahre in die Kinogeschichte ein.

Wie sehr die Slapstick-Variante des Italowesterns den Schalk in ihm weckte, zeigte Hill so gut wie nie zuvor in „Vier Fäuste für ein Halleluja“. Die „Trinità“-Fortsetzung brach 1971 in Italien alle Zuschauerrekorde.

 

Allein in Deutschland sahen den Film zwölf Millionen Menschen. Das Publikum zog schlagfertige Hippie-Cowboys, Quatschprügeleien und wiederkehrende Fresseinlagen den rohen Spaghetti-Western vor. Eine Wahl, die Terence Hill auch für sich selbst traf: „Ich wurde in dieser Zeit immer öfter von Müttern auf der Straße angehalten, die mir sagten: ‚Hör nicht auf, solche Filme zu machen, denn so können wir mit unseren Kindern ins Kino gehen, ohne böse Überraschungen zu erleben.‘ Durch dieses Erlebnis habe ich gemerkt, dass ich Verantwortung habe und auf keinen Fall Rollen annehmen würde, mit denen ich die Zuschauer unangenehmen Gefühlen aussetze.“ Aus demselben Grund lehnte der tiefgläubige, praktizierende Katholik wenig später auch die Rolle als Rambo ab – und verzichtete auf den Ruhm in Hollywood, den er damit Sylvester Stallone schenkte.

Nur einer kam mit dem Erfolg der „Trinità“-Figuren überhaupt nicht klar, weil er seinen eigenen überschattete: Sergio Leone, der Übervater der Italowestern. Obwohl er sich nach der „Todesmelodie“ 1971 geschworen hatte, nie wieder Western zu drehen, plante er nun ein Comeback. Mit „Mein Name ist Nobody“ wollte er zeigen, wer neben John Ford der wahre Westernmeister ist – und dass es „Trinità“ ohne ihn niemals gegeben hätte.

"Freundschaft ist wie Liebe ohne Sex..."

Leone inszenierte den Film als Metapher für sein eigenes Lebenswerk: mit Henry Fonda als lebender Legende namens Jack Beauregard, der des Wilden Westens überdrüssig ist und sich zur Ruhe setzen möchte. Der übermütige Nobody (Terence Hill) jedoch hindert ihn daran, weil er Beauregard mit einem letzten Coup zum Mythos machen und dann in einem Scheinduell besiegen will, um seinen Platz einzunehmen. Das Ergebnis ist eine skurril-unterhaltsame Mischung aus „Vier Fäuste für ein Halleluja“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“, die 1973 ein großer Erfolg wurde, bevor Leone und Hill mit der Fortsetzung „Nobody ist der Größte“ selbst bewiesen, dass die Zeit der Western tatsächlich vorbei war.

Es wurde immer stiller um das Genre – und um Terence Hill, der auch für Stille rund um sein Privatleben sorgte. Mehr als 30 Jahre lebte er zurückgezogen in Stockbridge, einem Kaff in den flachen Bergen von Massachusetts. Dorthin zieht er sich auch heute noch, unterbrochen von TV-Engagements, mit seiner Frau Lori oft zurück, mit der er seit 52 Jahren verheiratet ist. Ob auch Bud Spencer dort ein und ausging? Lange pflegten beide die Legende, sie seien auch privat zwei wie Pech und Schwefel – eine Mär, mit der Bud Spencer in seiner Autobiografie aufräumte. „Nie“, schreibt er, hätten sie sich in die Privatsphäre des anderen hineingedrängt. „Freundschaft ist wie Liebe ohne Sex, und eine Liebe, die sich in ein Gefängnis verwandelt, zerstört die Freundschaft.“

 

Titelbild: imago