Schenken oder nichts schenken? Die Weihnachtsfrage, die alle nervt
Alexander Neumann-Delbarre, Playboy-Reporter, findet: Wer unter Stress schenkt, verschenkt meist Murks
Ich liebe Geschenke. Was ich nicht leiden kann, ist Geschenkezwang. Kommt ja meistens nur Murks raus. Unter Druck entstehen Diamanten, heißt es, unter Präsente-Druck aber zu oft Wellness-Gutscheine. Oder ähnliche Eingeständnisse von Ideenlosigkeit und Panik. Weinbrände, Kerzenständer, Ottolenghi-Kochbücher. Man könnte Schwager, Schwester und Schwiegermutter genauso gut einen Fuffi paypalen – insgeheim würden sie sich vermutlich mehr darüber freuen. Die Sache ist ja die: Im Unterschied zu Kindern – die natürlich reich beschenkt gehören – können sich Erwachsene Dinge, die sie gern hätten, einfach selbst anschaffen.
Ein gutes Geschenk liefert also immer auch etwas, das sich nicht kaufen lässt: Es zeigt Zuneigung, erzeugt Verbundenheit, hat Charme. Das Kleid aus der teuren Boutique, das sich Ihre Partnerin selbst nicht leisten wollte. Die Platte vom Flohmarkt, die Ihren Kumpel an alte Zeiten erinnern wird. Der Roman, der die Freude ihrer Schwester auf den New-York-Trip noch steigern dürfte. Im Alltag stößt man oft auf schöne Geschenke (und sollte viel häufiger welche machen). Aber in den Präsente-Jagd-Wochen im Advent sind sie rar wie trinkbarer Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Kluge Leute führen eine Ideenliste – die meisten aber drucken halt wieder Gutscheine aus.
In meiner Familie sparen wir uns seit Jahren den Einkaufsstress. Die Erwachsenen wichteln an Heiligabend. Jeder wirft zwei kleine Geschenke in einen großen Sack, dann gibt es Schnaps und eine lustige Runde Geschenkeziehen. Zu Corona-Zeiten zog mal jemand einen Drei-Monats-Vorrat Klopapier. Was soll ich sagen? Dieses Geschenk bewies Zuneigung und hatte einen gewissen Charme.
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Ich verstehe ja Paare, bei denen es kracht. Mal der Lattenrost aus Liebe, mal die Tür aus Wut. Nähe ist Reibung. Manchmal wirst du verletzt, manchmal beschenkt. Hauptsache persönlich, weil: Wofür lebt man sonst zusammen? Wer Emotionen nicht will, soll alleine bleiben. Dass vielen das so schwerfällt, ist mir ein Rätsel. Lieber werden Eheverträge aufgesetzt oder Verabredungen getroffen wie zwischen Kriegsparteien: „Ich schlage vor: Wir schenken uns nichts.“ Wer hört da keine Drohung? Klar müssen sich solche Leute irgendwann To-dos für ihr sogenanntes Liebesleben anlesen. Ihre „Paarzeit“ definieren und üben, offen zu kommunizieren: Sie leisten (Vorsicht, Gruselwort) „Beziehungsarbeit“.
Da geht bei mir sofort der Loriot-Film im Kopf an: Tante Hedwig und Onkel Hellmuth – spaßfreie, sinnlose Monogamie. Lustig anzuschauen ist heute übrigens auch die Single-Variante davon: Online-Dater, die gern bereits vor dem ersten Treffen wüssten, ob „es“ denn wohl passt. Die Hedwigs von morgen, aufgerüstet mit einem Arsenal an Anglizismen für alle zwischenmenschlichen Eventualitäten: Love-Bombing, Fizzling, Ghosting, mal zu viel Zuwendung, mal zu wenig … alles ganz weltbewegend. Wer so kleinkariert aufs eigene Wohl schaut, schenkt natürlich nicht gern. Der macht Tauschgeschäfte.
Schenken dagegen macht Spaß. Bring sie zum Orgasmus, servier anschließend Frühstück, leg einen Tiffany-Ring daneben, und freu dich drüber, wie sie sich freut. Man muss damit übrigens nicht bis Weihnachten warten, wenn man keine moderne Beziehungsexpertin zu Hause hat, die gleich Love-Bombing wittert. Dann einfach: Tür zuknallen und gehen. Findet sie das „toxisch“, ist man sie hoffentlich los