Mi., 14.08.2019
Genuss

Die zweite Tiki-Welle

Über Jahrzehnte galten bunt servierte Tiki-Cocktails als geschmacklich minderwertig in jeder Hinsicht. Jetzt erobern Neuauflagen der exotischen Fruchtbomben mit Schirmchen und Obstscheiben die Spitzenbars zurück.

Es gibt viele Möglichkeiten, einen guten Drink zu mixen. Aber manche werden erst dann interessant, wenn man sie verbietet. So entdeckten die US-Amerikaner während der Prohibition in den 1920er- und 1930erJahren die Karibik als Urlaubsregion und den dortigen Rum als vielseitige Cocktail-Zutat. Nach dem Ende des Alkoholverbots wurde das Zuckerrohr-Destillat zur Lieblingsspirituose der Bar-Szene in New York, San Francisco und Los Angeles.

Sehnsucht nach den fernen Paradiesen

In Polynesien stationierte US-Soldaten brachten aus dem Zweiten Weltkrieg die Südsee-Exotik mit zurück – und weckten in der amerikanischen Heimat die Sehnsucht nach den fernen Paradiesen. Knallbunte Hawaiihemden wurden Kult, ebenso tropische Ukulele-Melodien und die pazifischen Ahnen- und Götterfiguren, Tikis genannt. Der Aloha-Trend mit Bambus-Interieur verbreitete sich schnell und hielt bis in die 60er-Jahre.

Credit: Playboy Deutschland

Dutzende Spielfilme befeuerten das Südseefieber, bis es von einer neuen Popkultur verdrängt wurde. Fortan galten Tiki-Illusionen auf Bing-Crosby- und Elvis-Niveau als überholt und Schirmchen-Cocktails als kitschig. Entscheidend für den Niedergang war aber vor allem die mangelnde Qualität der Drinks, die meist mit minderwertigen Zutaten zusammengerührt wurden.

Mai Tai und Hurricane werden modernisiert

Tiki-Cocktails hatten daher lange den Ruf von „überladenen und viel zu süßen Saftpanschereien“, urteilt die Münchner Barmeisterin Angelica Schwarzkopf. Genau das ändert sich gerade, was auch am aktuellen Retro-Trend liegen mag. Nach anfänglichem Hype in den USA öffnen jetzt auch in deutschen Metropolen immer mehr Tiki-Bars. Experimentierfreudige Barkeeper kombinieren hochwertige Rumsorten, kochen eigenen Sirup, setzen exotische Liköre an und verwenden frisch gepresste Fruchtsäfte.

Credit: Playboy Deutschland

Sie modernisieren Drinks wie Bahama Mama, Jet Pilot, Mai Tai und Hurricane zu komplexen Kreationen, ohne dabei die ursprünglichen Rezepturen zu missachten: mit viel Frucht, aber nicht zu süß. Die Gläser, Tiki-gemäß häufig als Götterfiguren geformt, garnieren sie ganz traditionell mit Palmwedeln, Ananasscheiben und Schirmchen – und lassen so den farbenfrohen Tiki-Lifestyle als aktuellen Trinktrend wiederaufleben.

Titelbild: Playboy Deutschland