Do., 28.05.2020

Wir halten für jeden!Vier Anhalter und eine Playmate unterwegs im Rolls-Royce

Schöne Dinge machen mehr Spaß, wenn man sie teilt: Auf unserem Roadtrip von Stockholm nach München im Rolls-Royce Dawn Black Badge nahmen wir deswegen jeden mit, der wollte: Anhalter vom Wegesrand, von der Mitfahr-Vermittlung und eine gute Bekannte. Eine Erfahrungsreise…

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Als Anhalter hat man es nicht leicht. Oft steht man stundenlang an einer Autobahnauffahrt und wartet. Die meisten wollen einen nicht mitnehmen, und die wenigen, die es wollen, fahren in die falsche Richtung. Bei den ganz wenigen aber, die einen mitnehmen wollen und das auch noch in die richtige Richtung, will man nicht einsteigen, weil sie wie Serienmörder aussehen oder ihre Autos wie Müllhalden, oder es riecht darin nach Müllhalde – oder eben alles gleichzeitig. Als wir also das Angebot erhielten, einen Rolls-Royce Dawn Black Badge, das große Viersitzer-Cabrio der Briten, von Schweden nach Deutschland zu überführen, kamen wir auf folgende Idee: Warum teilen wir nicht unseren Luxus und nehmen auf der Strecke von Stockholm bis München jeden Anhalter mit, den wir sehen? So verbinden wir die billigste Art des Reisens auf der Straße, das Trampen, mit der teuersten. Und machen ein paar Leute glücklich. Ist geteiltes Glück nicht doppeltes Glück?

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So weit die Theorie. Doch wie für Tramper in der Praxis das erste Auto das Schwerste ist, lässt sich offenbar auch umgekehrt der erste Tramper am schwersten finden. Wir klappern die Innenstadt Stockholms und die Tankstellen an den Autobahnkreuzen ab – aber niemand ist da, der mitgenommen werden möchte. Leicht genervt treten wir auf der Autobahn Richtung Kopenhagen aufs Gas. In 4,9 Sekunden sind wir auf 100 – und das trotz des Gewichts von 2,5 Tonnen. Im Unterschied zu einem Sportwagen spürt man die enormen 840 Newtonmeter allerdings kaum, die der 601 PS starke 6,6-Liter-Zwölfzylinder erzeugt – in einem Rolls-Royce fühlt sich alles an wie in Watte gepackt. Vielleicht auch deswegen bemerke ich nicht, dass ich bereits 40 km/h über dem Tempolimit liege – ganz im Gegensatz zu den zwei Polizisten im Fahrzeug hinter mir. Sie halten mich an, und nachdem ich ihnen die Anhalteridee geschildert habe, erklären sie: „Sie werden hier kein Glück haben, niemand fährt in Schweden per Anhalter, das gilt als extrem gefährlich.“ Na ja, zumindest wissen wir jetzt, woran es lag, auch wenn diese Erkenntnis rund 250 Euro Bußgeld gekostet hat.

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Auf der nächsten Etappezwischen Kopenhagen und Hamburg habe ich mehr Glück. Auf einem Parkplatz hinter einer Tankstelle steht ein junger Mann mit einem Pappschild: „Berlin“. Der 20-jährige Julius ist das, was man wohl einen Profi-Anhalter nennen würde. „Zusammen mit einem Freund bin ich schon mal in anderthalb Monaten von Georgien nach Deutschland getrampt.“ Ob er auch schon mal in einem Rolls-Royce mitgenommen wurde? „Nein, das bisher beste Auto war ein Porsche. Aber ich steige bei jedem ins Auto ein, notfalls auch in einen Rolls-Royce. Hauptsache, es ist umsonst“, sagt er mit einem frechen Grinsen. Heute will der gebürtige Hamburger nach Berlin, um dort seine Schwester und seine Nichte zu besuchen. „Allein die Strecke Hamburg–Berlin bin ich gefühlt schon tausend Mal getrampt“, erzählt er weiter. Schon sein Vater, ein ehemaliger Punk und heutiger Star-Architekt, sei als Jugendlicher oft per Anhalter unterwegs gewesen. Aber das Fahren per Anhalter scheint aus der Mode gekommen zu sein: „Einmal hat es sieben Stunden gedauert, bis ein Auto mich mitgenommen hat.“

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Um unsere Chancen auf Anhalter zu erhöhen, melde ich mich auf einer App namens BlaBlaCar an – einer Art digitale Mitfahrzentrale. Hier können Autofahrer ihre geplanten Reisen einstellen, um gegen Entgelt Mitfahrer für ihre Routen zu gewinnen. Bei uns ist die Fahrt natürlich kostenlos. Nach nur wenigen Sekunden meldet sich Elisabeth bei mir auf dem Handy, ebenfalls mit dem Ziel Berlin. Eine Viertelstunde später holen wir sie in Lübeck ab. „Euch gibt es ja wirklich“, sagt sie und lächelt überrascht. „Ich dachte schon, das sei ein Fake mit der kostenlosen Fahrt im Rolls-Royce.“ Ganz geheuer sind wir der 25-jährigen Medizinstudentin aber anscheinend immer noch nicht, sicherheitshalber sendet sie unsere Namen und unser Kennzeichen an ihre Oma. Als diese schließlich zurückruft, wirkt sie deutlich ruhiger: „Meine Oma hat eure Geschichte im Internet gecheckt, anscheinend arbeitest du wirklich beim Playboy.“ Dann schickt sie augenzwinkernd hinterher: „Aber ausziehen werde ich mich trotzdem nicht für euch.“ Ob sie denn schon mal übergriffige Männer als Mitfahrerin erlebt hat, wollen wir wissen. „Besonders ältere Männer sind leider extrem flirty. Bei einem saß ich irgendwann mit Sonnenbrille und Kopfhörern auf dem Beifahrersitz, aber er hat immer noch nicht aufgehört, mich vollzutexten“, erzählt sie. „Übergriffig ist aber noch nie einer geworden.“

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Als ich Elisabeth und Julius ein paar Stunden später in Berlin absetze, meldet sich Playmate Sophie Brill (Miss Juni 2018) bei mir auf dem Handy. Sie müsse für ein Shooting nach München, jemand aus der Redaktion meinte, ich könne sie mitnehmen. Natürlich. Ich sammle Sophie am Alexanderplatz in Berlin ein, dann fahren wir weiter zu einer Aral-Tankstelle an der A 115 im Südwesten von Berlin – laut Internet der beste Treffpunkt für Anhalter. Dort stoßen wir auf Daniel, einen Blogger aus Weißrussland. Als wir ihm auf Englisch erklären, dass wir für den Playboy arbeiten und er sich neben Playmate Sophie auf die Rückbank setzen soll, wird er misstrauisch. Er zeigt auf den Ring an seinem Finger und sagt in gebrochenem Englisch: „Sorry guys, I can’t do that, I’m married.“ Später erfahren wir, dass er dachte, wir wollten einen Porno mit ihm drehen. „Setz dich einfach“, bricht Sophie das Eis, „eine bequemere Rückbank als in diesem Auto wirst du nicht finden.“ Nach ein paar Minuten Fahrt und einem Plausch mit Sophie entspannt sich Daniel: „Ich sitze gern neben Sophie. Aber darf ich auch mal hinters Steuer?“ Darf er. Dann erzählt er uns, dass er im Auftrag der weißrussischen Nachrichtenseite tut.by versucht, ohne Geld von Minsk quer durch Europa bis an die portugiesische Atlantikküste zu trampen.

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Bei einem kurzen Tankstopp kurz hinter Nürnberg gibt es einen fliegenden Wechsel. Daniel trifft einen Lkw-Fahrer, der ihn bis nach Paris mitnehmen will, und wir treffen eine nette Studentin, die seinen Platz einnimmt. Die 26-jährige Juli muss dringend an den Set der „Rosenheim-Cops“ in die Bavaria-Filmstudios, sie arbeitet dort in der Requisite – und macht uns, nachdem sie zuerst ein komisches Gefühl hatte, einfach so bei Fremden einzusteigen, ein nettes Kompliment: „So ein Cabrio ist natürlich tausendmal besser als jeder Flixbus.“ Mit Tempo 250, der Höchstgeschwindigkeit des Dawn, fahren wir weiter Richtung München. Die Haare der Mädels fliegen im Wind, nach knapp einer Stunde sind wir da. An der Oper steigen sie aus.

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Und ich? Habe etwas gelernt: Das Abenteuer Trampen war gestern. Es ist zu riskant, sichere Mitfahrvermittler machen das Rennen. Aber wer zwei Voraussetzungen erfüllt, der kann so ein spontanes Roadmovie trotzdem noch erleben. Es braucht nur zwei Dinge: gute Absichten – und ein Rolls-Royce-Cabriolet.

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