Mo., 04.12.2017
Interviews

"Es gibt heute keine Rockstars mehr"

Mit Oasis hat Noel Gallagher den Brit-Pop groß gemacht – auf seinem neuen Album versucht es der König der Großmäuler nun mit Scheren-Klängen. Zeit, um Fußball zu gucken und seinen Bruder Liam zu verspotten, bleibt trotzdem.

Playboy: Mr Gallagher, mal ehrlich: Vermissen Sie die alten Oasis-Zeiten ab und an?
Gallagher: Ich vermisse meine 20er, die „Definitely Maybe“-Phase. Weil ich damals Single war, jede Menge Spaß hatte und Drogen genommen habe, als gäbe es kein Morgen. Das waren verdammt tolle Zeiten!

Playboy: Die mit 50 Jahren aber nun definitiv vorbei sind?
Gallagher: Heute möchte ich das nicht noch mal erleben. Mich wie ein verrückter alter Sack zu benehmen und jeden Abend tonnenweise Koks durchzuziehen – das wäre verdammt traurig, oder?


Playboy: Existiert denn der Rockstar Noel Gallagher noch?
Gallagher: Ich habe mich nie für einen Rockstar gehalten und verhalte mich nicht so. Ich kann aber so reden.

 

Playboy: Zum Beispiel haben Sie mal gesagt: „Wer noch nie einen Fernseher aus dem Fenster geworfen hat, weiß nicht, wie viel Spaß das macht.“
Gallagher: Keine Ahnung, warum. Denn ich glaube nicht, dass ich das je gemacht habe. Ich habe Kollegen dabei beobachtet – aber ich fand es lächerlich.

Playboy: Ist das nicht Rockstar-Pflichtprogramm?
Gallagher: Ich denke, es geht auch ohne. Außerdem gibt es heute keine Rockstars mehr.

Playboy: Wie meinen Sie das?
Gallagher: Na ja, es gibt vielleicht berühmte Typen, die in Bands spielen. Aber Rockmusiker von heute spielen nicht einmal mehr ihre eigene Musik und haben schlichtweg nichts zu sagen. Außerdem haben sie schlechtes Haar und schlimme Schuhe.

Playboy: Ist da niemand, zu dem Sie aufschauen würden?
Gallagher: Nur die, zu denen ich schon immer aufgesehen habe: Morrissey, der einfach der Größte ist, Paul Weller, Johnny Marr, Paul McCartney, U2.

Playboy: Die Tatsache, dass Bonos Name in den Paradise Papers auftaucht, tut dem keinen Abbruch?
Gallagher: Das Verblüffende ist eher, dass ich darin nicht erwähnt werde. Ich habe extra nachgeschaut (lacht).Die haben mein Einkaufszentrum in Angola nicht entdeckt. Was Bono betrifft: Es würde mich nicht wundern, wenn er tatsächlich keine Ahnung hat, was seine Finanzberater tun. Wer hat das schon?

Playboy: Und welchen Einfluss auf die Musikgeschichte hat Ihr Bruder Liam?
Gallagher: Der ist ein Möchtegern. Musikgeschichte hat der nur als Großmaul geschrieben. Allein kriegt er nichts auf die Reihe. Er braucht alles auf dem Silbertablett serviert. Wenn das nicht passiert, weint er. Diese Memme.

 

Playboy: Sie selbst gehen mit Ihrem gerade erschienenen Album „Who Built the Moon?“ neue Pfade, arbeiten mit Soundtrack-Spezialist David Holmes zusammen. Wie war das?
Gallagher: David meinte zu mir: „Du hast alles erreicht, du warst für den Brit-Pop verantwortlich. Langsam wird es Zeit für einen Neuanfang, für Phase zwei.“

Playboy: Und wie sieht die aus?
Gallagher: Jemand hat mir die Tür zu einer anderen Welt geöffnet, hinter der sich französische Mädchen mit Umhängen und Scheren verbergen . . .

Playboy: Wie bitte – mit Scheren?
Gallagher: Ich fragte eine Background-Sängerin, ob sie auch Tamburin spielen kann. Darauf sagte sie auf diese verächtliche Weise, wie nur französische Frauen sie hinkriegen: „Ich spiele kein Tamburin, ich spiele Schere und habe das auch schon in einer Band getan.“ Jetzt tut sie das bei mir – und trägt dabei einen Umhang. Völlig abgefahren.

Playboy: Sehen wir sie bei Ihrer Tour im April auf der Bühne?
Gallagher: Oh, definitiv – die Königin der Scheren!

Playboy: Bleibt Ihnen neben all den Konzerten eigentlich noch Zeit für Fußball?
Gallagher: Mann – ich könnte gar nicht ohne.

Playboy: Werden Sie die WM verfolgen?
Gallagher: Vielleicht das Halbfinale und das Endspiel. Aber den Rest? Langweiliges Gekicke, das niemanden interessiert. Da bin ich als Manchester-City-Fan Besseres gewöhnt.

Playboy: Was halten Sie von Ihrer Nationalmannschaft?
Gallagher: Die war schon immer mies. Richtig scheiße sogar. Sie haben es einmal in tausend Jahren geschafft, den Weltmeistertitel zu holen. Durch ein Tor, das eigentlich keins war.

Playboy: Man City hat 2016 zwei deutsche Spieler erworben, İlkay Gündoğan und . . .
Gallagher: Sané von Schalke, der ist unglaublich! Dabei ist er gerade mal 20.

Playboy: Ist Man City für Sie der Beweis, dass viel Geld viele Tore schießt?
Gallagher: Und wie! Das Team ist der absolute Wahnsinn. Was aber nicht zuletzt an Pep Guardiola liegt, den ihr in Deutschland ja auch gut kennt.

 

 

Playboy: Seit Guardiolas Weggang aus München treten die Bayern nicht mehr so dominant auf . . .
Gallagher: Aber die Bayern haben eh schon oft genug gewonnen. Haben die nicht fünf Europapokal- und Champions-League-Titel? Und wie viele nationale Titel?

Playboy: Siebenundzwanzig.
Gallagher: Siebenundzwanzig? Oh, Mann! Da kann ich nur sagen: Fickt euch!

Titelbild: Playboy Deutschland