Mo., 15.05.2017
Interviews

"Ich habe in allen männlichen Disziplinen unglaublich versagt"

Österreichs Groß-Humorist über hilfreichen Trotz, dümmliche Eitelkeit und die ewigen Testosteron-Wettspiele unter Männern

Playboy: Was haben Sie gegen Journalisten, Herr Hader?

Hader: Gar nichts. Ich wäre fast selbst einer geworden. Nach dem Abitur war ich sogar kurz Volontär bei der katholischen Presseagentur in Wien. Aber dann habe ich den Plan verworfen.

Playboy: Warum das?

Hader: Weil ich nicht nur schreiben wollte, sondern auch vorn stehen, reden und wichtig sein. Also habe ich beschlossen, Lehrer zu werden, und habe ein halbes Studium lang Lehramt studiert. Dann kam das Kabarett dazwischen, da redet man vor Menschen, die Eintritt bezahlen, das ist ein bedeutender Vorteil gegenüber einem Lehrer.

Playboy: Jetzt haben Sie zum ersten Mal selbst Regie bei einem Film geführt. In „Wilde Maus“ lassen Sie einen narzisstischen Journalisten seinen Job verlieren, einen Rachefeldzug gegen seinen Chef starten und auf armseligste Weise abstürzen. Warum hat es gerade meine Berufsgattung erwischt?

Hader: Es wären auch andere Berufe denkbar gewesen. Wichtig war, dass jemand einen Beruf nicht nur ausübt, um Geld zu verdienen, sondern ihn auch stark mit dem eigenen Selbstwertgefühl verknüpft. Für so jemanden ist es ja eine noch größere Katastrophe, die Arbeit zu verlieren. Ich wollte die Geschichte einer Kränkung erzählen. Mich hat interessiert, wie ein Mann aus meinem eigenen Milieu, also dem Mittelstand, auf eine sehr starke Kränkung reagiert.

Playboy: Reagieren Männer anders auf Kränkungen als Frauen?

Hader: Ich denke, beruflicher Misserfolg trifft Männer oft schwerer, weil es noch immer zum Selbstverständnis vieler Männer gehört, dass sie beruflich tolle Hechte sind und dafür auch alles andere opfern. Ich stelle auch bei mir fest, dass beruflicher Erfolg oder Misserfolg für ziemliche emotionale Bewegung sorgen kann. Der Unterschied zur Filmfigur ist, dass bei mir Misserfolg großen Trotz auslöst. Den kann ich dann um­lenken in so ein Es-allen-zeigen-Wollen. Im Grunde ist so auch das Drehbuch für diesen Film entstanden. Die Filmförderung hatte ein Projekt abgelehnt, an dem ich beteiligt war. Und da dachte ich trotzig: Jetzt schreibst ein Drehbuch und zeigst es allen.

Playboy: War dieser Trotz schon immer da?

Hader: Es ist wohl eine Art Überlebensstrategie, die ich als Kind entwickelt habe, weil ich mich sehr viel allein gefühlt habe und nicht viele Menschen hatte, mit denen ich über alles reden konnte. Und das wurde dann meine Methode fürs Leben. In wirklichen Krisensituationen lasse ich mir bis heute nicht gut helfen. Da bin ich am liebsten allein und warte ab, bis mir diese Hornhaut von Trotz wächst.

Playboy: Eine typisch männliche Form der Krisenbewältigung.

Hader: Es entspricht jedenfalls dem über Jahrhunderte kultivierten Bild vom Mann, der sich allein durchkämpft und sein Ding durchzieht: der einsame Cowboy, der Einzelgänger-Polizist. Sogar Jesus geht schon in wichtigen Momenten auf den Berg, damit er Ruhe hat. Und Moses steigt allein auf einen Gipfel, und dann fallen ihm die zehn Gebote ein. Das Bild von sich isolierenden Männern, die dann irgendwas Wichtiges erledigen, ist über Jahrtausende zurückverfolgbar. Nur: Männer, die zu viel allein sind, begründen heutzutage keine Weltreligionen mehr, sondern werden Amokläufer. Das ist ein gewisser Niedergang.

Playboy: Im Film sagt die Hauptfigur zu seiner Frau einen schönen Satz: „Immer wenn ich sag, was ich mir denk, ist schlechte Stimmung.“

Hader: Interessanterweise reden mich ständig Männer auf diesen Satz an. Sie nicken mir mit wissendem Blick zu und sagen: „Da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen.“

Playboy: Offenbar haben Sie da eine universelle Männer-Erfahrung auf den Punkt gebracht. Was, denken Sie, steckt dahinter?

Hader: Ich glaube, es liegt daran, dass der Mann grundsätzlich nicht sagt, was er denkt, und wenn er es dann ausnahmsweise doch mal tut, erwartet er dafür eigentlich eine
Belohnung. Und dann ist er ganz beleidigt, dass nicht alle jubeln und sagen: „Gott sei Dank, dass du mal sagst, was du dir denkst, es ist zwar ziemlich deprimierend, was du dir denkst, aber wir freuen uns so, dass du das mal tust.“

Playboy: Sind Männer noch immer schlecht darin zu sagen, was sie wirklich bewegt?

Hader: Ich bemerke nur, dass Männer, die miteinander ausgehen, oft über alles Mögliche reden, aber nicht über ihre Probleme. Es geht um Beruf, Fußball, egal, Hauptsache, nicht über sich selbst. Außer man hat etwas Lustiges erlebt oder meinetwegen auch eine kräftige Niederlage erlitten, aus der man aber souverän rausgekommen ist. Was nicht Erfolgsgeschichte ist, darüber wird wenig gesprochen. Grundsätzlich sind es auch oft Männer, die jahrelang gut gelaunt leben und später erzählen, sie hätten eine riesige Depression gehabt. Das kenne ich von Frauen nicht so.

Playboy: Wann haben Sie selbst sich zuletzt so richtig männlich gefühlt?

Hader: Ich habe mich noch nie männlich gefühlt, ehrlich gesagt. Weil die Phasen, in denen man sich richtig männlich fühlt, das ist doch meistens, wenn man verzweifelt ist, viel trinkt, Zigaretten raucht und sich selbst dabei zuschaut, als wäre man in einem Film. Und dann fühle ich mich aber eher wie ein Künstler und nicht so sehr wie ein Mann.

Playboy: Woher kommt das?

Hader: Als Kind hat mir schon die Art von Männlichkeit, wie sie forsche Mitschüler hatten, eher Angst gemacht. Als Einzelkind wusste ich in der Grundschule nicht, wie man beim Raufen gewinnt oder Fußball spielt. Ich habe in all diesen männlichen Disziplinen unglaublich versagt. Dadurch war das Männliche für mich von Anfang an immer gleichbedeutend mit dem Brutalen und dem Dummen. Denn ich musste mir natürlich einreden, dass die Mitschüler dumm wären, damit ich ausgehalten habe, dass ich nicht so bin wie sie.

Playboy: Stellen Sie bei jungen Männern heute Unterschiede zu den Männern Ihrer Generation fest?

Hader: Ich habe für „Wilde Maus“ mit einigen jungen Männern gearbeitet, und mein Eindruck war, dass ich mit ihnen leichter auskomme als mit Männern meines Alters. Sie waren motiviert, freundlich, lustig. Es gab keine Schaukämpfe, keine Rechthaberei. All die Testosteron-Wettspiele, die ich nicht so mag, wenn Männer zusammen Filme machen, waren kein Problem. Was natürlich daran liegen kann, dass ich der Regisseur war.

Playboy: Oder daran, dass so etwas im Alter einfach schlimmer wird.

Hader: Ja. Dass die ungute Art von Männlichkeit im Alter stärker wird. Und auch unsympathischer. Weil: Wenn ein junger Bursch ein bisschen frech ist, sich was rausnimmt, einen gewissen Stolz hat, dann ist das eigentlich cool. Wenn dasselbe aber ein älterer Mann macht, ist das eitel und dumm. Vielleicht ist den Männern also gar nichts vorzuwerfen. Sie machen einfach das, was sie als Jungs gemacht haben. Vielleicht muss man ihnen aber auch genau das vorwerfen.

Playboy: Ende 40, Anfang 50: Ist das das schlimmste Alter für einen Mann?

Hader: Meine Krise waren eher die Jahre von Mitte 30 bis Mitte 40.

Playboy: Was war da los?

Hader: Ich habe mir beruflich zu viel zugemutet, wollte alles niederreißen, war ständig krank aus Überforderung, habe meine Beziehungen vernachlässigt. Ich habe einfach ziemlich viel falsch gemacht.

Playboy: Woran lag’s? Die Midlife-Crisis?

Hader: Ich weiß nicht, ob es die Midlife-Crisis war oder eine Art Erfolgsrausch. Vielleicht eine Mischung aus beiden. Ich vermeide auch, mich näher damit zu beschäftigen. Es ist ja vorbei. Jedenfalls merke ich jetzt, dass ich die Dinge besser austarieren kann, dass ich vernünftiger geworden bin. Vielleicht auch, weil ich ein wenig schwächer geworden bin. Ich erlebe das Alter als einen Zugewinn an Entspanntheit. Aber die nächste Krise lauert um die Ecke. Wenn dann der richtige körperliche Verfall kommt.

Playboy: Wird das Lustigsein mit dem Alter einfacher oder schwieriger?

Hader: Ich erlebe es nicht als Zwang, lustig sein zu müssen. Ich habe schon als junger Kabarettist ganz nüchtern meine Aufgabe darin gesehen, für zwei Stunden zu verhindern, dass Leute den Saal verlassen. Das erreicht man durch Lustigsein, aber auch durch Spannung, Dramatik. Und je älter man wird, desto mehr Stilmittel hat man zur Verfügung. Mein Ziel ist es, dass ich im Alter so erfahren und raffiniert geworden bin in meiner Kunst, dass ich, selbst wenn ich schon bettlägrig bin, noch auf die Bühne gefahren werde und dort so interessante Dinge mache, dass keiner aus dem Saal geht. Und einen männlicheren Gedanken kann man sich ja gar nicht vorstellen.

Titelbild: Getty Images