Jan Delay
Di., 25.05.2021
Interviews

30 Fragen an Jan Delay

Sonnenbrille, Hut und Charakterstimme sind die Markenzeichen des Hamburger Hip-Hop-Veteranen. Mit uns spricht er über seinen neuen Hund, seinen neuen Führerschein – und sein neues Album.

Playboy: Herr Delay, viele Rapper berauschen sich angeblich gern mit Tilidin, wonach sind Sie süchtig?

Jan Delay: Rote Paprika. Hab ich mal bei einer Diät entdeckt, die ess ich seit zehn Jahren jeden Tag.

Keine anderen Drogen?

Nur saisonal: Spargel, Erdbeeren, Kirschen und Wassermelonen.

Frage an den Stilhelden der Nation: Kommt die Jogginghose gerade so richtig in Mode?

Nee, wenn diese ganze Scheiße vorbei ist, wird niemand mehr eine Jogginghose anziehen wollen. Die Pandemie wird diesem Hype endlich die Butter vom Brot nehmen.

Sie besitzen keine Jogginghose?

Doch, Tausende!

Warum haben Sie sich im vergangenen Jahr einen Hund zugelegt?

Wegen meiner Tochter. Alter Schwede, am Anfang macht so ein Welpe fast so viel Arbeit wie ein Baby. Der pisst und kackt die ganze Zeit, und du musst immer am Start sein.

Sie sind ja nicht der Einzige, der jetzt einen Corona-Hund hat.

Hab ich gemerkt. Wir hatten ihn auf so einschlägigen Hundevermittlungs-Seiten gesucht. Von denen hast du morgens immer eine Mail mit den neuesten Angeboten bekommen. Wenn du im ersten Lockdown einen Moment zu spät draufgeklickt hast, gab’s schon 30 Anfragen. Ich hab in 600 Kilometer Umkreis gesucht, keine Chance! Nach ein paar Wochen ging’s dann.

Sie haben von Ihrem Hund ein Foto gepostet und wurden heftig kritisiert, dass er nicht aus dem Tierheim kommt. Fühlen Sie sich angemessen schuldig?

Asche auf mein Haupt. Meine Tochter hat mir mittlerweile verboten, den Hund zu fotografieren.

Als Solo-Künstler hat Jan Delay mehrere Verwandlungen hinter sich, nach Reggae- und Rock-Platten folgt jetzt mit „Earth, Wind & Feiern“ (Vertigo Berlin) eine schön funkige Disco-Scheibe.
Credit: PR

Im vergangenen Jahr haben Sie endlich Ihren Führerschein gemacht. Warum erst mit Mitte 40?

Hab ihn nie gebraucht. Als Hamburger fährst du Bahn oder Fahrrad. Nur im Urlaub hat mich das immer genervt. Mein Traum ist eine Reise mit Wohnmobil. Einfach weiterfahren, wenn’s wo scheiße ist.

Haben Sie sich diesen Traum mittlerweile erfüllen können?

Nee, ich bin noch dabei, besser zu werden.

Wie meinen Sie das?

Genau so, wie ich es gesagt hab. Einparken zum Beispiel, da ist noch Luft nach oben.

Welches Auto besitzen Sie?

Noch gar keins. Wenn ich mir eins zulege, dann mit irgendeiner Form von alternativer Energie.

Auf Ihrem neuen Album beschreiben Sie sich als Hippie-Kind. Wahrheit oder Dichtung?

Wahrheit. Ich bin in einem ehemals besetzten Haus aufgewachsen, ganz viel Liebe, ein Künstlerhaushalt. Eigentlich ganz geil, aber ein ziemlicher Kontrast, wenn du in Eppendorf wohnst, dem reichsten Stadtteil Hamburgs.

Aber arm waren Ihre Eltern nicht?

Ja, doch, am Ende des Tages hatten wir echt wenig Kohle.

Trägt man eine einfache Herkunft als Erwachsener weiter mit sich rum?

Unbedingt!

Inwiefern?

Die Angst, alles zu verlieren, ist tief in mir drin, das ist was ganz Existenzielles. Das befruchtet mein Arbeitsethos und drängt mich, jeden Tag etwas zu schaffen.

Wie sehr fehlen Ihnen Live-Auftritte?

Ich hab mich in der Situation eingerichtet. Der Beruf besteht sowieso aus zwei Parts: einerseits draußen sein, Interviews geben und Konzerte spielen, andererseits Türe zu und Sachen schreiben. Ich fokussier mich gerade auf Letzteres.

Jan Delay mit seiner Liveband Disko No. 1
Jan Delay mit seiner Liveband Disko No. 1
Credit: PR

Ein paar Konzerte sind für 2021 angekündigt, werden noch mehr dazukommen?

Keine Ahnung, es werden eher weniger. Für „Rock am Ring“ sind wir zum Beispiel gebucht, aber das ist ja ein Treppenwitz. Niemand geht davon aus, dass wir da wirklich spielen werden.

Wie groß sind die finanziellen Einbußen?

Groß. Aber ich konnte in den vergangenen Jahren ein bisschen was zur Seite legen. Für meine Band ist das allerdings hart. Und richtig scheiße ist es, wenn du als Paar doppelt betroffen bist, wenn er Musiker ist und sie vielleicht in der Maske arbeitet.

Haben Sie Verständnis für Forderungen, wieder mehr zuzulassen?

Das geht jetzt einfach nicht. Selbst wenn man es zuließe: Die Leute haben Angst. Die Clubs werden sich erst wieder füllen, wenn die Leute geimpft sind und alle locker werden können. Wer jetzt im Alltag meint, sich über Beschränkungen hinwegsetzen zu müssen, gefährdet viele Menschen.

Spricht aus dem neuen Song „Tuer’n knall’n“ der Corona-Koller?

Nein, die Idee dazu gab’s schon vorher.

Geht’s bei Ihnen zu Hause auch laut zu?

Klar, wenn du nicht manchmal streitest, ist das keine Beziehung.

Sind Sie es, der mit den Türen knallt?

Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Geschrieben hab ich den Song aber eher aus der 
Beobachterposition heraus.

Kommen Sie gut mit cholerischen Menschen aus?

Nee, gar nicht.

Halten Sie sich insgeheim für den Größten?

Joa, nicht nur insgeheim.

Weil das von Ihnen erwartet wird?

Na ja, wenn man nichts von sich hält, braucht man nicht zu rappen. Wär’ aber mal interessant: einen Rapper zu hören, der sich komplett niedermacht. Der darüber singt, dass nichts bei ihm geht. Das wär’ aber höchstens eine Platte lang spannend.

Beginner
Los ging’s für Jan Delay (bürgerlich Jan Philipp Eißfeldt) Anfang der 90er in der legendären Hip-Hop-Combo Absolute Beginners, die mit der Zeit erst das „s“ am Schluss, dann das erste Wort verloren und heute nur noch Beginner heißen.
Credit: PR

Da wir gerade beim Thema Erwartungen an Rapper sind: Im neuen Song „Früher“ beschweren Sie sich über eine bestimmte Sorte von Fans, die genau wissen, was sie von Ihnen wollen. Nervt das?

Was heißt beschweren. Das ist eigentlich ein Song für alle meine Kollegen, die auch ständig aufgefordert werden: „Ey, mach mal wie früher!“ Das kennt jeder, der so lange wie ich im Geschäft ist und sich weiterentwickelt, ob das ein Campino, ein Udo oder ein Samy ist. Aber warum soll ich das denn noch mal machen, wenn ich es schon mal gemacht habe? Dann hör dir doch die alten Sachen an!

Vor sieben Jahren kam „Hammer & Michel“ raus. Jetzt rappen Sie darüber als die „Rockplatte, auf die keiner Bock hatte“. Beschäftigt Sie schlechte Kritik?

Ja klar. Damals fand ich das richtig ungerecht.

Den Sound damals haben Sie als „geilen Dicke-Titten-Sound“ beschrieben …

Das ist ein bisschen aus dem Kontext gegriffen, das muss ich vielleicht erklären. Es gibt bei Rockmusik so einen Gitarrenklang, auf den ich gar nicht stehe, das sind vor allem die Marshall-Verstärker: so ein kalter, verzerrter, ekliger Sound, der Penis-Sound. Und dann gibt’s Verstärker wie zum Beispiel von Orange: schön, warm, analog und fett, das liebe ich. Und das habe ich als Titten-Sound bezeichnet. Ich bin eher der weibliche Typ. Das ist also überhaupt nicht sexistisch gemeint, im Gegenteil!

Achten Sie nach der MeToo-Debatte mehr auf Ihre Formulierungen?

Ich würde das heute so nicht mehr bringen. Denn das wird missverstanden, zu Recht, und deshalb muss ich da mehr darauf achten.

Wie würden Sie den Sound von „Earth, Wind & Feiern“ beschreiben?

Geiler Dicke-Titten-Sound (lacht). Quatsch, blöder Gag. Auf jeden Fall als weiblich, sinnlich und rund. Musik, zu der Frauen gerne tanzen – das ist immer die beste Musik.

Titelbild: Thomas Leidig