Mo., 16.11.2020
Interviews

„Alles ändert sich sehr schnell“

Vom Panamera über den Taycan bis zur neuen 911 Targa Design Edition: Seit 16 Jahren prägt CHEFDESIGNER MICHAEL MAUER den Look von Porsche. Wir sprachen mit ihm über die Zukunft der Mobilität.

Bevor man das streng geheime Entwicklungszentrum in Weißach betreten darf, werden einem erst einmal die Kameralinsen am Handy zugeklebt. Denn hinter der Pforte steht die Zukunft von Porsche. Wir zählen  zehn abgeklebte Erlkönige auf den umliegenden Parkplätzen, bevor wir das Designzentrum betreten. Hinter dem Gebäude erreichen wir eine von zehn Meter hohen Mauern umgebene Ausstellungsfläche. Hier präsentiert Michael Mauer normalerweise dem Vorstand die neuesten Porsche-Modelle – und uns heute den 911er-Targa der Heritage Design Edition.

PLAYBOY: Herr Mauer, können Sie sich noch an Ihr erstes Auto erinnern?

MAUER: Ja, das war ein Nissan 160 J. Den hatte mir mein Vater gekauft, als ich 18 Jahre alt war. Das Auto war richtig hässlich, in so einem Grünmetallic-Ton, aber das war mir egal, denn während meine Freunde alle einen Käfer oder Polo mit rund 45 PS gefahren sind, hatte ich als Einziger ein Auto mit 85 PS.

Wirklich, dem Chefdesigner von Porsche war Leistung wichtiger als Design?

Damals schon. Heute muss natürlich beides stimmen.

Der Faktor Design ist inzwischen so wichtig, dass neben dem neuen Targa eine eigene Targa Heritage Design Edition herauskommt, was ist das Besondere daran?

Dieser Targa ist eines von insgesamt vier geplanten Sondermodellen, entsprechend der Modellnummer auf 992 Stück limitiert. Das erste orientiert sich an den 50er- und frühen 60er-Jahren. 

Worin unterscheidet sich die Design Edition vom normalen Targa?

Von außen fallen sofort die goldenen Schriftzüge auf, genauso wie die Farbe Cherry Red Metallic oder der optionale Aufkleber mit der Startnummer 50. Innen findet man einen speziellen Cordsamt, mit dem die Sitze und viele andere Flächen im Interieur überzogen sind.

Credit: Christoph Bauer

Konnten Sie sich als Dienstwagen so einen sichern?

Nein, ich fahre einen Panamera Sport Turismo. Aber das ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass ich meistens irgendein Sportgerät, ein Fahrrad oder ein paar Skier dabeihaben will. Das ist aus Platzgründen in einem 911er eher schwierig. Außerdem kann ich mit einem Panamera deutlich schneller fahren als mit einem 911er.

Ein Panamera soll schneller fahren als ein 911er? Das wäre uns aber neu …

Meine Aussage bezieht sich nicht auf die technischen Fahrleistungen. Wenn ich im 911er mit 250 auf der Autobahn fahre, gibt es immer Diskussionen mit meiner Frau, warum ich denn so schnell fahren muss. Im Panamera merkt sie das nicht, da ist alles ein bisschen ruhiger und gedämpfter.

Wäre dann nicht der Taycan – als Elektroauto noch leiser – das ideale Auto für Sie?

An sich schon, allerdings fahre ich am Wochenende oft bis zu 2000 Kilometer. Dafür wäre der Taycan beim derzeitigen Ausbau der Infrastruktur leider noch ungeeignet. Aber alles ändert sich gerade sehr schnell. Wenn Sie mich vor 100 Jahren gefragt hätten, da hätte ich den Treibstoff fürs Auto noch in der Apotheke kaufen müssen, während es Stroh fürs Pferd an jeder Ecke gab. Abgesehen davon liebe ich es, mit einem Taycan zu fahren. Wenn ich danach in meinen Panamera steige, habe ich für eine Sekunde erst mal das Gefühl, dass der Turbolader kaputt ist. 

Der Taycan braucht 2,8 Sekunden auf 100 km/h. Muss ein Auto wirklich so schnell sein?

Wir haben früher als Kinder immer Autoquartett gespielt, da war so ein Katalogwert wichtig. Genau wie am Stammtisch, wenn man sagen kann, meiner ist eine Zehntelsekunde schneller als deiner. Aber Sie haben Recht, im normalen Straßenverkehr bringt einem das selten einen Vorteil. Die Höchstgeschwindigkeit unseres neuen 911 Turbo S liegt bei 330 km/h, so etwas kann man nur ausfahren, wenn man um drei Uhr nachts zwischen Leipzig und Bayreuth unterwegs ist. Aber den meisten Menschen reicht es aus, dass ihr Fahrzeug notfalls eine solche Geschwindigkeit fahren könnte, auch wenn sie selbst nie so schnell fahren würden.

Credit: Christoph Bauer

Wann sind Sie das letzte Mal über 300 km/h gefahren?

Heute Morgen.

Ehrlich jetzt?

Es gibt regelmäßig Tage, an denen ich zumindest einmal 250 km/h fahre. Das ist bei einem Turbo keine große Kunst. Man muss zwar immer damit rechnen, dass jemand von ganz rechts nach ganz links zieht, aber dafür hat der Wagen spezielle Keramikbremsen. Da zeigt sich, dass ein Porsche nicht nur sensationell beschleunigt, sondern auch sensationell bremst.

Wie sieht es mit einem Elektro-911er aus, wird es so etwas geben, oder grenzt das an Blasphemie?

Eine Elektrifizierung ist vorstellbar, aber in welchem Ausmaß oder Grad wird in unserem Haus sehr kontrovers diskutiert. Ich gehöre zu denen, die sich das gut vorstellen können, aber es gibt andere, die können das nicht. Viel von der Emotionalität, die ein Auto transportiert, erreicht man über die beiden Faktoren Leistung und Design. Und beides wäre bei einem Elektro-911er möglich. Ein Problem wäre das Thema Sound. Aber meiner Meinung macht das nur einen kleinen Teil der Gesamtemotion aus.

Wie lange dauert es noch, bis wir alle rein elektrisch fahren?

Allein genügend Batterien zu produzieren, um die gesamte automobile Welt damit zu versorgen, ist eine Herausforderung. Ich denke, wir werden daher noch ziemlich lange ein Nebeneinander verschiedener Antriebskonzepte sehen. Und ganz aussterben wird der Benziner sowieso nicht. Das ist wie mit den Pferdekutschen oder den Segelschiffen. Die gibt es auch heute noch, selbst wenn sie auf einer total veralteten Technologie basieren. 

Könnte auch Porsche das Schicksal von Pferdekutschen und Segelschiffen ereilen?

Ich kann Ihnen versprechen, unsere Marke wird die Menschen immer begeistern. Denn ein Porsche ist mehr als ein Fahrzeug, mit dem man von A nach B kommen will. Mit einem Porsche fährt man auch einfach mal zum Spaß. Und zwar losgelöst davon, welche Antriebsquelle er besitzt. Vielleicht fährt er in Zukunft auch mit Wasserstoff oder einem Warp-Antrieb. 

Credit: Christoph Bauer
Credit: Christoph Bauer
Credit: Christoph Bauer
Credit: Christoph Bauer
Credit: Christoph Bauer

PORSCE 911 TARGA 4S
Heritage Design Edition

Geschwindigkeit:
304 km/h

Leistung:
450 ps

Drehmoment:
530 nm
0–100 km/h
3,8 sekunden

Hubraum:
2981 ccm

Gewicht (DIN):
1640 kg

Preis:
178.607 Euro

Titelbild: Christoph Bauer