Do., 21.07.2016
Entertainment

Die konservative Sex-Bewegung

Mit fünfzig Jahren Verspätung erleben die Republikaner ihre eigene sexuelle Revolution. Ein Essay von Playboy-Gründer Hugh M. Hefner

Alle vier Jahre platzt ein neues Aufgebot konservativer Präsidentschaftskandidaten in unsere Schlafzimmer, um zu kontrollieren, wer dort was treibt – und vor allem mit wem. In ihrem Eifer, sich bei der religiösen Wählerschaft anzubiedern, versprechen diese Politiker, Verhütungsmittel und Abtreibung zu verbieten sowie diskriminierende Gesetze gegen Homosexuelle einzuführen.

Sie brüsten sich damit, sämtliche Lebensmodelle und sexuellen Vorlieben regulieren oder gänzlich untersagen zu lassen, die ihrem Kreuzzug gegen all jene sexuellen Aktivitäten zuwider laufen, die nicht der Kinderzeugung dienen. Seit dem Triumph der sexuellen Revolution vor fünfzig Jahren habe ich wieder und wieder erlebt, wie konservative Kandidaten auf dem Weg ins Weiße Haus unsere sexuelle Freiheit mit Füßen treten.

Keiner hat in diesem Jahr die Trommel für die sexuelle Unterdrückung länger und lauter gerührt als Ted Cruz. Seit seinem ersten Tag im Amt versucht der Senator aus Texas, den Amerikanern sein puritanisches Lebensbild aufzuzwingen. Cruz setzte sich im Senat für das Verbot der Spirale und anderer Methoden zur Geburtenkontrolle ein, die er als „abtreibungsauslösende Mittel“ bezeichnet und die überflüssig seien, „da in Amerika schließlich kein Mangel an Gummi herrscht“.

Er will den Kündigungsschutz für Frauen abschaffen, denen aufgrund ihrer Verhütungsentscheidung die Entlassung droht, verurteilt Abtreibung selbst nach Vergewaltigung und Inzest, hat einen Gesetzesantrag zum Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe eingebracht und spricht sich für Gesetze gegen die LGBT-Gemeinschaft (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) aus.

Letztes Jahr versuchte Cruz, die US-Regierung und die öffentliche Verwaltung durch einen sogenannten „Government Shutdown“ lahmzulegen, falls die Gesundheitsorganisation ,Planned Parenthood’ weiterhin öffentlich finanziert werde. Zugleich kündigte er an, im Fall seiner Präsidentschaft Ermittlungen gegen ,Planned Parenthood’ wegen „krimineller Machenschaften“ einzuleiten.

Doch trotz dieser ausgeprägten Fixierung auf unser Sexualleben wurde Ted Cruz nicht zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner nominiert. Laut Umfragen hielten die amerikanischen Wähler ihn für zu konservativ und konnten sich nicht mit seiner Einstellung zu Sex, Frauenrechten und Homosexualität anfreunden.

Statt für den Pastorensohn Cruz entschieden sie sich für Donald Trump – einen New Yorker Unternehmer, der zum dritten Mal verheiratet ist und bis vor Kurzem Eigentümer der ,Miss Universe’-Organisation war. Dies ist ein unmissverständliches Zeichen für den Wandel, den die „Partei der familiären Werte“ durchläuft, und belegt eine Entwicklung, die ich seit mehreren Monaten beobachte: Bei den Republikanern ist die sexuelle Revolution angekommen.

Diese Werteverschiebung wird nicht folgenlos bleiben. Nach zwei verlorenen Präsidentschaftswahlen haben einige wichtige Konservative erkannt, dass es an der Zeit ist, Amerikas engstirniger religiöser Minderheit endlich nicht mehr nach dem Mund zu reden und den längst verlorenen Kampf zur Unterdrückung unserer sexuellen Rechte aufzugeben.

Laut Umfragen sprechen sich die meisten „gemäßigten“ Republikaner für das reproduktive Selbstbestimmungsrecht der Frau aus, akzeptieren gleichgeschlechtliche Ehen und bevorzugen Politiker mit der Einstellung, dass „es Frauen und Männern freisteht, ohne Trauschein eine sexuelle Beziehung einzugehen“. Der politische Autor Michael Lind empfahl den Konservativen kürzlich dringend, sich von „utopischen Projekten“ wie „der Umkehrung der sexuellen Revolution“ zu verabschieden. Lind weist zutreffend darauf hin, dass „wohl kaum ein gewählter Vertreter der Republikaner oder konservativer Wortführer ernsthaft annimmt, dass jemals wieder sexuelle Normen herrschen werden wie im Amerika der 1950er Jahre“.

Der ,American Unity Fund’, eine mächtige und gut organisierte Gruppe einiger der wichtigsten Geldgeber der Partei, will die Republikaner auf dem diesjährigen Parteitag davon überzeugen, die gleichgeschlechtliche Ehe in ihr offizielles Programm aufzunehmen. Dies wäre eine Kehrtwende um 180 Grad – schließlich wird die Homo-Ehe im aktuellen Parteiprogramm noch als „Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft“ bezeichnet. Laut der Sprecherin der Gruppe, Jerri Ann Henry, sei eine Abkehr vom religiösen Fanatismus, der die Grand Old Party jahrzehntelang geprägt hat, „notwendig, falls die Partei langfristig überleben will“.

Während ihre politischen Vertreter auf eine kleine aber lautstarke Minderheit religiöser Eiferer hörten, haben die Republikaner fünfzig Jahre Fortschritt verpasst. Schon in meinem in den frühen 1960ern erschienenen Buch „Die Playboy-Philosophie“ warnte ich: „Nirgends tritt diese unheilvolle Verbindung zwischen Kirche und Staat offensichtlicher zutage als beim Sex.“

Und auch wenn diese Verbindung langsam Risse aufzeigt, darf unsere Wachsamkeit nicht nachlassen. Nicht alle konservativen Politiker sind bereit, sich einzugestehen, dass der Kampf um die sexuellen Rechte der Amerikaner verloren ist. Der Gouverneur von Utah, Gary R. Herbert, unterstützte kürzlich eine Resolution, in der Pornografie als „Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ dargestellt wird. In Mississippi und North Carolina haben konservative Gouverneure Gesetze zur Diskriminierung der LGBT-Gemeinde abgesegnet. Und die landesweiten Angriffe auf ,Planned Parenthood’ und das reproduktive Selbstbestimmungsrecht halten unvermindert an. Indem sie das Abtreibungsrecht bis zur Unkenntlichkeit reguliert, hebelt die religiöse Rechte das Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1973 aus, demzufolge Schwangerschaftsabbrüche unter den Schutz der Privatsphäre fallen.

Wir haben diese Schlacht schon einmal gewonnen, und wir werden sie wieder gewinnen. Dies sind die letzten Scharmützel einer zurückweichenden Armee selbsternannter moralischer Autoritäten. Die Amerikaner haben diese religiösen Eiferer zurückgeschlagen. Sie haben die Frauenrechte, das Recht auf Abtreibung und den Schutz der Privatsphäre verteidigt, anstatt dem christlichen Irrglauben zu erliegen, Sex diene einzig und allein der Fortpflanzung.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass über 60 Prozent der Amerikaner homosexuelle Beziehungen, Sex ohne Trauschein und uneheliche Kinder für „moralisch akzeptabel“ halten. Fast 90 Prozent denken dasselbe über die Geburtenkontrolle. Das ist keine große Überraschung: Wir haben die sexuelle Revolution längst gewonnen – die Republikaner haben lediglich 50 Jahre gebraucht, um sich ihre Niederlage einzugestehen. Jetzt ist es höchste Zeit, dass sie unsere Schlafzimmer wieder verlassen und die Tür hinter sich zuziehen – für immer.

Titelbild: Getty Images