Mi., 18.10.2017
Sex & Lust

Erst Sex, dann Liebe?

Sind Monogamie, langjährige Bindungen oder Ehen ein antiquiertes Beziehungsmodell? Fest steht: Seit den letzten zehn Jahren befinden wir uns in einem revolutionären Befreiungskampf unserer Sexualität. Einerseits widersetzen wir uns vorherrschenden Dogmen, andererseits entwickelt die Gesellschaft eine neue Form der Prüderie, an der auch das Internet Schuld trägt. Doch laut einiger Experten, wird der Sex der Zukunft bunter, schriller und tabuloser, als es sich viele heute vorstellen können. Das geht aus der Studie „Die Zukunft des Sex“ hervor, die das Dating-Portal Secret.de gemeinsam mit dem Münchner Beratungsunternehmen Trendbüro vorgestellt hat.

Wie sieht unser Sexleben in der Zukunft aus? Welche Rolle spielen Digitalisierung und Mechanisierung? Wie sehr werden neue Tools, Apps oder Sexroboter unsere sinnliche Zukunft begleiten? Diese und andere Fragen wurden letzten Mittwoch auf dem Pressefrühstück von Secret.de in den mondänen Räumlichkeiten des Lovelace Pop-Up Hotels in München vorgestellt.

Die Mechanisierung des Sexlebens

Laut der Umfrage wird die individuelle Lust noch stärker ins Zentrum der Erotik rücken. Liebe oder der Wunsch, Kinder zu kriegen, werden als Bedingung für Sex an Bedeutung verlieren. Vor allem die Digitalisierung und die Mechanisierung werden das Sexleben in der Zukunft dafür deutlich stärker prägen, als sie es schon heute tun. Neue Tools, Apps, Services und Sexroboter werden uns in die schöne, neue Welt der sinnlichen Zukunft begleiten.

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„Seit der Einführung der Anti-Babypille in den 60er Jahren wird der Trend sichtbar, dass Sex weniger dem Ziel der Familiengründung als der Luststeigerung dient“, sagt Ulrich Köhler, Geschäftsführer des Trendbüros München. Laut Köhler beeinflussen auch die Faktoren der Globalisierung, Individualisierung und der Vernetzung des Alltags, welche Art von sexueller Beziehung wir künftig eingehen. „Entsprechend entsteht ein immer stärkerer Bedarf an sexuellen Begegnungen auch über große Entfernungen hinweg, sowie an intelligenten Sexrobotern oder das Eintauchen in erotische Virtual-Reality-Welten“, sagt Köhler.

Zeit: die knappste Ressource

Vor diesem Hintergrund gewinnen nicht zuletzt Datingportale an Zuspruch, die das Ausleben erotischer Phantasien ermöglichen. Köhler: „In einer Gesellschaft, in der Zeit und Aufmerksamkeit zu den knappsten Ressourcen geworden sind, übernehmen Casual Datingportale die mehr oder weniger geplante Vermittlung von Sex. Auch hier steigt der Wunsch nach Befriedigung der wahren eigenen Vorlieben – was letztlich zu einer zufriedeneren Gesellschaft führt.“

Ausserdem sehen die Trendforscher einen Wandel im Rollenbild der Frauen, die ihre Leidenschaft in Zukunft noch stärker und selbstbestimmter ausleben werden.

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Online- und Offlinewelt verschmelzen mehr und mehr

„Dass die Trendwende bei der weiblichen Erotik schon eingeleitet ist, sehen wir deutlich am Verhalten der Nutzerinnen auf unseren Seiten“, sagt Michael Pilzek. Er ist Geschäftsführer von „Secret.de“, einem der größten Casual Dating-Portale Deutschlands. „Es wundert uns deshalb nicht, dass die Autoen der Studie dem Casual Dating eine tragende Rolle beim Anbahnen und Ausleben erotischer Phantasien zusprechen.“ Wie die Zukunftsforscher zeigen, verlagert sich die Erotik nicht nur verstärkt in den virtuellen Raum, Online- und Offlinewelt verschmelzen inzwischen mehr und mehr.

1. Die Lust wird Selbstzweck

Der eigene Lustgewinn rückt ins Zentrum des Sex. Während früher Beziehungen auf eine anschließende Familie ausgerichtet waren, werden Beziehungen zukünftig stärker auf die individuellen Bedür­nisse einzahlen. Das hat Auswirkungen auf Partnerschaften, sodass neue Beziehungsformen, wie etwa „Friends with Benefits“, entstehen. Liebe wird nicht mehr Voraussetzung für Sex sein. Die klassische Reihenfolge, erst Liebe, dann Sex wird sich umkehren: Erst Sex und daraus entsteht, vielleicht, Liebe. Das heißt nicht, dass es keine langfristigen Partnerschaften mit dem Ziel einer Familiengründung mehr geben wird. Nur rücken langfristige Partnerschaften in die individuelle Zukunft und sie werden nicht mehr die Norm sein, sondern mit anderen Beziehungsmodellen koexistieren. Stattdessen werden alle Formen der Sexualität gleichwertig sein, egal ob es sich um Sex im Rahmen einer Beziehung, Sex mit einem Unbekannten oder auch Sex in der digitalen Welt handelt.

2. Sex wird virtualisiert und mechanisiert

Wir haben uns daran gewöhnt, unsere Bedürfnisse virtuell zu befriedigen, das gilt heute und noch viel mehr in der Zukunft für das Thema Sex. So werden zukünftig mehr und mehr Sexpartner durch Casual Datingportale vermittelt. Die Technik wird es uns zudem gestatten, mit realen Partnern Sex auch über Distanz zu haben. Und wer keinen Partner hat, wird möglicherweise verstärkt auf Spielzeuge und Sexroboter zurückgreifen. Diese Trends werden durch eine liberale, globalisierte Wirtschaftsordnung verstärkt, denn wer flexibel auf den Markt reagiert, muss auch in seiner Partnerschaft flexibel sein.

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3. Sexualität wird enttabuisiert und ehrlicher

Die neue sexuelle Vielfalt wird nicht im Verborgenen gelebt, sondern auch öffentlich und medial zelebriert. Ein guter Indikator hierfür sind die Gay-Paraden, die die Innenstädte erobert haben und dort auch ein heterosexuelles Publikum anlocken. Sexuelle Offenheit ga­ran­tiert Talk- und Reality-Shows heute hohe Einschaltquoten. Dieser Trend wird sich verlängern und zu mehr Offenheit im Priva­ten sor­gen. Der Einzelne wird so aufgefordert, seine sexuelle Identität zu entwickeln, auszuleben und zu kommunizieren. Die eigene sexuelle Identität zu finden, wird dadurch nicht immer einfacher, denn der sexuelle Mainstream, an den man sich anlehnen kann, wird kleiner werden bzw. ganz verschwinden. Mehrere sexuelle Identitäten wer­den möglich.

4. Sexualität soll optimiert werden

Wir übernehmen die in der Wirtschafts- und Arbeitswelt gelernten Muster und adaptieren sie auf unser Sexleben. Zukünftig erwarten wir somit von uns und unseren Partnern eine optimierte Sexualität, wie immer wir diese auch definieren. Gleichzeitig werden wir uns als op­timale Sexpartner inszenieren, wobei wir uns an Bildern aus der Werbewelt, aber auch an Filmen und Pornos orientieren werden. Hierbei entsteht die Gefahr, dass wir uns nicht an unseren eigenen Bedürfnissen orientieren, sondern uns in Anlehnung an Vorbilder in einer Weise optimieren, die uns nicht entspricht. Performance-Druck wird zu einer verstärkten Einnahme von lust- und leistungssteigernden Drogen, aber auch zu Impotenz und einer Schwächung der Libido führen.