Friedrich Liechtenstein landet auf dem Boden des Casinos Baden-Baden.
Friedrich Liechtenstein landet auf dem Boden des Casinos Baden-Baden.
Mi., 09.11.2022
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Wie schafft man es, immer an sich selbst zu glauben, Herr Liechtenstein?

Mit Mitte 60 denkt Friedrich Liechtenstein an vieles – ans Aufhören aber ganz bestimmt nicht: In seiner neuen Rolle als „Maître de Plaisir“ begleitet er seit Neuestem die Gäste des traditionsreichen Casino Baden-Baden. Dabei erlebte der Performancekünstler selbst genug Rückschläge und hätte damit eigentlich allen Grund, Spaß nicht gerade als Priorität zu sehen. Hier verrät er uns, wie man das trotz allem schafft.

Sicherlich kommt Ihnen der Rauschebart bekannt vor – und ganz bestimmt haben Sie auch sofort seine Stimme im Ohr, wenn Sie an folgende Worte in den Werbespots einer großen Supermarktkette denken: „Super-Uschi, Super-Muschi, Super-Sushi, supergeil“. Genau diese Stimme ist es jetzt auch, die ein neues Credo im Casino Baden-Baden verbreitet: „Seid vernünftig, habt Spaß!“ ist der paradox formulierte, aber total ernst gemeinte Rat Friedrich Liechtensteins an alle Besucher des Traditionshauses.

Als „Maître de Plaisir“ ist Liechtenstein seit Kurzem das Kampagnengesicht vom Casino Baden-Baden, und damit quasi so etwas wie der Zeremonienmeister der guten Laune. Dass Liechtenstein dieses Lebensmotto mit seiner selbstironischen und erfrischend authentischen Art so perfekt verkörpert, liegt nicht zuletzt daran, dass der Perfomancekünstler das Konzept der Kampagne Liechtenstein selbst mitentwickelte: Auf der Flucht vor dem Großstadtdschungel Berlins landet er mitten im Foyer des Casino Baden-Baden – einem Sehnsuchtsort, an dem Lebensfreude auf Genuss trifft und Laissez-faire auf Glamour. Sofort ist er verzaubert vom prunkvollen Ort und entschließt sich, hier seiner neuen Bestimmung nachzugehen.

„Dieses ‚Seid vernünftig‘ wurde in den letzten Jahren sehr strapaziert“, erzählt uns Friedrich Liechtenstein, als wir ihn anlässlich seines neuen Engagements treffen. „Deshalb dachte ich mir: Formulieren wir diese Forderung unserer Zeit doch mal so, wie ich mir das als Künstler und Entertainer vorstelle: Für Leute wie mich ist Spaß zu haben das Vernünftigste, das der Mensch im Leben machen kann.“ 

Dabei waren die Zeiten nicht immer rosig oder gar spaßig im Leben von Friedrich Liechtenstein. Vor seinem Super-Durchbruch war er für einige Zeit obdachlos und hatte sich als selbst ernannter „Schmuckeremit“ in den Büroräumen einer Brillenmarke einquartieren müssen. Eine Phase, die ihn geprägt, aber auch trotzig gemacht hat: weil ihm ein bisschen mehr Erfolg doch verdammt noch mal zusteht. Und er hat recht behalten. Mit Anfang 60 ist Liechtenstein heute so beschäftigt, dass an Ruhestand nicht zu denken ist. All seine Schatten der Vergangenheit waren für den Künstler und Entertainer nämlich noch nie ein Grund, den Mut oder gar die gute Laune zu verlieren.

Wir wollten von ihm wissen: Wie geht das, so felsenfest an sich zu glauben?

Friedrich Liechtenstein als Maître de Plaisir im Bällebad im Casino Baden-Baden.
Meint er das echt so, oder zwinkert er hinter der Sonnenbrille? Das fragt man sich bei den Auftritten von Performance-Künstler Friedrich Liechtenstein oft. Was er ziemlich ernst nimmt: seinen neuen Auftrag als Maître de Plaisir im Casino Baden-Baden
Credit: Jan Riephoff

1. An sich glauben wie Friedrich Liechtenstein: Seien Sie sich Ihrer Stärken bewusst

„Ich bin ganz happy über dieses trojanische Pferd, mit dem ich da in die Öffentlichkeit geschoben wurde“, sagt Friedrich Liechtenstein über den viralen Werbespot einer Supermarktkette, durch den er mit Mitte 50 plötzlich einem Millionenpublikum bekannt wurde (wir erinnern uns: „Super-Uschi, Super-Muschi, Super-Sushi, supergeil“).

„Leider spielen andere Sachen, mit denen ich mich als Künstler unglaublich intensiv und gekonnt auseinandergesetzt habe, gar keine Rolle. Das ist schon eine merkwürdige Mechanik, wenn man da drinsteckt, im Auge des Orkans, als Objekt der Begierde, dann ist das schon seltsam.“ Gekränkt sei er deshalb nicht – im Gegenteil. Zur selben Zeit hatte er sein Album „Bad Gastein“ rausbringen können. „Das war für mich eine große Genugtuung. Und ich arbeite seither immer wieder als ‚German Ad-Man‘ und Testimonial, weil die Leute jetzt wissen, wie ich bin. Dass ich durch meine Ironie einen großen Spielraum habe, Sachen zu sagen, aber auch nicht zu sagen.“

Selbstverständlich könne er auch anders als ironisch, sagt Liechtenstein. „Aber nicht so gern. Wenn es mir gut geht, wenn ich in Schwung komme, dann bin ich so.“

2. An sich glauben wie Friedrich Liechtenstein: Bleiben Sie sich treu

„Es gab Phasen, in denen ich mir tatsächlich nichts zu essen kaufen konnte“, erzählt der Künstler. „In denen ich mir überlegen musste, Scheiße, wie mache ich das denn jetzt, wie komme ich doch irgendwie weiter? Ich habe ja immer viel gearbeitet, hatte eigene Abende an der Volksbühne und bin in Clubs aufgetreten. Nur gab es für all das eben hartnäckig erstaunlich wenig Geld.“ Sein Selbstbild als Künstler über den Haufen zu werfen und etwas ganz anderes zu machen, um endlich mehr Geld zu verdienen, sei aber dennoch nie infrage gekommen. „Nee, das wäre auf keinen Fall gegangen.“ 

Darüber, was ihn so stark gemacht hat und ihn so unbeirrbar an sich hat glauben lassen, denke er oft nach, sagt Liechtenstein. „Zum einen war es die Ironie, die mir in Situationen, die nicht so komfortabel waren, geholfen hat, eine zweite oder dritte Ebene aufzumachen. Und trotzdem gute Miene zu zeigen, ohne mich dabei zu verraten oder zu verleugnen. Aber ich denke, dass auch meine Geburt damit zu tun hat. Die Tatsache, dass ich eben nicht zur Welt gekommen bin, sondern durch einen Kaiserschnitt geholt wurde, hat dazu geführt, dass es noch heute nicht mein Ding ist, Probleme zu lösen. Das machen andere Kräfte von außen für mich aus irgendeinem Grund. Ich reife einfach heran.“

3. An sich glauben wie Friedrich Liechtenstein: Verlieren Sie das Gute nicht aus den Augen

Es sind Fragen, die wir uns doch alle ab und an stellen: Wie wäre das Leben verlaufen, wenn einschneidende Erlebnisse im Leben nicht passiert wären? Wie wäre das bei ihm – wäre Liechtenstein ein zufriedener Künstler, wenn er durch die Werbespots, in denen er alles „supergeil“ fand, nicht schlagartig berühmt geworden wäre? „Kann ich nicht sagen. Aber bei aller Melancholie habe ich immer eine gewisse Grundheiterkeit. Selbst in den schlimmsten Phasen meines Lebens habe ich was draus gemacht. Als ich ein paar Jahre vor diesen Werbespots obdachlos war, habe ich immer schöne Anzüge angehabt, mein Lager in einem Brillenladen aufgeschlagen und gesagt, okay, dann bin ich jetzt Schmuckeremit und schlafe hier auf der Feuertreppe zur Dachterrasse. Ich habe immer was Gutes rausgeholt, und wahrscheinlich wäre das auch heute so.“

Friedrich Liechtenstein landet auf dem Boden des Casinos Baden-Baden.
Hinter der neuen Kampagne steckt eine ausgeklügelte Geschichte: Auf der Suche nach Laissez-faire und Glamour landet Friedrich Liechtenstein wortwörtlich im Casino Baden-Baden – und findet hier seine neue Bestimmung
Credit: Jan Riephoff

4. An sich glauben wie Friedrich Liechtenstein: Lassen Sie Gesellschaft zu – die gute und die schlechte

So fest an sich zu glauben schafft man nicht, wenn man damit allein ist, gibt Liechtenstein zu. „Ich brauche natürlich andere Menschen dafür, sonst gehe ich ein. So eremitenhaft bin ich dann auch nicht. Ich bin ein Familienmensch, habe drei große Kinder. Manchmal sind aber auch Feinde für das eigene Fortkommen wertvoller als Freunde, die einen nicht ziehen lassen wollen, damit man dort bleibt, wo sie einen gerne hätten. Leute, die dir das Leben schwer machen, die neidisch und missgünstig sind, bringen dich nach vorne.“

5. An sich glauben wie Friedrich Liechtenstein: Schätzen Sie dennoch den Eskapismus

„Ich bin ein großer Freund des Eskapismus, weil er die Welt größer macht“, sagt Friedrich Liechtenstein, der sich selbst als Eskapist bezeichnet. „Auch Liebende sind Eskapisten, wenn sie den Bezug zum Alltag und zur Realität verlieren. Das Ziel von Eskapismus ist immer, der Welt kurz zu entkommen und dann wieder zurückzukehren. Zu sagen, ich gehe heute Abend in eine Bar. Oder ich bin jetzt mal zwei Tage verschwunden und spiele Roulette. Und wenn man dann wieder zurückkommt, kann man sich auf die Schulter klopfen und froh sein, in seiner Weltflucht nicht verloren gegangen zu sein. Denn Eskapisten nehmen immer auch das Risiko auf sich, zu scheitern, krank zu werden oder verrückt oder zu sterben.“

Das ganze Interview mit Friedrich Liechtenstein lesen Sie in der neuen Ausgabe „How To Be a Man“, die am 17. November erscheint. 

Titelbild: Jan Riephoff