Fr., 02.10.2020
Motor & Mobility

Mein Schlitten und Ich

Der Politikwissenschafts-Student Luca Glitzner bekam von seinem Onkel eine alte Kastenente geschenkt, mit der er schon bis in die Bretagne gefahren ist.

Eigentlich war ich nie so ein Auto-Freak, stand aber immer auf alte, unkonventionelle Fahrzeuge. Meine Freunde finden eher den neuesten Porsche oder einen Audi R8 cool, aber darum ging es mir nie, ich wollte lieber ein Stück Geschichte fahren. Und als mir mein Onkel vor zwei Jahren seine alte Kastenente überlassen hat, fand ich das natürlich grandios. Dafür muss ich ihm im Gegenzug manchmal beim Transport seiner Sachen helfen, er ist Kunst- und Antiquitätenhändler. Genial ist an der Ente vor allem, dass mein Onkel hinten ein richtiges Bett eingebaut hat. So hat man unterwegs immer eine Schlafmöglichkeit dabei.

Schön ist auch, wenn man damit vor einer Bar vorfährt. Dann ist auf einmal ein Porsche gar nicht mehr so spannend. Und an der Tankstelle fragen mich Leute, ob ich in der Ente gezeugt wurde oder warum ich in so jungen Jahren so ein Ding fahre. Andere haben auch Probleme mit dem Auto. Die weigern sich einzusteigen, weil sie Angst um ihre Sicherheit haben. Die Ente hat natürlich keine Airbags und ziemlich veraltete Sicherheitsgurte.

Die längste Reise, die ich mit der Ente gemacht habe, war ein Roadtrip von Essen bis ganz in den Westen Frankreichs, in die 1000 Kilometer entfernte Bretagne. Mit einem normalen Auto braucht man dafür zehn Stunden, aber mit der Ente dauert das fast doppelt so lang. Die Höchstgeschwindigkeit liegt zwar bei über 100 km/h, aber wenn man ein bisschen beladen ist oder eine zweite Person mitfährt, kann man froh sein, wenn man es auf 85 km/h schafft.

Außerdem muss man alle 250 Kilometer zum Tanken halten. Mein Onkel hat mir sogar noch einen Benzinkanister mitgegeben, da die Tanknadel leider nicht mehr so gut funktioniert. Und tatsächlich: Kurz vor dem Ziel ging mir mitten auf der Autobahn der Sprit aus. Ich stieg aus, kramte den Kanister hervor und ließ die fünf Liter bis zum letzten Tropfen im Tank verschwinden. Dem Umdrehen des Zündschlüssels folgten ein kurzes Stottern, dichter Rauch und Gestank. Vier Stunden später kam ich dann tatsächlich an, ein freundlicher Franzose hatte mich mit seinem Mercedes-Transporter abgeschleppt. Das vermeintliche Benzin meines Onkels hatte sich nämlich im letzten Augenblick als Diesel entpuppt. Ich musste den Tank auspumpen lassen, danach fuhr die Ente aber wieder absolut tadellos weiter.