Playboy 2021/08
Magazin

Inhalt

AKTION

Ein Lexus UX 300e für den Leser: Wer holte den Hauptpreis beim „Playmate des Jahres“-Gewinnspiel?

Gentlemen’s Days: Begleiten Sie uns zu Tagen voller Action und Genuss ins bayerische Schloss Hexenagger

„Playmate des Jahres“-Award: So glanzvoll war unser großer Feier-Abend mit Julia Römmelt

UPDATE

First Lady: Die Rapperin Nura

Ein guter Monat für: Surrealisten und Elektro-Flitzer

20 Fragen an . . . Thomas Kretschmann

Buchbesprechung: Quentin Tarantinos Kopfkino-Debüt „Es war einmal in Hollywood“

Motor: Ein SUV namens Mustang Mach-E

Pro & Contra: Tattoos

Stil: Flip-Flops und Slides für Strand und Pool

Reise: Geheimtipp Georgien

Männerküche: Fisch grillen wie ein Weltmeister

Playboy-Umfrage des Monats: So offen und tolerant sind die Deutschen gegenüber sexueller Vielfalt

REPORTAGE

Stadt der Zukunft: An keinem Ort der Welt ist der Mensch so atemlos, elektromobil, digital und gläsern wie in der verstörenden Megacity Shenzhen in China

INTERVIEW

Daniel Brühl: In seinem Regie-Debüt verarbeitet der Filmstar die unangenehmen Seiten des Filmstar-Seins – ein Gespräch über Gefallsucht und doofe Kritiker

MOTOR & TECHNIK

Hubert Haupt: Ein Interview mit dem Rennfahrer und Unternehmer über Motorsport früher und heute und seinen DTM-Neustart mit eigenem Team

Porsche 911 GT3: Die neue Spitze der Elfer-Evolution im Schnelltest am Bilster Berg

Mein Schlitten: Katrin Becker und ihr Ford Mustang

125 Jahre Abt: Der Chef der Veredlungsschmiede, Hans-Jürgen Abt, über Pferde-Vergangenheit und E-Zukunft

TITELSTRECKE

Das Spitzenathletinnen-Trio Alexandra Ndolo, Lisa Ryzih und Marie Pietruschka macht uns Lust auf Olympia

EROTIK

Playmate: Unsere Miss August, Anna-Lena Stöckler, bringt uns in einem Gartenhaus zum Träumen

STREITSCHRIFT

Grüne neue Klassengesellschaft: Die Klimapolitik als Projekt einer urbanen Elite schafft Millionen Verlierer, warnt unser Autor

STIL

Uhren: Zeitmesser made in Germany

Gute Reise: Schickes Gepäck für jeden Trip

Pflege: Fünf Frischmacher für heiße Tage

LUST & LEBENSART

Wein des Monats: Statt Rot, Weiß und Rosé – eine würzige Neuentdeckung namens Orange Wine

Guter Sex dank Hypnose: Ein Gespräch mit Sexualberaterin Silva Schwabe über Blockaden aus dem Unterbewussten und kritische Körpergefühle

Tagebuch einer Verführerin: Sexkolumnistin Sophie Andresky erzieht Chauvis zu Charmeuren

KULTUR

Simon Beckett: Der Thriller-Star über Leichen, Männerfreunde und seinen neuen Helden

Literatur, Musik & Serien: Das Beste des Monats

STANDARDS
  • Editorial
  • Making-of
  • Leserbriefe
  • Berater
  • Witze
  • Cartoon
  • Impressum
  • Bezugsquellen
  • Playboy Classic
Mi., 14.07.2021
Kommentar

Grüne Gewinner, Millionen Verlierer

Die Klimapolitik als Projekt einer großbürgerlichen Elite führt Deutschland zurück in die überwunden geglaubte Klassengesellschaft, warnt unser Autor.

Gibt es ein höheres Ziel als die Rettung der Welt? Eine bessere politische Idee als Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion angesichts der Klimakatastrophe? Oder anders gefragt: Was müssen das für Menschen sein, die ihre persönlichen Sorgen über das Wohl der gesamten Menschheit stellen? Wie kann man nur?

Das Gebot der Klimaneutralität hat Deutschland wie andere Industrienationen gespalten. Und in ein moralisches Oben und Unten geteilt: in eine tonangebende junge Elite auf der einen Seite – die Annalena Baerbocks und Luisa-Marie Neubauers dieser Welt, gutbürgerliches urbanes Bildungsmilieu, Studienjahre in London, steile politische Karrieren auf dem Klimawandelweg. Und auf der anderen Seite eine breit übers Land verteilte ältere Mittelschicht, deren existenzielle Sorgen sich eher um drohende Jobverluste, bevorstehende Altersarmut und wachsende Lebenshaltungskosten als um die weitere Erderwärmung drehen. Die sich E-Autos, Bio-Fleisch und klimaneutrale Wohnumbauten oft nicht leisten kann. Die den Wohlstand der Elite, die jetzt auf sie herabschaut, aber maßgeblich mitaufgebaut hat.

Das Wohl der Menschheit, um das es grüner Politik in ihrer Letztbegründung geht, ist also nicht für alle da. Stattdessen führt sie die Gesellschaft zurück in ein längst überwunden geglaubtes Klassensystem. Und muss sich ihrerseits den moralischen Vorwurf gefallen lassen: Wie kann sie nur?

Es war die wachsende Teilhabe aller gesellschaftlichen Schichten am Wohlstand, die als größtes sozialdemokratisches Verdienst des 20. Jahrhunderts gilt. Während der 1950er-Jahre nahmen die Menschen an Gewicht zu, auf der Waage wie in der Demokratie. Fünfmal die Woche Fleisch – das wurde auch für den kleinen Mann im Wirtschaftswunderland erschwinglich. In den Folgejahrzehnten sanken die Lebensmittelpreise, neue Systeme landwirtschaftlicher Produktion bis hin zur Massentierhaltung machten es möglich. In den 1960ern ging es zudem an die Motorisierung der aufstrebenden Arbeiterschicht: steigende Löhne und starke Gewerkschaften sorgten dafür, dass der Arbeiter vom Band sich auch selbst leisten konnte, was er täglich mit seiner Hände Arbeit produziert hatte. Doch erst ab den 1980er-Jahren kamen die Arbeiter ihren Direktoren wirklich nahe. Schichtmalocher konnten sich nun Flugreisen nach Mallorca oder gar in die Karibik leisten. Nicht wenige wohnten zufällig als Pauschalurlauber in denselben Hotels und schauten ihren Chefs beim Frühstück auf den Teller. Inzwischen waren auch Luxuskarossen erschwinglich, sodass es materiell keine Unterschiede auf dem Firmenparkplatz mehr gab zwischen Arbeiter und Manager. Die nivellierte Mittelschichtsgesellschaft schien das Ende der Geschichte des alten Klassensystems unwiederbringlich besiegelt zu haben.

Das E-Kennzeichen auf dem Nummernschild steht nur vordergründig für Elektro.
In Wahrheit steht es für Elite.

Diese materielle Gleichsetzung erschwerte es den traditionell gehobenen Schichten eingebildeten Adels, sich abzusetzen. Höchste Zeit, „die feinen Unterschiede“ zu entdecken, wie das Mantra des französischen Soziologen Pierre Bourdieu von 1979 lautet. Nicht über Sachwerte wie Autos, exotische Speisen und Reisen, sondern über immaterielle Gesten, den sogenannten Habitus, konnte die Oberschicht die Schotten nach unten dichtmachen. Statussymbole gerieten unter Proleten-Verdacht, die alternative Schulform, Medizin und Lebensweise, das extrateure Reformhaus und der Toskana-Lifestyle wurden zu Distinktionsmerkmalen. Es waren die Geburtsjahre einer grün inspirierten salonlinken Bourgeoisie, deren Töchter und Söhne nach dem Geigenunterricht gegen Waldsterben, Atomkraft und Ozonloch demonstrierten, während der Malocher im Manta auf den Ferrari sparte. Und weiter für den Wohlstand aller rackerte.

Seither schöpfen die Grünen nach und nach gerade diejenigen Linken ab, die es sich infolge ihres (ererbten) Wohlstands leisten können, auf der Luftwurzel des Postmaterialismus zu leben. Otto Schily, damals noch ein Grüner, hielt am Wahlabend 1990 eine Banane in die Kamera – aus Frust über die eigene Niederlage bei den Wählern aus dem Osten und als Hohn über den Sieg des aus dem Aufsteiger-Milieu stammenden Kanzlers Helmut Kohl. Die Banane: damals eine bekannte Metapher für die Vorstellung des kleinen Mannes von der großen Welt. Kann Verachtung gegenüber den materiellen Verheißungen der Aufsteiger und sogenannten kleinen Leute größer sein?

Vielleicht tun sich junge grüne urbane Millennials gerade ohne solches historisches Wissen heute leicht, ein halbes Land für dumm zu erklären. Sie sollten sich aber gerade deshalb dringend bewusst machen: Das Gebot der Klimaneutralität, bei all seiner vernünftigen Berechtigung, bedingt die Rückabwicklung der Errungenschaften und Ziele von vielen Millionen Menschen. Es verneint all das, wofür Deutschlands Mittelschicht mehr als 70 Jahre lang hart gearbeitet und gelebt hat. Nämlich: dass wir alle Fleisch auf den Teller bekommen, Auto fahren, durch die Welt fliegen und bezahlbar wohnen können.

Der ehemalige Fridays-for-Future-Demonstrant und Politikstudent Clemens Traub hat dies als einer der ersten Klima-Millennials erkannt. Im vergangenen Jahr beschrieb er in seinem Buch „Future for Fridays?“, welche Rolle klassenbezogene Unterschiede in der junggrünen Zukunftsbewegung spielen. Arbeiterkinder ohne Abitur und Studium bekommen darin offensichtlich systematisch weniger Aufmerksamkeit, das Mikrofon ist außer Reichweite. Nicht dass sich noch selbstkritische Töne in den Chorus mischen. Zum Beispiel zum Thema Elektroautos, über deren Umweltverträglichkeit sich bekanntlich streiten ließe – anders als über ihre mittlerweile unanfechtbare Prestigeträchtigkeit. Das E-Kennzeichen auf dem Nummernschild steht nur vordergründig für Elektro. In Wahrheit steht es für Elite.

Wie sehr Prestige und Klasse den Diskurs im Bundestagswahljahr bestimmen, kann jeder beobachten, der Talkshows verfolgt, in denen eine unhinterfragt bewunderte Aktivistin wie Luisa-Marie Neubauer, Reemtsma-Verwandte aus dem feinen Hamburg-Iserbrook, auf den aus der Provinz stammenden Bergarbeitersohn, gewählten Volksvertreter und CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet trifft und ihn in Landjunkermanier abkanzelt. Ähnlich verhält es sich mit Annalena Baerbock, die sich gegen Robert Habeck an die Kandidatenspitze der Grünen setzte und die Unterschiede zu ihrem Konkurrenten in einem TV-Porträt mit der Behauptung beschrieb: „Vom Hause her kommt er – Hühner, Schweine, Kühe melken … Ich komme eher aus dem Völkerrecht.“

Völkerrecht schlägt Schweinestall – weg mit dem Fleisch, dem Stallgeruch und den stinkenden Emissionen. Im Kern handelt es sich bei unserer CO2-Politik nicht um ein Aufbegehren der jungen Schwachen gegen die mächtigen Alten, sondern um eine großbürgerliche Revolution von oben: derer, denen die Zukunft gehört, gegen das Proletariat der Vergangenheit. 

Titelbild: Michael Pleesz