Frau Lambert, mit welchen Problemen kommen die Leute aktuell besonders häufig zu Ihnen?
Paula Lambert: Der Trend geht ganz klar wieder hin zur Intimität. Wir hatten viele Jahre, in denen es um Sex ging. Vor allem um die Fragen: Wie lebe ich mich aus? Was mache ich wie mit wem? Aber jetzt, gerade durch die Pandemie, betreiben viele innere Einkehr und setzen sich mehr damit auseinander, wer sie eigentlich sind und was sie für Bedürfnisse haben.
Trend Intimität – was bedeutet das genau?
Paula Lambert: Intimität ist etwas, das viele von uns zu vermeiden versuchen. Wer sich zum Beispiel beim Sex intensiv in die Augen schaut, der muss deutlich stärker die seelischen Hosen runterlassen als einer, der sportlich an die Sache herangeht. Die Sehnsucht nach innigster Verbindung ist jedenfalls riesig in unserer Gesellschaft.
Was folgt daraus für unser Sexleben 2021?
Paula Lambert: Tempo raus, Gefühl rein, könnte man so sagen. Gerade im Hinblick auf die Orgasmus-Gerechtigkeit ist es eh angesagt, eher miteinander Sex zu haben als gegeneinander. Sich von Pornos inspirieren zu lassen, ist absolut out.
Was müssen Männer 2021 in sexueller Hinsicht beherzigen?
Paula Lambert: Ich sag mal so: Es gibt einen Gap zwischen männlichem und weiblichem Orgasmus. Also kommt meist erst der Mann… und dann lange gar keiner mehr. Das wäre doch mal eine Aufgabe für 2021! Dazu muss man vielleicht noch wissen, dass die Vagina keine Reiberezeptoren hat und wildes Reinraus keinen Sinn macht. Also besser Schambeine zusammen und dann mit kreisenden Bewegungen eng in Kontakt bleiben, falls die Partnerin Orgasmus-Probleme hat.
Corona auch für Paare Schwierigkeiten mit sich. Wie schaffen sie es, sich während der Pandemie nicht auf die Nerven zu gehen?
Paula Lambert: Ganz clever wäre es, sich eigene Zeiten einzubauen. Oder die Wohnung in Gebiete einzuteilen, wo der andere dann auch wirklich nichts verloren hat. Wichtig ist auch, ganz, ganz stramm die eigenen Hobbys durchzuziehen. Damit man immer noch das Gefühl hat, ein eigenständiger Mensch zu sein und nicht Teil eines großen, wabernden Wirs. Das erträgt sonst kein Mensch, wirklich.
Und wie sieht es mit der sexuellen Spannung aus? Besteht Hoffnung, sie aufrechtzuerhalten?
Paula Lambert: Der Katastrophenfall ist natürlich, wenn beide Zuhause arbeiten und auch noch zusammenwohnen. Da ist die Gefahr, dass beide ungeduscht und ungekämmt durch den Tag wanken. Aber: Man kann das Zuhause so strukturieren, dass es eine Art Rollenspiel erfüllt. Zum Beispiel Date-Nights einführen, an denen sich beide schick machen.
Und: Distanz schafft Zuneigung. Lieber nachmittags rausgehen und durch den Wald spazieren, als sich auf den Keks zu gehen. Und was total gut hilft, ist gemeinschaftliches Rangeln. Hände ineinander legen und sich dann durch die Gegend schieben. Das schafft Nähe und Nähe wiederrum schafft Begehren, wenn es mit Adrenalin gepaart ist.
Ist vielleicht auch die Monogamie schuld daran, dass Leidenschaften erlöschen?
Paula Lambert: Die Abschaffung der Monogamie funktioniert nicht für jeden. Gerade, wenn man seine Ängste noch nicht bearbeitet hat und mit dem konfrontiert wird, wovor man eigentlich so Angst hat: Betrug und Verlassensein. Ich persönlich glaube an die serielle Monogamie, an das Wort „Lebensabschnittspartner“. Generell sollte man sich einfach weniger Druck machen. Beziehungen müssen nicht mehr in einer bestimmten Form sein, nicht denen der Eltern oder Großeltern entsprechen. Lust ist aber auch eine Frage der Betrachtung des anderen. Ist mein Blick noch frisch oder eben nicht
Kann der Blick für einen Langzeitpartner denn wieder frisch werden?
Paula Lambert: Es gibt Untersuchungen, die gezeigt haben, dass Lust gerade in Langzeitbeziehungen dann wiederkommt, wenn Paare etwas für sie Neues unternehmen. Das muss kein Bunjee-Sprung sein, aber es wäre ganz gut, wenn es ein bisschen aufregend ist, sodass man sich auf den anderen verlassen kann. Das steigert die Lust auf den anderen um 40 Prozent.
Regelmäßiger Sex scheint als Indikator für gute Beziehungen zu gelten. Wie sehen Sie das?
Paula Lambert: Nicht so. Jeder hat unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse. Außerdem verlaufen Beziehungen nicht linear. Es ist ein riesiges Auf und Ab und es ist völlig normal, Phasen in Beziehungen zu haben, wo man ständig vögelt und dann welche, wo es eben gar nicht passiert. Vielleicht geht auch mal einer fremd – das muss auch nicht die Voll-Katastrophe sein. Es kommt immer drauf an, wie man das hinterher nutzt.
Frau Lambert, laut dem Zukunftsinstitut sind Frauen als Singles glücklicher als Männer. In Beziehungen wiederum sind Männer glücklicher als Frauen. Wie erklären Sie sich das?
Paula Lambert: Ja, lustig. Es ist ja auch so, dass Männer mit Partner besser schlafen können und Frauen ohne. Die Erklärung muss sein, dass Männer und Frauen eigentlich nicht zusammenpassen. Spaß beiseite: Frauen sind in ihrem Tageswerk so emotional eingebunden, dass sie nachts unbedingt Abstand brauchen. Bei Männern macht sich häufig eine gewisse Unselbstständigkeit breit, sobald sie in Beziehungen sind. Plötzlich wissen sie nicht mehr, wie die Spülmaschine angeht oder wie man die Socken wegräumt. Für Frauen ist das eine zusätzliche Belastung. Darum sind sie häufiger glücklicher, wenn keiner da ist, als wenn so einer da ist. Wenn wir auf einer tropischen Insel leben würden, fände ich die Idee von Männern- und Frauenhäusern gar nicht so abwegig. So, dass man sich ab und zu trifft, aber auch schnell die Reißleine ziehen kann.
Gibt es Sextoys, die Sie empfehlen?
Paula Lambert: Es gibt ja die große Diskrepanz zwischen dem männlichen Höhepunkt und dem weiblichen. Der durchschnittliche deutsche Geschlechtsverkehr dauert 13 Minuten und die durchschnittliche deutsche Frau braucht 18,5 Minuten bis zum Höhepunkt. Das heißt, es fehlen ihr mindestens fünf Minuten. Ich denke, wenn man sich als Mann mit so einem Vibrationsring anfreunden kann, ist das sicher eine sehr frauenfreundliche Sache. Ich finde außerdem, jede Frau sollte einen gut funktionierenden Vibrator zu Hause haben.