Playboy 2020/10
Magazin

Inhalt

AKTION

Gentlemen’s Days: Erleben Sie mit uns zwei Tage 12 voller Genuss und Fahrspaß am Tegernsee 

UPDATE

First Lady: Alicia Keys – Amerikas schönste Stimme 

Ein guter Monat für: Fußballfreunde, Dosenbier und Fotokunst-Connaisseurs

15 Fragen an . . . „Star Trek“-Ikone William Shatner

Pro & Contra: Leben auf der Überholspur

Motor: Volvos Elektro-Kraftprotz Polestar 2

Die Reise meines Lebens: Laura Karasek geht am liebsten über die Grenzen des eigenen Mutes

Stil: Schicke Modelle zum Start der Stiefel-Saison

Playboy-Umfrage des Monats: Sind wir Deutschen ein Party-Volk? Aber hallo!

REPORTAGE

Der Schattenmann: Deutschlands schillerndster Privatermittler Josef Resch will die gestohlenen Juwelen aus dem Grünen Gewölbe in Dresden finden – die Krönung eines Krimi-Lebens

INTERVIEW

Wolfgang Niedecken: Der Kölschrocker über seine Begegnung mit Gott, Sympathie für den Teufel
und die Hölle des Missbrauchs in seiner Jugend

Tolga Taskin: Der Eistauch-Weltmeister zieht uns im Gespräch in die lichtlose Welt seiner Rekorde

MOTOR & TECHNIK

Wir geben Wasserstoff: Ingenieur Roland Gumpert hat eine Antriebs-Lösung für die Zukunft und lässt uns seinen RG Nathalie testen

Mein Schlitten: Luca Glitzner und seine Kastenente

Mythos Porsche 917: Vor 50 Jahren wurde der Wagen in Le Mans und im Steve-McQueen-Film zur Legende

STIL

Klassiker: Fünf Kleidungsstücke, die nie aus der Mode kommen und in jede Garderobe gehören

Hautpflege: Des Mannes beste Helfer

TITELSTRECKE

Als Schwimmerin bewältigt Elena Krawzow Turniere der Weltklasse. Als Kämpferin ihre schwere Sehbehinderung. Als Frau überwältigt sie uns

STREITSCHRIFT

Tschüss, Büro: „Stromberg“-Schöpfer Ralf Husmann verabschiedet die alte Arbeitswelt

EROTIK

Blende Sechs: Das Model Anita Pathammavong nimmt ein Bad – uns entspannt allein der Anblick

LUST & LEBENSART

Ruth Westheimer: Die Jahrhundert-Sexpertin hat auch mit 92 Jahren nur eines im Sinn ...

Tagebuch einer Verführerin: Sexkolumnistin Sophie Andresky verrät Wege zum Paar-Frieden

KULTUR-POOL

Oliver Masucci: Seine Filmrolle des Rainer Werner Fassbinder hat ihn fertiggemacht wie keine zuvor

Literatur, Musik & Serien: Das Beste des Monats OKTOBERFEST@HOME SPECIAL
(ab Rück-Cover)

Feiern trotz Wiesn-Absage: München genießen, eine Party mit Playmate gewinnen, Bier trinken,

Festessen zubereiten, Tracht tragen – und Historisches über die Wiesn wissen

Wiesn-Playmate: XXX (Name wird Morgen um 18:00 bekanntgegeben) bringt uns in Oktoberfest-Laune

STANDARDS
  • Editorial
  • Making-of
  • Leserbriefe
  • Berater
  • Impressum
  • Bezugsquellen
  • Playboy Classic
  • Cartoon
  • (v. hinten) Witze
Mi., 09.09.2020
Kommentar

Tschüss, Büro!

Für unseren Autor RALF HUSMANN war die alte Arbeitswelt vor dem Corona- Home-Office ein Quell der Pointen. Jetzt sieht er sie untergehen. Ein Nachruf.

Seit Bill Gates Corona erfunden hat, ist klar, wohin die Reise für Büromenschen geht: Richtung Home-Office. Das klassische Büro ist der Verbrennungsmotor unter den Arbeitsplätzen. Die Alten halten noch daran fest, aber im Grunde ist klar, tschüss, bye-bye, das war’s. Beide haben gute 100 Jahre durchgehalten, und beide sind untrennbar mit Deutschland verbunden. Hier tuckerte nicht nur Carl Benz zuerst mit seinem „Benzinwagen“ durch die Gegend, hier wurden auch Aktenordner und Locher erfunden. Mit dem Auto ins Büro fahren ist quasi die Quintessenz des Deutschseins. Mit dem Auto ins Büro fahren ist der größte deutsche Exportschlager neben Techno, Birkenstocks und Weltkriegen.

In den Jahrhunderten davor wollte die Jugend zum Beispiel Bauer, Bäcker, Ritter oder Soldat werden, um etwas Sinnvolles herzustellen oder, wenn man dafür zu doof war, eben anderen aufs Maul zu hauen. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich dagegen das Büro zum Sehnsuchtsort der Arbeit. Hier stellte man häufig nichts her, wurde dafür aber bei Regen auch nicht nass, und die Arbeitszeiten waren klar geregelt. Man konnte zwar keinem aufs Maul hauen, hatte stattdessen aber seinen eigenen Tisch und eine eigene Wand, an die man alte Urlaubskarten hängen konnte. Oder lustige Bürosprüche. „Manche Kollegen hinterlassen eine Lücke, die sie vollständig ersetzt.“ Solche Brüller hatten weder Bauern noch Bäcker oder Soldaten.

Das Büro war lange Zeit auch das Dating-Portal Nummer eins. Wenn Bauer Frau sucht, muss er heute immer noch die strubbelige Tante von RTL einschalten. „Beamter sucht Frau“ wäre dagegen nicht mal ein For- mat für RTL IV. Einerseits weil niemand Büromenschen beim Flirten zusehen will, andererseits weil Büromenschen sich problemlos untereinander vermehren. Über ein Drittel aller Paare haben sich am Arbeitsplatz kennengelernt. Büro ist wie Elitepartner, nur ohne Elite.

Ein weiterer großer Vorteil des Büros ist die schritt- weise Abschaffung von Verantwortung. Schmeckt der Bienenstich nach Mandeln auf Bauschaum, hat der Bäcker es verbockt. Er ist verantwortlich. Wenn er dann auch noch kleine Brötchen backt, kann er seinen Laden zumachen. Aber wer übernahm die Verantwortung, als die Finanzkrise 2008 weltweit ungefähr vier Billionen Dollar Schaden anrichtete? Genau, keiner. Irgendwer hatte irgendwann irgendwem irgendwas verkauft. De- tails waren nicht mehr nachvollziehbar. Nicht nur Wirtschaft, auch Politik findet in Büros statt. Trump wäre mit einer Bäckerei längst pleite, hält sich im Weißen Haus aber noch immer. Apropos Bullshit. Der stieg parallel zur abnehmenden Verantwortung. Mittlere Manager beaufsichtigen für die oberen Manager die unteren Manager, oft ohne erkennbaren Nutzen. Der zu recht vergessene Karl Dings von Guttenberg trug in der Bullshit-Firma Augustus Intelligence den Bullshit-Titel President in charge of General Affairs. Auf Deutsch: Bullshitmaster of hot Air. Aber Guttendings ist in bester Gesellschaft. Vierzig Prozent der befragten Büromenschen waren in einer Umfrage der Überzeugung, keinen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Das Büro als Ort einer großen Triple-Verarsche. Man täuscht andere und sich über die eigene Arbeit und damit natürlich auch den Arbeitgeber.

Die neue Generation wollte dabei nicht länger mitmachen. Work-Life-Balance war das Stichwort, und wie immer, wenn die Jugend sich was ausdenkt, war es rührend naiv. Der Quatsch wurde noch schneller kommerzialisiert als Punk. Die Arbeitgeber stellten ein Bällebad ins Foyer, grüne Smoothies in den Kühlschrank und gaben den Kids fancy Notebooks. Man hatte plötzlich keinen eigenen Schreibtisch mehr und musste den alten Bürohumor auf Memes und Emojis auslagern. Firmen nannten sich Start-ups. Alle duzten sich, um klarzumachen, dass keiner gut bezahlt wird, dafür aber 24/7 verfügbar sein sollte. Fremdausbeutung als freiwillige Selbstausbeutung. Glückwunsch, Millennials! Der Trend kam aus den USA. Ähnlich wie Cornflakes, Serienkiller oder eben das E-Auto. Die alten deutschen Büromenschen belächelten das zunächst, so wie man auch An- fang der 80er in der Bundesliga noch die Raumdeckung belächelt hatte. Firmen hießen plötzlich wie schlimme Partybands aus den 90ern, aber die Dawandas, Zalandos, Lyfts oder Womplys waren oft wertvoller als die Bayerischen Motoren Werke.

Das Motto lautete: „Losers have meetings, winners have parties.“ Warum nicht schon montags den Dress-down-Friday haben? Während Steve Jobs oft so aussah, als würde er vom Roten Kreuz ausgestattet, und Jeff Bezos meist wirkt, als würde er in der Freizeit für seinen eigenen Laden Pakete ausfahren, sieht Nikolaus von Bomhard von der Münchener Rück genauso aus, wie er heißt. Mit anderen Worten, die alte Büro- welt wurde bei uns bis vor Kurzem künstlich am Le- ben gehalten. Die Deutschen brauchen meist länger, bis sie irgendwas mitkriegen, machen es dann aber gründlich. Durch Corona hat dann jetzt auch der letzte Schlipsträger in den deutschen Führungsetagen mitbekommen, dass es die Firma viel billiger kommt, für die Angestellten keine teuren Büro-Immobilien anzumieten. Sollen die Trottel doch zu Hause arbeiten, wo sie die Miete zahlen statt der Arbeitgeber. Wa- rum eine Kantine einrichten, wenn der ehemalige Büromensch in der eigenen Küche einen Kühlschrank hat, den er auf eigene Kosten befüllt? Wofür Firmenwagen, wenn eh alle zu Hause bleiben? Wozu Schreibtische im Büro, sollen die Aktenlullis doch auf der heimischen Klappcouch schreiben! Aber auch für die Angestellten hat das Home- Office Vorteile. Wer einmal in der Videokonferenz gesehen hat, wie geschmacksbefreit der Vorgesetzte wohnt, verliert sofort unnötige Respekt.

Wer dauerhaft zu Hause arbeitet, stellt auch schneller fest, wie öde der eigene Partner ist, und erspart sich etliche Jahre einer Beziehung, deren Risse man sonst womöglich mit zwei, drei Kindern übertüncht hätte. Das stundenlange Pendeln zur Arbeit fällt auch weg. In der Zeit kann man übers Leben nachdenken und die Frage, ob es sich wirklich lohnt. Spoiler: In vielen Fällen ist die Antwort: na ja. Corona hat allen noch mal klargemacht, dass sehr, sehr, sehr viele Büros nicht systemrelevant sind. Durchs Home-Office kommen einige Büromenschen vielleicht auf den Gedanken, dass Bäcker und Bauer doch die besseren beruflichen Alternativen wären. Zur Not sogar Ritter. Insofern, ruhe sanft, gutes altes Büro. Du hattest deine Zeit.