Do., 21.02.2019
Interviews

"Früher gab es den Honka-Gruß": Autor Heinz Strunk im Interview

Als wir Heinz Strunk für unsere November-Ausgabe 2016 zum Interview trafen, war sein Buch "Der goldene Handschuh" rund ein halbes Jahr lang auf dem Markt. Heute, am 21. Februar 2019, kommt die Verfilmung des Bestsellers in die Kinos – im Regiestuhl Fatih Akin, in der Hauptrolle Jonas Dassler. Zeit, noch einmal auf das Gespräch mit dem Schriftsteller zurückzublicken.

In seiner Hamburger Wohnung empfängt Heinz Strunk im Band-Shirt seiner Satire-Combo Fraktus und in vollem Goldschmuck-Ornat. Die Nachricht ist klar: Bei mir läuft’s. Und das stimmt auch. Sein Debütroman "Fleisch ist mein Gemüse" (2004) verkaufte sich über eine halbe Million Mal, mit seinem aktuellen Buch "Der goldene Handschuh", das von Fatih Akin verfilmt wird, ist er für den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis nominiert – und geht jetzt erneut auf Lesereise (Termine unter heinzstrunk.de). Auf seiner Dachterrasse mit Blick übers Schanzenviertel serviert Strunk starken Kaffee und ebensolche Geschichten.

PLAYBOY: Ihr Künstlername Heinz Strunk steht neben Ihrem echten unten an Ihrem Klingelschild. Keine Angst, dass plötzlich Literatur-Groupies vor der Tür stehen?

Heinz Strunk: Nein, das ist mir noch nie passiert. Es ist doch so, die Geister, die man ruft, kommen dann auch. Ich behaupte aber mal in aller Arroganz, dass mich die Doofen nicht kennen. Und die Guten haben gute Manieren. Irgendein kumpelhaft-besoffenes „Ey Heinzer“-Gelalle auf der Straße kommt praktisch nie vor. Ich glaube, dafür muss man schon in der Yellow Press stattfinden. Aber die hat kein Interesse an mir, und ich habe kein Interesse an der Yellow Press, insofern eine Win-win-Situation.

Trotzdem sind Sie, besonders seit Ihrem jüngsten Roman "Der goldene Handschuh", einer sehr breiten Öffentlichkeit als Schriftsteller bekannt. Passt der Name Heinz Strunk da eigentlich noch?

Leider nein. Wenn ich damals geahnt hätte, dass sich da meine eigentliche Profession herausschält, also Humorist, hätte ich keinen Metzgernamen gewählt, sondern mich auch wie meine Studio-Braun-Kollegen Rocko Schamoni oder Jacques Palminger genannt.

"Der goldene Handschuh" dreht sich um die gleichnamige Hamburger Kiezkneipe und den Frauenmörder Fritz Honka, der dort verkehrte. Was hat Sie an Honka, der seine Opfer in seiner Wohnung verwesen ließ, fasziniert?

Als ich 13 war, war die Geschichte eine Riesensache hier in Hamburg. Da gab es den Honka-Gruß: Man gab sich die Hand und vollführte Sägebewegungen. Mir ist auch der biografische Stoff schlicht ausgegangen, also musste ich mir was überlegen. Im "goldenen Handschuh" ist mir die Geschichte dann zugeflogen.

Welche gesellschaftliche Funktion haben Kneipen wie die "Zum goldenen Handschuh" in einer Großstadt?

Für viele ältere Leute ist das ihr sozialer Kontakthof. Die kommen mit Schreiben vom Amt oder vom Arzt und sagen zum Besitzer, Sascha, was heißt das? So hart es im Kiez auch sein mag – es gibt hier eine Mitmenschlichkeit, die Sie in Eppendorf oder in München nicht finden. Deswegen sind solche Kneipen wichtig. Wo sollen diese armen Leute auch sonst hingehen? Denen bleibt sonst nur das einsame Besäufnis in den eigenen vier Wänden.

Vergeht einem die Lust am Rausch, wenn man übers Saufen schreibt?

Da ich Trinker der ersten Stunde bin, hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Ich habe ja zum Glück das Korrektiv des Fastens, was auch bedeutet, dass ich in dieser Zeit keinen Alkohol trinke. Ich muss mich schon oft sehr zusammenreißen. Vor allem beim Schnaps. Aber da besteht kein Zusammenhang mit meinem Buch.

Im Oktober gehen Sie auf Lesereise – weil man das als Schriftsteller muss?

Man muss gar nichts. Das bringt erfahrungsgemäß für den Buchverkauf null. An einem Buch wie "Junge rettet Freund aus Teich" schreibe ich brutto anderthalb Jahre. Wenn sich das hinterher 20.000 Mal verkauft, kann man sich ja ausrechnen, was ich damit verdiene. Das heißt, ich war über viele Jahre aus rein wirtschaftlicher Notwendigkeit so viel auf Tour. Ungefähr 80 Prozent meiner Einnahmen der letzten fünf Jahre habe ich übers Fernsehen oder mit Live-Auftritten generiert. Max Gold schreibt ja gar nichts Neues mehr und geht mit seinen alten Texten 50 Mal im Jahr los. Wenn man allein unterwegs ist, kann man davon okay leben.

Macht das Spaß?

Nein, null. Wirklich, gar keinen. Null Komma null. Allenfalls die Premiere und die ersten zwei, drei Auftritte, weil man gespannt ist, ob der Text funktioniert.

"Ich finde dieses ganze Gesaufe auf der Bühne peinlich"

Schon mal versucht, sich die Lesung mit Alkohol aufzupeppen?

Nein, das mache ich nicht. Ich finde dieses ganze Gesaufe auf der Bühne peinlich. Ich habe außerdem einen Sprachfehler. Wenn ich mir auf der Bühne einen reinpfeifen würde, dann würde ich alles vernuscheln. Außerdem ist es ätzend, wenn nach der Show der einzige Besoffene der ist, der von der Bühne torkelt.

Muss man Lesungen zum Event machen wie Benjamin von Stuckrad-Barre, der auch schon mal stage-dived?

Peinlich. Aber er ist ein anderer Typ. Man muss da natürlich keine Yoga-Übung vollführen. Nur dieses stocksteife Lesen vor ein paar Bildungsbürger-Muttchen finde ich auch antiquiert. Wenn man Entertainer-Qualitäten hat, wäre es blöd, sie nicht zu nutzen.

Was haben Sie als Musiker gelernt, das Ihnen bei Lesungen hilft?

Eigentlich nichts. Als Musiker in der Tanzband Tiffany’s habe ich in zwölf Jahren drei Sätze übers Mikro gesagt. Bereits ein falsch geparktes Auto auszurufen, war ein Horror. Ich dachte, ich klinge wie ein Vollhonk. Von diesem Punkt, circa 1993, bis dahin, vor ausverkaufter Volksbühne zu stehen, war es ein langer Weg.

Verschafft es Ihnen Genugtuung, heute vor ausverkauften Häusern zu lesen?

Könnte man meinen, und es war vielleicht am Anfang so. Aber da war es auch noch nicht so wie jetzt ein Beruf, dem ich mehr oder weniger lustlos nachgehe. Natürlich ohne dass die Leute das merken. Das wäre ja das Allerärgste.

Ihre Hörbücher leben von Ihrer charakteristischen Sprechweise. Entwickeln Sie diese schon beim Schreiben?

Nein, überhaupt nicht. Für mich ist auch das Einlesen der Hörbücher eher eine harte Pflicht, weil mich das auf Grund des bereits erwähnten Sprachmankos physisch sehr anstrengt. Mich nervt das immer total, und ich muss mich sehr zusammenreißen, nicht cholerisch zu werden.

"Davon ausgehend, was mir Frauen sagen, hat sich noch keine ernsthaft abgestoßen gefühlt"

In Ihren Büchern geht es um picklige Dauerwichser und Frauenmörder. Schreiben Sie sich zum Frauenschreck?

Nein, da habe ich gar keine Sorgen. Davon ausgehend, was mir Frauen sagen, hat sich noch keine ernsthaft abgestoßen gefühlt. Es geht ja um Heinz Strunk in den 20ern, was Gott sei Dank lange zurückliegt. Manche Männer geben gar nichts von sich preis, ich gehe offen mit allem um.

In Ihrer Pubertät hatten Sie Schwierigkeiten, Frauen kennenzulernen. Vielleicht hätte der junge Heinz Strunk öfter mal Playboy lesen sollen?

Klar, meine Generation ist mit dem Playboy aufgewachsen. Das war damals schon eine total relevante Größe, und es schwang etwas Legendäres mit. Mein Onkel, der gleichsam legendäre Kaffeekaufmann aus der Speicherstadt, hatte in seiner Villa ein sogenanntes Playboy-Zimmer. Darin waren Schrankwände voller Playboys und ein Bett, in dem ich öfter übernachtet habe, als meine Mutter so krank war. Aus den Playboys habe ich mir dann die geilen Weiber rausgerissen für meine Playboy-Mappe. Man muss sagen, in meiner Pubertät lief mit realen Frauen einfach nichts.

Chamäleon: Heinz Strunk, 56, heißt eigentlich Mathias Halfpape und schreibt nicht nur Bücher, sondern tritt in der NDR-Show „extra 3“ und auch live mit Fraktus auf, der Band seines Satire-Trios Studio Braun
Credit: Dennis Dirksen

Sie haben sich ja zum Glück seither stark verändert, auch äußerlich. Warum haben Sie erst so spät begonnen, sich tätowieren zu lassen?

Ich hatte damals hässliche Tätowierungen, die ich mir mit 25 habe stechen lassen. Die waren Scheiße, so ein Yin-Yang-Ding, furchtbar. Das musste also überstochen werden, der Rest hat sich dann ergeben. Ich war kurz davor, mir den Hals tätowieren zu lassen, aber ich bin ganz froh, dass ich das nicht gemacht habe.

Sie tragen außerdem Rolex und Goldring...

Einen sehr schönen Goldring mit meinen Initialen. Es gibt hier einen richtigen Top-Goldschmied, und der hat mir auch dieses Armband gemacht, auf dem "goldener Handschuh" steht. Das sind richtige Einzelstücke.

In der Tat einzigartig.

Ja, ja, das sind 18 Karat, alles richtig top. Gold finde ich für mich passender als so silber-türkisen Indianerschmuck, den Prolls wie Robert Geissen tragen. Dieses leichte Kokettieren mit etwas Halbseidenem finde ich ganz gut.

Als Selbstvergewisserung, es geschafft zu haben?

Nein, aber es gibt nicht viele, die das tragen können, und ich gehöre dazu. Das ist Star-Appeal. Das spielt eine Rolle. Dass man sagt, okay, das Selbstbewusstsein habe ich jetzt. Bei den meisten Leuten wäre das eher peinlich. Bei mir geht es aber.

Ist es förderlich für einen Schriftsteller, exzentrisch zu sein?

Ja, so ein bisschen bin ich das ja auch. Auch wenn ich mich benehmen kann, führe ich ja trotzdem kein normales Leben. Wenn ich auf der Bühne stehe, wird auch eine Rolle von mir erwartet. Die Leute wollen da nicht jemanden, der exakt genauso ist wie sie. Und ich bin nun mal nicht Mario Barth oder so ein Comedy-Vogel. Bei mir läuft das anders.

Ihr Intimfeind?

Ach, es gibt immer Leute, über die man sich ärgert. Früher war das Dieter Bohlen. Als die Comedy-Welle losging, fanden wir Ingo Appelt schrecklich, und Mario Barth war die Hassfigur überhaupt. Es ist ja nicht so, dass er besser geworden ist, aber es wird einfach langweilig, über ihn zu reden. Neulich habe ich gesagt, dass Luke Mockridge wohl zu den meistgehassten Comedians gehört. Aber mir ist der vollkommen egal. Er hat dann getwittert, dass sein Vorbild ihn hasst, was er schade fände. Ich war überrascht, dass der mich kennt. Ich denke immer, das sind zwei Welten. Aber ich weiß eben auch, dass Jan Böhmermann, Olli Schulz, Klaas Heufer-Umlauf und so mit unseren Gags groß geworden sind. Studio Braun war deren Schule. Insofern spielt man für die jungen Leute eine Rolle, ohne dass einem das bewusst ist.

 

Titelbild: Dennis Dirksen