Di., 29.10.2019
Motor & Mobility

Wunder-Flunder – Ausfahrt im legendären Mercedes-Benz Prototypen C 111

Es war das Auto, das niemand fahren durfte, das aber jeder haben wollte. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Traumwagens öffnete die Mercedes-Benz-Classic-Abteilung nun aber ihre Tore und stellte uns das Auto für ein Shooting mit unserem Playmate des Jahres Veronika Klimovits zur Verfügung. Ehrensache, dass ich als Motor-Chef des Playboy darauf bestand, eine Runde mit dem C 111 zu drehen.

Der Wagen galt als der spektakulärste Prototyp seiner Zeit. Das futuristische Design, gepaart mit neuen, teilweise noch kaum erforschten Technologien, weckte bei der Konkurrenz und vielen Kunden enorme Begehrlichkeiten. Schon bevor der Mercedes-Benz C 111 offiziell präsentiert wurde, gingen im Jahr 1969 erste Bestellungen mit unterschriebenen Blankoschecks in Untertürkheim ein. Doch die Mercedes-Bosse blieben hart: Der spektakuläre Prototyp mit der Kunststoffkarosserie und dem Wankelmotor mit bis zu 350 PS ging niemals in Serie. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Traumwagens liehen wir uns daher das Auto für ein Shooting mit unserem Playmate des Jahres Veronika Klimovits aus – als Cover-Geschichte für unser Auto-Special. Und als Motor-Chef des Playboy wurde mir das Privileg zuteil, mit dem C 111 eine kleine Runde um und durch München zu drehen. Übrigens heute der einzige von insgesamt 13 gebauten Prototypen, der eine Straßenzulassung besitzt.

Playboy-Motorchef Michael Brunnbauer gehört seit kurzem...
Credit: Sacha Eyeland
...zu dem privilegierten Personenkreis, die einmal am Steuer eines Mercedes-Benz C111 saßen.
Credit: Sacha Eyeland
Doch er durfte nicht nur darin sitzen, sondern...
Credit: Sacha Eyeland
...das Fahrzeug auch durch München ausfahren.
Credit: Sacha Eyeland

Mit seiner keilförmigen Front, den prägnanten Flügeltüren und dem knalligen Orange wirkt er wie ein Sixties-Vorläufer des DeLorean. Der Farbton trägt übrigens den schönen Namen „Weißherbst“, inspiriert von dem deutschen Roséwein. Bereits in der ersten Generation 1969 erreichte der Sportwagen 260 km/h, in der zweiten Generation knackte der Wankelmotor die 300-km/h-Grenze. In unserem Fahrzeug steckt jedoch ein klassischer 3,5-Liter-V8 mit 200 PS, wie er damals auch in den Mercedes-Flaggschiffen 280 SE 3.5 und dem 300 SEL 3.5 (den Vorgängern der S-Klasse) verbaut wurde – quasi als Vergleichsfahrzeug zu anderen C-111-Modellen, die den Wankel- und später sogar einen Dieselmotor hatten. Mit dem V8 erreicht die Schwabenflunder trotzdem noch 230 km/h, auch wenn heute ein Warnhinweis den Fahrer dazu mahnt, nicht schneller als 180 km/h zu fahren. Wer weiß, was sonst passiert, vielleicht rast er dann endgültig zurück in die Zukunft, aus der er entsprungen zu sein scheint.

Credit: Sacha Eyeland
Credit: Sacha Eyeland
Credit: Sacha Eyeland
Credit: Sacha Eyeland

Neben dem großen runden Schalthebel, den Vierpunktgurten und den wunderschönen, in Pepita-Muster gehaltenen Sitzen fällt eine Kleinigkeit zwischen den Sitzen auf: ein roter Hammer, wie man ihn sonst nur aus Zügen kennt. Denn sollte man sich in einem C 111 einmal überschlagen, führt wegen der blockierten Flügeltüren nur ein Weg nach draußen: das Zertrümmern der Scheiben. Hoffentlich werden wir den Hammer heute nicht brauchen, denke ich mir kurz, dann starte ich den Motor. Für ein paar Sekunden ächzt die Zündung vor sich hin, bis das erlösende Wummern des Verbrenners zu hören ist. Beim Schalten ist Vorsicht geboten, der erste Gang befindet sich nicht wie gewohnt links oben (hier liegt der Rückwärtsgang), sondern links unten. Um den Hebel überhaupt nach links bewegen zu können, muss vorher ein kleiner Knopf auf dem Schaltknauf gedrückt werden. Ganz im Stil eines James-Bond-Schleudersitz-Knopfs.

Bereits in der allerersten Ausgabe des deutschen Playboy aus dem Jahr 1972...
Credit: Playboy Germany
...gab es einen Text über den Mercedes-Benz C111 Prototyp mit der Headline ""Der gebremste Traum"".
Credit: Playboy Germany
Schon damals hatten Playboy Redakteure das Privileg mit dem seltenen Prototyp eine Ausfahrt zu machen.
Credit: Playboy Germany

Ab circa 4000 Touren spürt man die SportwagenGene des Schwaben – bei einem maximalen Drehmoment von 290 Newtonmetern. Trotz seines Alters liegt er gut in der Kurve, die Kombination aus Leichtbaukarosserie und Mittelmotorkonzept sorgt für eine fast optimale Gewichtsverteilung. Auch Lenkung und Bremse fühlen sich nach über 23.700 Kilometern, die der Wagen laut Tacho auf dem Buckel hat, sehr präzise und akkurat an. Nur beim Komfort muss man ein paar Abstriche machen. Der Innenraum wird schnell sehr warm, vor allem weil sich die Fenster wegen der Flügeltüren nur wenig öffnen lassen. Da hilft auch die etwas schwächliche Klimaanlage nicht. Dafür verbreiten das Originalradio von Becker sowie der Zigarettenanzünder samt Aschen-becher einen angenehmen Hauch von Nostalgie.

Eine Ausfahrt durch München: Hier vor dem Münchener Opernhaus,...
Credit: Sacha Eyeland
...mit Playboy-Motorchef Michael Brunnbauer.
Credit: Sacha Eyeland
Vor dem Münchener Maximilianeum...
Credit: Sacha Eyeland
...und dem Bayerischen Nationalmuseum.
Credit: Sacha Eyeland

Nach ein paar Kilometern durch das Münchner Umland steuere ich das Stadtzentrum an. An jeder Ampel, an jeder Kreuzung, an der wir kurz zum Stehen kommen, das Gleiche: Innerhalb weniger Sekunden wird das Auto von einer riesigen Traube Touristen, Carspotter und Kinder umlagert. Vor der Oper werde ich schließlich sogar gefragt, ob ich Interesse am Verkauf der Flunder hätte. Geld spiele keine Rolle. Schon wieder ein Blankoscheck, denke ich mir, der niemals eingelöst wird.

Mercedes-Benz C111

Geschwindigkeit
230 km/h 

Leistung (System)
205 PS

Drehmoment
292 NM

0–100 km/h
keine Angabe

Hubraum
3500 ccm 

Gewicht
1420 kg

Preis
unbezahlbar

Titelbild: Sacha Eyeland