Fr., 22.04.2016
Genuss

Was meint man mit 'Weinen aus der Neuen Welt'?

Bei Weinkennern immer wieder Gelegenheit für hitzige Diskussionen, für Laien manchmal Anlass für Ratlosigkeit: Was sind bitte Weine aus der Neuen Welt? Irgendwann ist jeder schon mal über den Begriff gestolpert. Wo aber ist denn bitte die Neue Welt? Und was soll an diesen Weinen anders sein?

Mit der Neuen Welt sind in Sachen Wein alle Weinbauregionen der Welt gemeint, die nicht in Europa oder im Mittelmeerraum liegen. Also USA, Chile, Argentinien, Brasilien, Südafrika, Neuseeland, Australien und China und Japan. Warum man die Weine als anders wahrnimmt, hat einige Gründe. Einer etwa ist die ökonomische Bedeutung: In den meisten dieser Länder wird seit Jahrhunderten Wein angebaut.

Denn die Kolonialisten – vor allem die Spanier – brachten schon ihre Reben mit und pflanzten sie an. Doch erst seit den 1990-er Jahren hat man die Weinherstellung intensiviert. Und sich auf den Export konzentriert: Inzwischen findet man in jedem Supermarkt mindestens einen Tropfen aus Chile oder Südafrika.

Die Weine der Neuen Welt sind anders

In den ersten Jahren versuchten die Winzer in der Neuen Welt sich vor allem in Masse: Gerade im Niedrigpreissegment sahen sie ihre Chance. Denn die Pflege der Reben und die Weinherstellung ist arbeitsintensiv – und Arbeit ist in Europa teuer. Nach und nach besann man sich jedoch darauf, dass es weitaus interessanter ist, die hohe Qualität der europäischen Spitzenweine zu imitieren – mit unterschiedlichem Erfolg.

Gebiete wie etwa das Napa Valley in Kalifornien brachten plötzlich kultivierte, schwere Tropfen hervor – gerade so wie sie der US-Weinpapst Robert Parker liebt. Generell sind die meisten Neue Welt-Weine durch das warme Klima und die Dominanz französischer Sorten ein ganz eigener Typ: schwer, marmeladig und fast immer im Fass ausgebaut.

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Ökonomisch sind die Weine der Neuen Welt überraschend unbedeutend

Interessanterweise ist der Anteil der Neuen Welt am weltweiten Weingeschäft recht gering: Die Anbauflächen liegen unter 20 Prozent auf der Welt, die hergestellte Menge bei etwa 25 Prozent – der Rest passiert immer noch in der "Alten Welt". Interessant deshalb, weil in der Neuen Welt unter eher industriellen Bedingungen und mit weinger Problemen Wein hergestellt werden kann: Die Vegetationsphasen sind länger und verlässlicher, die Arbeitskräfte billiger und die einfachere Topografie (weniger steile Hänge) erlaubt mehr Maschineneinsatz.

Kommen alle Neue Welt-Weine aus dem Labor?

Vielleicht haben es die Winzer der Neuen Welt genau deswegen so schwer: Viele Weinkenner unterstellen ihren Produkten, dass sie eher Industrie- als Naturprodukt sind. Und: In Europa ist manches nicht erlaubt, was ein Winzer in Neuseeland oder Südafrika durchaus darf: etwa das Aufzuckern von Wein mit Rübenzucker, Geschmacksveränderung durch Additive wie Tanninpulver und Säuerungsmittel. Sprich: Die Weine aus der Neuen Welt gelten als "nicht natürlich". Der Trend bei europäischen Konsumenten geht eher zum ökologischen Anbau und der Wiederentdeckung alter, vergessener Rebsorten.

Die Weine aus der Neuen Welt sind Robert Parker-Weine

Diese Vorurteile sind sicherlich nicht immer gerechtfertigt. Manche Weine aus der Neuen Welt sind zwar modern vinifiziert, aber absolut sauber gemacht. Es gibt aber noch ein anderes Problem: Diese Tropfen treffen nicht alle unbedingt unseren Geschmack. In Europa schätzt man an einem Wein Ecken und Kanten, individuelle Noten und bisweilen eine gewisse Sperrigkeit.

Die Neue Welt-Weine dagegen sind eher Gaumenschmeichler: hoch im Alkoholgehalt, sehr ausgeprägt im Tannin – und alle etwas auf Format gebügelt. Nämlich den privaten Geschmack von US-Weinpapst Robert Parker. Aber inzwischen entdecken auch in Übersee manche Winzer die europäischen Trends. Der Wein aus der Neuen Welt bleibt also ein spannendes Thema.

Titelbild: Materio