Fr., 02.03.2018
Interviews

ArchiSEXture sagt der Social Media-Zensur den Kampf an

Die in New York lebende Künstlerin Giulia Marsico erstellt aus pornografischen und architektonischen Bildern digitale Collagen. Auf ihrem Account @scientwehst präsentiert sie ihre Werke, die sowohl provokant als auch sarkastisch sind. Die 27-jährige will damit die sexuelle Identität in Zeiten der Digitalisierung austesten, insbesondere die Grenzen der Zensur auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram. Mit uns sprach die Künstlerin über ihre Arbeiten, Sex in den USA und ihre Familie.

In einem früheren Interview sagtest du, digitale Zensur sei eine Art Inspiration für deine Arbeit gewesen. Hat sich an der Social Media-Zensur etwas verändert, seitdem du mit deinen Collagen begonnen hast?

Ja, ein bisschen. Ich habe das Gefühl, dass sich die Art und Weise, wie Instagram mit weiblicher Körperbehaarung umgeht, inzwischen verändert hat. Außerdem haben sie ihre Richtlinien angepasst, sodass das Stillen mit der Brust, ebenso wie Gemälde die Nacktheit darstellen, nicht mehr zensiert werden.

Ist deine Arbeit in erster Linie ein Ausdruck der Rebellion gegen das „Over-Censoring“, also die übertriebene Zensur des nackten weiblichen Körpers, oder ist es reine Kunst?

Ich denke es ist von beidem etwas. Es ist Kunst, aber mit einem politischen Unterton.

[Instagram Embed: https://www.instagram.com/p/BZzhVRZgtG2/?hl=de&taken-by=scientwehst]

Du bist nicht die einzige Künstlerin auf einem Feldzug gegen die Zensur. Wie würdest du dich von anderen unterscheiden?

Ich möchte mich gar nicht von anderen Instagrammern, die für dieselbe Sache kämpfen, unterscheiden. Ich möchte ein Teil dieser Community sein, denn zusammen sind wir stärker und lauter!

In dem du den weiblichen Körper mithilfe von Architektur sozusagen „ent-sexualisierst“, bringst du die Social Media-Zensur an ihre Grenzen. Warum verwendest du vorwiegend architektonische Bilder?

Ich finde, dass es sehr viele Ähnlichkeiten zwischen Architektur und dem menschlichen Körper gibt.

[Instagram Embed: https://www.instagram.com/p/BVJLi0XAcRE/?hl=de&taken-by=scientwehst]

Dass die Menschheit in alltäglichen Gegenständen Penisse sehen, ist ein übliches Phänomen. Wie sieht es bei dir aus? Du musst doch mittlerweile überall Brüste, Hintern und Vaginen sehen, oder?

(*lacht) Auch wenn viele das vielleicht denken mögen, so kann ich sagen: Es ist nicht der Fall.

Im Gegensatz zu Deutschland sind die USA viel prüder. Was denkst du, warum die Menschen den weiblichen Körper immer noch objektivieren und bei etwas absolut Natürlichem, wie einer weiblichen Brustwarze, durchdrehen?

Das liegt daran, dass Amerikaner Sex und Nacktheit stigmatisieren. Für ein fortschrittliches Land sind die USA in Sachen Nacktheit und sexuellem Ausdruck ziemlich weit hinten. Den Amerikanern wurde beigebracht, dass Sex schmutzig ist und wir uns für unsere Körper schämen sollten. Ich weiß zwar nicht viel über die deutsche Kultur, aber hattet ihr nicht schon nach dem ersten Weltkrieg eine FKK-Bewegung? Ihr wisst einfach mit Sexualität umzugehen.

[Instagram Embed: https://www.instagram.com/p/BXJUyYugw74/?hl=de&taken-by=scientwehst]

Deine Arbeit spielt mit dem Verstand des Betrachters. Alltagsgegenstände werden in einer pornografischen Art und Weise sexualisiert. Wie war die Reaktion deiner Eltern auf deine Collagen?

Meine Eltern waren verwirrt, als ich ihnen das erste Mal meine Collagen zeigte. Aber ich habe immer schon all meine Gedanken mit meinen Eltern geteilt. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich etwas vor ihnen verbergen müsste. Vielleicht gibt es einen Teil von mir, der es mag sie zu einer Reaktion zu provozieren und ich hatte auch schon Diskussionen mit meinem Vater. Zum Beispiel war er nicht besonders glücklich darüber, dass ich bei einer Podiumsdiskussion offen über Masturbation und meiner Unterstützung von Pornofilmen gesprochen hatte.

Ich habe schon ein mit deiner Kunst bedrucktes Skate-Deck gesehen. Was ist sonst noch für die Zukunft geplant? Können wir deine Kunstwerke auch außerhalb der digitalen Welt bewundern?

Meine Arbeiten sind derzeit im Museum of Sex in New York ausgestellt. Aber ich hoffe, ich kann dieses Jahr auch eine kleine Einzelausstellung realisieren. Und ihr werdet wahrscheinlich weitere Skateboards und andere Drucke von mir sehen.