Mo., 12.09.2016
Interviews

„Auf der Wiesn herrschen andere Regeln“

Keiner kann das Oktoberfest besser erklären als Bayerns prominentester YouTuber: Der Comedian Harry G über Bedienungs-Diplomatie, Türsteher-Bestechung und Isar-Preißen

Playboy: Ihre satirischen Videos über das Oktoberfest legen den Eindruck nahe, Sie mögen es überhaupt nicht. Ist das so?
Harry G: Ich mag es sogar unglaublich gern. Bloß herrschen dort extreme Zustände, die viel Anlass zur Reibung geben.

Playboy: Wo sind Sie auf dem Oktoberfest zu Hause – im Promi-Zelt, dem „Käfer“?
Harry G: Eher nicht. Das „Käfer“-Zelt ist super, die Stimmung ist unglaublich. Aber die Frage ist halt, wie geht man dahin? Da gibt es Bayern-Spieler, die in Jeans hingehen, Weißbier trinken und dabei trotzdem so viel wichtiger und reicher sind als die, die sich die Magnumflaschen Champagner aus dem Geldbeutel zwängen und auf Show machen. Typische Isar-Preißn halt . . .


Playboy: Typische was? Isar-Preußen?
Harry G: Ja, der Isar-Preiß ist ein zugezogener Ralph-Lauren-Wolpertinger. Eine Mischung aus Gestütsbesitzer und Dieter Bohlen mit grellem Poloshirt unter der Reitersteppjacke. Auf der Wiesn ist er zurechtgemacht wie ein Pfingstochse, trägt Bierkutscherweste und Seidenschal. So steht er dann vorm „Käfer“-Zelt rum.

Playboy: Kann man Zelt-Türsteher mit einem 20-Euro-Schein bestechen?
Harry G: Die verdienen relativ gut. Für einen Zwanziger werden die ihren Job nicht riskieren. Wenn es dir wirklich wichtig ist, dann kannst du mit einem grünen Schein anfangen. Wobei auch den die meisten ablehnen werden. Man kann Türsteher aber auch einfach mal fragen, wie es ausschaut – und zwar ganz normal, höflich und nüchtern. Da geht oft mehr, als man denkt.

Playboy: Was muss man noch beachten?
Harry G: Vorsicht bei der Wahl der Tracht! Keine Experimente oder speziellen Farben. Niemals nach Tracht googeln und dann das erstbeste Ergebnis kaufen. Dabei kommt das komplette Ziegenpeter-Outfit heraus. Geh lieber in den Fachhandel.

Playboy: Geht es auch ganz ohne Tracht?
Harry G: Besonders für Touristen besteht überhaupt kein Grund, sich in Tracht zu verkleiden. Ein Tourist möchte ja eigentlich vermeiden, dass man ihn als einen solchen erkennt. Den meisten ist nicht bewusst, dass sie für uns Bayern total lächerlich und verkleidet ausschauen.

Playboy: Welche Fehler kann man außerdem machen?
Harry G: Mit der Bedienung streiten, wenn zum Beispiel eine Maß schlecht eingeschenkt ist. Wann du dein Bier bekommst und wie es eingeschenkt ist, steht niemals zur Diskussion! Und wenn du ihr einen Zwanziger gibst und sie gibt dir einen Fünfer raus, brauchst du auch nicht diskutieren. Durch die extreme Verknappung bei gleichzeitig brutaler Nachfrage hat das nichts mit einem normalen Bestellvorgang zu tun. Auf der Wiesn herrschen andere Regeln.

Playboy: Wird man auch mal abgezockt?
Harry G: Ein Vermögenszuwachs entsteht dir da nicht. Im Gegenteil, du rennst meistens zum Geldautomaten, weil du unterschätzt hast, dass 400 Euro einfach nicht reichen. Die Preise für die Maß sind ja eigentlich schon Abzocke, dazu kommen Trink- und Bestechungsgelder in beachtlicher Höhe. Aber egal, denn die Wiesn ist eine Mordsgaudi und jeden Cent wert.

Flirttipps mit Harry G: So geht's richtig


Playboy: Dieses Jahr fällt die „Oide (dt. ,Alte‘) Wiesn“ ganz klein aus, dieser 2010 eingeführte Sonderbereich mit historischen Fahrgeschäften und Zelten. Schade?
Harry G: Ich verstehe das Prinzip „Oide Wiesn“ nicht. Also, wir haben eine Wiesn, und dann haben wir eine neue Wiesn, und die nennt sich „Oide Wiesn“. Dabei ist sie neuer als die eigentlich alte, also oide Wiesn. Das Tolle daran soll sein, dass man aus alten Krügen trinkt und Hochradfahrer auf einen zukommen und laut schreien: „Ho ho, hei hei, hu hu!“ So ein Schmarrn.

Playboy: Was ändert sich am sogenannten Italiener-Wochenende (zweites Wiesn-Wochenende, 24.–25. September) auf der Wiesn?
Harry G: Alles. Der Italiener trinkt, ohne es zu können. Dabei spricht er mit seinen 1,30 Meter Körpergröße Frauen an. Das geht natürlich immer schief. Außerdem hat er seine eigene Tracht dabei: Fußballjacken.

Playboy: Wie verhalten sich dagegen die australischen Touristen?
Harry G: Die sind ans Trinken gewöhnt und genau dazu da. Der Italiener reist wegen Feeling und Amore an, der Australier ausschließlich, um zu trinken. Und um noch mehr zu trinken. Seine Tracht ist das T-Shirt vom Reiseveranstalter, Plastikle-derhosen und Flipflops. Der Wahnsinn, nicht nur wegen den Scherben, sondern auch wegen dem Dreck auf der Toilette. Pfui Deifi!

Humorbotschafter: Der 37-jährige Markus Stoll ist als Harry G auf Deutschland-Tour. Termine unter www.harry-g.com.

 

Titelbild: Playboy Deutschland