Herr Ramakrishnan, warum sterben wir?

Der Biologe Venkatraman Ramakrishnan erhielt für seine Erforschung der Protein-Produktion in unseren Zellen den Nobelpreis für Chemie. Zuletzt erschien sein Buch: „Warum wir sterben“
Credit: Kate Joyce - Santa Fe Institute
Der Biologe Venkatraman Ramakrishnan erhielt für seine Erforschung der Protein-Produktion in unseren Zellen den Nobelpreis für Chemie. Zuletzt erschien sein Buch: „Warum wir sterben“
Credit: Kate Joyce - Santa Fe Institute

Longevity ist längst mehr als ein Trend – Gesundheit und ein langes Leben für viele das höchste Ziel. Wir haben den Biologen und Nobelpreisträger Venkatraman Ramakrishnan gefragt, warum wir überhaupt altern und welche Lebenserwartung in Zukunft realistisch wird

Von: Maximilian Reich
04.05.25
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Herr Ramakrishnan, werden wir unsterblich sein?

Es gibt jedenfalls kein physikalisches oder chemisches Gesetz, das besagt, dass wir nach einer bestimmten Zeit sterben müssen. Kurzfristig gesehen, ist das aber extrem unrealistisch. Dazu bräuchten wir große Durchbrüche bei der Verlangsamung des Alterns. Und selbst dann gibt es noch viele andere Dinge, an denen die Menschen sterben werden: Unfälle, Krankheiten, Hunger, Verbrechen, Krieg ...

Also, welches Alter wird in den nächsten Jahren realistisch?

In Industrienationen liegt die Lebenserwartung im Moment bei 85. Laut Schätzungen könnten wir weitere 10 bis 15 Jahre gewinnen, wenn wir Alterskrankheiten wie Demenz oder Krebs beseitigen. Wenn es uns gelingt, das Altern selbst zu verlangsamen, zum Beispiel durch die Nachahmung einer Kalorienrestriktion oder durch die gezielte Bekämpfung seneszenter Zellen – also jener Zellen, die sich nicht mehr teilen –, könnten wir sogar noch mehr gewinnen.

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Wie sehr bestimmen unsere Gene, wann wir sterben?

In einer dänischen Zwillingsstudie wurde festgestellt, dass die Erblichkeit der Langlebigkeit bei etwa 25 Prozent liegt. Das bedeutet, der Großteil ist auf unseren Lebensstil und die Umwelt zurückzuführen.

Warum altert unser Körper?

Das Altern ist die Anhäufung von Veränderungen und Defekten an unseren Molekülen und Zellen auf allen Ebenen, von den DNA-Molekülen, die unsere Gene tragen, über die Proteine, die sie kodieren, bis hin zu den Bestandteilen unserer Zellen und den Zellgeweben.

 Dass sie das ‚Problem‘ des Sterbens nicht lösen können, gefällt Tech-Milliardären nicht

Venkatraman Ramakrishnan

Venkatraman Ramakrishnan

2009 erhielten Kollegen von Ihnen den Medizin-Nobelpreis fürs Entdecken der Telomere. Welche Rolle spielen die beim Altern?

Telomere sind Schutzkappen an den Enden der Chromosomen. Jedes Mal, wenn sich unsere Zellen teilen, verkürzen sie sich. Irgendwann können sie die Gene nicht mehr schützen, und die Zelle wird seneszent. Man kann die Verkürzung der Telomere verhindern, indem man das Gen für Telomerase einschaltet, aber das kann mit einem Krebsrisiko verbunden sein. Es ist auch nicht ganz klar, ob stabilere Telomere die Lebensspanne oder die Gesundheit verlängern.

Was halten Sie vom aktuellen Langlebigkeits-Trend?

Es gibt viel seriöse Forschung, aber auch einen großen Hype. Jeder hat Angst vorm Altwerden, und manche wollen daraus Kapital schlagen. Außerdem gibt es Menschen, zum Beispiel Tech-Milliardäre, die es gewöhnt sind, dass alles so läuft, wie sie es sich wünschen. Dass sie das „Problem“ des Sterbens nicht lösen können, gefällt ihnen nicht. Also stecken sie viel Geld in die Anti-Aging-Forschung.

Was bringen Longevity-Methoden wie Kältetherapie, Fasten usw. wirklich?

Die meisten Langlebigkeitsmethoden wie Kryotherapie oder Blutwäsche sind meiner Meinung nach noch nicht gründlich genug getestet worden. Das Fasten allerdings hat tatsächlich eine echte physiologische Grundlage.

Sie meinen beispielsweise den Essensverzicht nach der 16:8-Methode, bei der man nur innerhalb von acht Stunden am Tag isst?

Genau. Wir wissen, dass eine Kalorienreduktion bei vielen Tierarten das Leben verlängert. Durchs Fasten werden bestimmte Signalwege innerhalb der Zellen aktiviert und defekte Komponenten erkannt und beseitigt. Es gibt vielversprechende Medikamente, die darauf aufbauen und eines Tages das Altern bekämpfen könnten.

Zum Beispiel?

Rapamycin war im Tierversuch vielversprechend, ist aber nicht unproblematisch, da es auch ein Immun-Suppressivum ist, das das Risiko von Infektionen erhöht und andere Nebenwirkungen hat.

Altert unser Gehirn auch?

Ja. Und je älter wir werden, desto höher ist das Risiko für neurodegenerative Krankheiten. In einigen Ländern hat Demenz bereits andere Krankheiten als Haupttodesursache im Alter überholt.

Was können wir dagegen tun?

Unser Gehirn ist ein Teil des Körpers. Was gut für ihn ist, wie ausgewogene Ernährung oder Sport, nützt auch dem Gehirn. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass eine intellektuelle Beschäftigung dem Gehirn hilft, aktiv zu bleiben. Soziale Isolation hingegen führt zu schlechterer Gesundheit und erhöhter Sterblichkeit im Alter.

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