Auf Tour im Touring: Der Porsche 911 GT3 Touring im Test

Die Alltagstauglichkeit von Porsches GT3 Touring testete unser Autor in Valencia
Credit: Rossen Gargolov/Porsche
Die Alltagstauglichkeit von Porsches GT3 Touring testete unser Autor in Valencia
Credit: Rossen Gargolov/Porsche

Mit oder ohne Flügel? Unser Autor gibt eine klare Antwort auf die klassische Gretchenfrage jedes GT3-Fans und testet den neuen Porsche 911 GT3 Touring auf den Serpentinen rund um Valencia

Von: Michael Brunnbauer
13.05.25
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Die gute Nachricht zuerst: Auch der neue GT3 von Porsche verzichtet auf jegliche Form von Elektroboost oder Turbolader. Der reinrassige Saugmotor im Heck entfacht sein Feuer ohne moderne Spielereien und dreht dabei seine sechs Zylinder hoch bis zu wahnsinnigen 9000 Touren. Die schlechte Nachricht: Die neue Variante 992.2 bietet mit 510 PS genauso viel und mit 450 Newtonmeter Drehmoment sogar 20 Newtonmeter weniger als der direkte Vorgänger, der 992.1. 

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Grund dafür sind hauptsächlich strengere Abgasnormen und der damit verbundene Einsatz von gleich vier Katalysatoren. Doch die Porsche-Ingenieure haben mit schärferen Nockenwellen, strömungsoptimierten Drosselklappen und optimiertem Thermomanagement dagegengehalten und konnten gleichzeitig durch konsequenten Leichtbau das Gewicht bei 1420 Kilo (also nur zwei Kilo mehr als vorher) halten.

Testfahrt im Porsche 911 GT3 Touring: Mit oder ohne Flügel?

Wie sich diese Veränderungen im Wagen auswirken? Das wollen wir im Rahmen einer Ausfahrt rund um die spanische Stadt Valencia ausprobieren. Als ich an der Rennstrecke Ricardo Tormo ankomme, wo die Fahrzeugübergabe stattfindet, wartet auf mich sowohl der normale GT3 als auch die Touring-Variante. „Willst du lieber mit oder ohne Flügel fahren?“, stellt mir ein Porsche-Ingenieur die klassische Gretchenfrage, die sich jeder GT3-Fan einmal in seinem Leben stellen muss. Da ich den normalen GT3 schon häufig auf der Rennstrecke bewegen durfte, entscheide mich gegen den Flügel.

Von außen betrachtet, könnte der Touring für die meisten Passanten vielleicht noch als normaler 911er durchgehen, auch wenn natürlich an der Stelle, wo sonst der imposante Heckflügel thront, eine dezente Plakette mit dem Schriftzug „GT3 Touring“ den entscheidenden Hinweis gibt. Ganz so dezent geht es im Innenraum nicht zu, hier wurde wenig an Luxus, Leder oder Sichtcarbon-Elementen gespart – dafür aber am Gewicht. 

Das ist auch zu erkennen am „Leichtbau“-Schriftzug unterhalb des Schalthebels. Wer den Wagen mit diesem kleinen Schild ordert, muss zwar schlappe 33.867 Euro Aufpreis hinnehmen. Dafür erhält er aber auch zahlreiche Carbon-Elemente sowohl im Interieur als auch im Exterieur sowie die ultraleichten Magnesium-Schmiederäder des Sondermodells Porsche 911 S/T­.

Dezentes Rasen: Im Gegensatz zum bereits bekannten GT3 wirkt der Touring aufgrund des fehlenden Flügels fast wie ein normaler 911er
Credit: Rossen Gargolov/Porsche

Alle Teile in Summe sorgen dafür, dass der Wagen sein Idealgewicht von 1420 Kilo halten kann. Neu ist zudem, dass der Touring zum ersten Mal in der Geschichte eines GT3 auch die aus dem klassischen 911er bekannten Notsitze bietet, die man dank klappbarer Carbon-Schalensitze vorne (ebenfalls ein Novum) jetzt auch leicht erreichen kann. So lassen sich in einem GT3 Touring zum ersten Mal vier Personen befördern, zumindest wenn zwei davon nicht größer als 1,50 Meter sind.

Testfahrt im Porsche 911 GT3 Touring: Volldigitales Display im Cockpit

Einziger Wermutstropfen beim Interieur: Der bisher analoge Tourenzähler in der Mitte des Displays hinter dem Lenkrad fiel der Digitalisierung zum Opfer. Dafür hat der Fahrer beim jetzt voll digitalen Display die Wahl aus drei Ansichten: Zum einen gibt es die klassische Porsche-911-Ansicht mit fünf Rundmessern, die schlichtere Variante mit drei Rundmessern (Geschwindigkeit, Drehzahl und Entertainment) oder die für die Rennstrecke reduzierte Ansicht, bei der nur noch der Drehzahlmesser in der Mitte und ein paar wenige Informationen wie Reifendruck oder Fahrzeugtemperatur zu sehen sind.

Digitalisiert: Statt analogem Tourenzähler befindet sich hinter dem Lenkrad ein volldigitales Display
Credit: Rossen Gargolov/Porsche

Immerhin, der Drehschalter zum Starten der Maschine liegt nach wie vor, wie es sich für einen Porsche gehört, links vom Lenkrad. Ich drehe ihn kurz herum und genieße den sonoren Bass des 4-Liter-Boxermotors hinter mir. Schon nach ein paarmal Hin-und-her-Schalten zwischen erstem, zweitem und drittem Gang bin ich positiv von den kurzen Wegen beim Schalten beeindruckt. Der Handschalter stammt nämlich ebenfalls aus dem Porsche 911 S/T und lässt sich noch mal schneller und präziser bewegen als bisher. 

Und das Surren und Hämmern des Sechszylinders, wenn man erst einmal den Bereich von 7000 bis 9000 Touren erreicht, ist wie immer einfach nur atemberaubend. Rein theoretisch ist so beim perfekten Anfahren eine Beschleunigung auf 100 km/h in 3,9 Sekunden möglich. Wer es noch eine halbe Sekunde schneller mag, der kann den Wagen alternativ mit einem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe ordern. Ich persönlich würde davon jedoch abraten, mehr Fahrspaß hat man definitiv mit dem Handschalter. Aber das ist letztendlich natürlich individuelle Geschmackssache.

Testfahrt im Porsche 911 GT3 Touring: Mehr Stabilität in Kurven durch kalibrierte Lenkung

Landstraßenjäger: Dank einer deutlich präziseren Lenkung bügelt Porsches 911 GT3 Touring die holprigen Brücken, Landstraßen und kurvigen Serpentinen ohne Probleme weg
Credit: Rossen Gargolov/Porsche

Dank einer um acht Prozent kürzeren Gesamtübersetzung bietet der Wagen außerdem deutlich mehr Zugkraft und hängt entsprechend aggressiver am Gas. Dadurch verringert sich im Gegenzug allerdings auch die Höchst­geschwindigkeit von 320 auf 313 km/h. Ein solches Tempo brauchen wir auf den Serpentinen rund um Valencia aber sowieso nicht. 

Was wir auf den kurvigen Straßen hingegen sehr wohl brauchen, ist die neu kalibrierte Lenkung. Die bietet gerade in lang gezogenen Kurven deutlich mehr Präzi­sion – und in Zusammenhang mit der ebenfalls modifizierten Federung mehr Ruhe und Stabilität für den Fahrer, selbst wenn der spanische Asphalt mal ein bisschen welliger daherkommt. Oder wie es Walter Röhrl, der das Fahrzeug schon ein paar Monate vor mir ausführlich testen durfte, ausgedrückt hat: „Die Lenkung ist ein Hammer! Unglaublich. Ich bin sehr glücklich darüber, dass man hier so viel Feedback bekommt. Schließlich ist das Lenkrad zum Lenken da und nicht zum Festhalten.“

Testfahrt im Porsche 911 GT3 Touring: Wertsteigerung und Fahrspaß garantiert

Als ich nach meiner kleinen Ausfahrt wieder auf den Circuit Ricardo Tormo zurückkehre, kann ich jedoch nicht widerstehen und steige zumindest für ein paar Runden auch einmal in den normalen GT3. Gerade bei engen Kurven und schnellen Richtungswechseln merkt man darin schon den zusätzlichen Anpressdruck, der durch den Heckflügel generiert wird. 

Trotzdem bleibe ich bei meiner Wahl und würde mich auch in Zukunft wieder für den Touring entscheiden. In Sachen Alltagstauglichkeit kann er dank der Integration der klappbaren Carbonschalen und der Notsitze mit einem normalen 911er mithalten, während er gleichzeitig mit ganz wenigen Abstrichen die gleiche Intensität und Aggressivität seines GT3-Bruders mit Flügel bietet.

Wer die Chance hat, Porsches GT3 Touring zu bekommen, sollte zugreifen, meint unser Autor
Credit: Rossen Gargolov/Porsche

Allerdings, und hier kommt der Haken: Wenn man das Fahrzeug inklusive „Leichtbau“-Paket bestellt (und das sollte man definitiv machen), liegt man preislich schnell bei einer Viertelmillion Euro. Klar, das ist eine Menge Geld. Aber wer das Glück hat, ein derartig gefragtes Modell überhaupt von Porsche zugeteilt zu bekommen, sollte definitiv zugreifen. Wertsteigerung und Fahrspaß sind garantiert.

Porsche 911 GT3 Touring

Geschwindigkeit: 313 km/h
Leistung: 510 PS
Drehmoment: 450 NM
0–100 km/h: 3,4 sekunden
Hubraum: 3996 ccM
Gewicht (EU): 1420 kg
Preis: 209.000 Euro

Der Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.

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