Playboy: Herr Gamba, was macht italienischen Wein aus?
Mario Gamba: Die Vielfalt. Italien ist nach Frankreich weltweit der größte Weinerzeuger. Wir haben mehrere Tausend autochthone, einheimische Rebsorten. Vom Brenner bis zur letzten Insel vor Tunesien gibt es so viele verschiedene Böden und Sorten, wie es Landschaften und Dialekte gibt. Wir sollten also nicht immer nur französische Rebsorten trinken wie Chardonnay, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc oder Merlot, sondern auch die ursprünglich italienischen.
Gastro-Maestro: Mario Gamba, geboren in Bergamo, arbeitete bei Star-Köchen wie Alain Chapel und Heinz Winkler. Sein „Acquarello“ in München gilt seit 26 Jahren als eines der besten italienischen Restaurants des Landes, was der Michelin mit einem Stern goutierte
Hat die italienische Weinkultur der französischen etwas voraus?
Sie hat eine längere Tradition, die schon vor Tausenden von Jahren begann. Der sardische Cannonau zum Beispiel ist weit über 3000 Jahre alt, er gilt als einer der ältesten Weine der Welt. Die Römer haben das Weintrinken in ihren Kolonien verbreitet – und in Italien blieb Wein bis ins 20. Jahrhundert ein Massengetränk für den Alltag.
Wann entstanden die italienischen Qualitätsweine?
Eigentlich erst ab den 1960er- und 70er-Jahren. Natürlich gab es auch schon früher großartige Weine, aber nur vereinzelt, das sind heute Raritäten. Vor 50 Jahren übernahm in Italien eine neue Generation von Winzern, die sich von Frankreich inspirieren ließen. Die wollte nicht mehr nur Wein für den täglichen Bedarf produzieren, sondern nachhaltigere Weine. Besondere Flaschen, die man sich auch mal drei bis fünf Jahre im Keller aufbewahrt.
Sechs Tipps von links nach rechts:
Der Traditionelle: Tenute Rubino: Oltremé Susumaniello (2017) Ein weicher, runder Wein, den man nur trinken und nicht erklären muss. Somarello Nero, der Name der Traube, bedeutet „kleiner schwarzer Esel“ und wird nur in Apulien angebaut. 9 Euro, ronaldi.de
Der Elegante: Roberto Anselmi: Capitel Croce (2015) Der Rolls-Royce aus dem Soave-Gebiet in Venetien, gekeltert aus der Garganega- Traube. In der Magnumflasche entwickelt er sich besonders großzügig. Mit Honig- und Kräuternoten. 17 Euro, c-und-d.de
Der Meditative: Donnafugata: Ben Ryé Passito Di Pantelleria (2017) Zum Dessert, zu einem kräftigen Käse oder allein für sich: ein sizilianischer Wein, an dem man ab und zu nippt und dazwischen seinen Gedanken nachhängt. Leichter Aprikosengeschmack und Mandelnoten. 21 Euro, galperino.de
Der Spritzige: Ca’ del Bosco: Cuvée Prestige Franciacorta Brut Der gelungene Versuch, in der Lombardei einen Schaumwein mit traditionellen Champagnertrauben zu schaffen. Feinperlig mit einer guten Balance zwischen Säure und Frucht. 27 Euro, lieblings-weine.de
Der Fruchtige: Terzini: Abruzzo Pecorino (2018) Eine weiße autochthone Traube aus den Abruzzen, produziert unter einer noch sehr jungen Marke. Passt besonders gut zu Pasta und Risotto oder Fisch und weißem Fleisch. Diese Flasche aus Pescara gibt es exklusiv im neuen Playboy-Weinshop. Sie sparen 19 Euro und erhalten ein Vorteils-Paket mit 6 Flaschen für 49 Euro unter weinshop.playboy.de
Der Trockene: Salicutti: „Rosso di Montalcino“ (2017) Ein schnörkelloser, exzellenter Basiswein aus der Sangiovese-Traube. Das toskanische Weingut gehört der Familie Eichbauer, die auch Inhaber des Münchner „Tantris“ ist. 33 Euro, lebendigeweine.de
Wie groß ist Ihr eigener Weinkeller?
Gar nicht so groß. Ich führe eine Weinliste mit nur etwa 100 Positionen, weil ich möchte, dass die Weine rotieren. Ich suche auch immer nach unbekannten Weinen. Es gibt einfach viele sehr gute Winzer, die kaum jemand kennt, denen man aber die Möglichkeit geben muss, groß zu werden. Wichtiger als der Name ist für mich, dass die Weine unkompliziert sind. Ich will die Weine nicht im Vorhinein didaktisch erklären müssen. Sie müssen für sich selber überzeugen und schmecken.
Wie komme ich als Unerfahrener an einen guten Wein?
Mit Recherche. Erst mal sollten Sie sich bei einem oder zwei Weinliebhabern aus Ihrem Bekanntenkreis Informationen einholen. Und dann gehen Sie in eine kleine Vinothek und probieren dort ein paar Weine. Mit der Zeit lernen Sie die Feinheiten und was Sie mögen: Welche Rebsorte gefällt Ihnen und welche Struktur? Mögen Sie mehr oder weniger Säure, mehr oder weniger Frucht, mehr oder weniger Aroma? Das muss jeder für sich selber herausfinden, und das geht nur übers Ausprobieren.
Wie wichtig sind für Sie die Jahrgänge?
Es bringt überhaupt nichts, mit der Jahrgangstabelle in der Hand nach Flaschen zu suchen. Ein guter Kellermeister kann auch in schlechten Jahrgängen gute Weine machen. Wein hat überhaupt viel mit Vertrauen zu tun: Am besten ist es, wenn Sie den Winzer persönlich kennen, dann haben Sie einen direkten Bezug. Während Corona profitiere ich selbst sehr von meinen Reisen. Wenn ich mir einen Wein aufmache und die Augen schließe, kann ich nach-empfinden, wo der Wein herkommt, wer ihn gemacht hat, wann die Trauben gekeltert wurden. Das ist wie eine erneute Reise.