Inhalt
Prominente Gratulanten: Was Playboy-Freunde aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Sport uns zum 50. Geburtstag wünschen
First Lady: Ein Wiedersehen mit Gaby Heier, der ersten Frau auf dem deutschen Playboy-Cover
Party-People: Zum Jubiläumsfest lassen wir die Korken knallen und unterhalten uns mit den Schönen und Geistreichen wie Natalia Avelon, Henning Baum, Annemarie Carpendale, Heino Ferch und vielen mehr ...
50 Jahre, 50 Cover: Bewundern Sie die Werke 50 namhafter Künstlerinnen und Künstler, die unsere Jubiläums-Titelseiten gestaltet haben!
Das große Playboy-Quiz: Wie gut kennen Sie uns? 50 Fragen aus der Geschichte der deutschen Ausgabe
Streichliste: 50 Dinge, die ein Mann bis zur Lebensmitte getan haben sollte
Kennen Sie die schon? Eine Auswahl der 50 besten Witze aus dem deutschen Playboy
Bye-bye, Burn-out: Mit 50 Jahren lebt der Journalist Jens Brambusch den Traum vieler Altersgenossen – er ist ausgestiegen und auf ein Segelboot gezogen
Playmate: Unsere Miss August, Natasha Nesci, wollte schon immer mal im Playboy auftauchen. An der Küste Teneriffas wurde ihr Traum wahr
Heißes Revival: Vor 20 Jahren entzückte Pamela Schneider als Playmate die Leser. Zum Jubiläum trafen wir sie wieder ...
Cocktail-Legenden: Womit stößt man auf ein halbes Jahrhundert an? Mit echten Klassikern!
Seemann mit Stil: Der deutsche Unternehmer Christopher Sieber besitzt eines der letzten amerikanischen Playboy-Cigarette-Rennboote Timmerberg-Kolumne: Der Zeitgeist und ich
Design von 1972: Aus unserem Geburtsjahr stammen auch andere ikonische Produkte ...
10 Bücher aus 50 Jahren: Welche sollte man gelesen haben? Wir verraten es Ihnen
Männerdüfte für die Ewigkeit: Die meisten Eaux de Toilette verduften schnell. Unsere zehn bleiben
Lust der Lebensmitte: Die Midlife-Crisis ist nur ein Mythos. Eine Forscherin erklärt, wie gut es Männern um die 50 in Wahrheit geht
Esther Vilar: Dem ersten deutschen Playboy gab die Autorin des Skandalbuchs „Der dressierte Mann“ 1972 das große Interview. Nach 50 Jahren reden wir weiter – über Männer, Frauen, Freiheit und ihre Feindin Alice Schwarzer
Unvergessliche Antworten: Zehn Highlights unserer 50-jährigen Interview-Tradition
Steve Jones: Vor 50 Jahren gründete er die Band, aus der die Sex Pistols hervorgingen. Jetzt schaut er sich an, wie sein Leben verfilmt wird
Gewitzte Gewinner: Das sind die Sieger des großen Playboy-Kreativ-Wettbewerbs
Wiesn-Playmate gesucht: Bewirb dich, und werde unsere Miss Oktober 2022!
Umfrage des Monats: Was sind die Sexwünsche der Frauen im Jahr 2022?
Tagebuch einer Verführerin: Sophie Andresky über heiße Clubnächte einst und mit Anfang 50
- Editorial
- Cartoon
- Berater (Best of 50 years)
- Impressum
- Bezugsquellen
- Ausblick
Sie bittet uns ins Haus eines Freundes in München und darum, die Schuhe anzubehalten – „Sie können alles anlassen, wir sind ja nicht beim Playboy“: Esther Vilar skaliert die Tonlage gleich zur Begrüßung auf launig, was bei ihrer leisen Stimme und dem schüchtern-verspielten „typischen Vilar-Lächeln“, wie es der Playboy-Interviewer Heinz van Nouhuys bereits 1972 registriert hatte, umwerfend charmant wirkt. 86 Jahre alt soll diese Frau sein? Dann hält entweder das Schreiben (18 Bücher und 21 Theaterstücke) jung, oder sie kennt als studierte Medizinerin Tricks. Vielleicht sind es aber auch die Gene – ihre Mutter sei 101 geworden, verrät Esther Vilar. Sie hat den Kaffeetisch mit Gebäck gedeckt. Und zur Einstimmung auf unser Interview die ganze Nacht vorher den deutschen Playboy gelesen. Der komme ihr heute amüsanter vor als früher, aber das könne auch an ihrer großen Neugier liegen, sagt sie. In den letzten 50 Jahren hat sie in vielen Ländern gelebt, heute ist es London, und der deutsche Playboy ist nicht überall leicht zu haben. Was muss Deutschland Anfang der 70er wohl für ein Land gewesen sein, dass es sich von dieser „Frau, die die Männer befreien will“, wie Playboy damals titelte, so verstört und aufgerüttelt fühlte?
Frau Vilar, Anlass Ihres Playboy-Interviews vor 50 Jahren war Ihr Furore machendes Buch „Der dressierte Mann“ von 1971, die berühmte Streitschrift mit der Kernthese: Nicht die Männer unterdrücken die Frauen, sondern die Frauen versklaven die Männer, lassen sie für sich und die Familie ein Leben lang schuften und machen sich ein schönes Dasein auf ihre Kosten. Können Sie uns beschreiben, wie Sie darauf kamen?
Was mich wütend gemacht hatte damals, war vor allen Dingen der Journalismus. Ich habe jeden Tag Zeitungen gelesen, ich hatte zum ersten Mal Zeit, weil mein Medizinstudium abgeschlossen war. Und überall standen diese mitleidigen Kommentare zum Stand der Frauen, denen es angeblich so schlecht ging. Aber zum Stand der Männer: kein Wort. Kein Mensch hat gesagt, dass es nur die Männer sind, die in die Kriege ziehen mussten. Die Frauen hatten es im Vergleich viel besser. Männer wurden später pensioniert, obwohl sie im Durchschnitt sieben Jahre früher gestorben sind als die Frauen. Sie mussten die gesamte Familie ernähren, und bei Scheidungen wurden den Männern die Kinder weggenommen, das war wirklich eine Tragödie. Sogar die Eisenbahn-Tickets der Männer waren teurer als die der Frauen.
Die Männer dominierten die Arbeitswelt …
Ja, „dominierten“, das sehe ich in Anführungszeichen. Die meisten Berufe sind doch so abscheulich, schrecklich, ermüdend, brutal sogar. Wenn man zu Hause bleiben konnte, den Haushalt machen und sich um die Kinder kümmern, das war doch eine ganz andere Welt. Viel menschlicher, viel lebenswerter. Was ist das für eine Macht über die Arbeitswelt, wenn alle sich zu Tode arbeiten müssen, die da partizipieren?
Die Frauenbewegung hatte eine andere Perspektive auf die Situation, sie sah den Patriarchen und Tyrannen, der die Frau in Abhängigkeiten hielt.
Das ist eine Erzählung von Männern über Männer, die sich gern als die Starken und Mächtigen sehen. Die Frauenbewegung hat diese Erzählung aufgegriffen, die von den Linken, von Männern wie Marx oder Bebel, begonnen worden war. Dann kamen Frauen wie Simone de Beauvoir, die, statt ein richtiges Buch über Frauen zu schreiben, diese Linie mitgeschwommen ist. Wirklich Neues wurde nicht gesagt.
Bis heute hat sich die Position der Frauenbewegung – die Geschichte vom privilegierten Mann – gehalten, dabei wollten Sie mit Ihrer Gegenposition des versklavten Mannes doch eigentlich dasselbe: die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern an der Arbeits- und der Lebenswelt, richtig?
Ja, und wir leben mittlerweile tatsächlich in einer unglaublich guten Zeit. Alles, worauf ich hinauswollte, ist jetzt im Kommen. Zum Lachen ist nur, dass dieser Fortschritt als Folge des Emanzipationskampfes der Frauen dargestellt wird. Denn so ist es nicht. Es waren die Männer, die neben der Pille zur Geburtenkontrolle so viel Komfort für den Haushalt durch neue Haushaltsmaschinen erfunden haben, dass am Ende gar nicht mehr viel Arbeit im Haushalt übrig blieb. Ich möchte nicht, dass die Frauen sich jetzt auf ihre Fahne schreiben, sie hätten den Kampf gewonnen. Es wurde nicht gekämpft. Die Frauen waren ein bisschen gelangweilt und haben angefangen, daran zu denken, auch mal rauszugehen und etwas zu machen. Sie konnten sich angenehme Jobs suchen, so für ein paar Stunden am Tag, und auch Geld verdienen, ihr eigenes Geld. Und das vergrößert sich jetzt. Man teilt sich die Arbeit. Das ist doch das Richtige! Ich glaube nicht, dass die Männer es akzeptieren würden, wenn die Frauen von heute auf morgen einfach wieder zu Hause blieben bei den Kindern und schauten, dass sie vielleicht ein bisschen malen, ein bisschen fotografieren und gelbe Häschen auf die Vorhänge sticken, um sich nicht zu langweilen.
Sie sind massiv angefeindet worden damals und haben den Erfolg Ihres Buches sehr teuer bezahlt, weil Sie die Frauen, die nur zu Hause blieben, als „dumm“ bezeichneten. Sie wurden angespuckt, bepöbelt, verprügelt. War es das, im Rückblick betrachtet, wert?
Ich musste 1978 von einem Tag zum nächsten ins Ausland gehen, weil der „Spiegel“ meine Privatadresse in München veröffentlicht hatte. Ich hatte mir eine Wohnung neben der Münchner Universität gekauft in einem neuen Haus, das aus architektonischer Sicht interessant war. Ich konnte dann nicht bleiben und zog in die Schweiz. Ob es das wert war? Sicherlich. Es waren jedenfalls immer mehr Menschen für mich als gegen mich. Das konnte man aus der Presse nicht so entnehmen, da dachte man: Die arme Frau kriegt ja nur Schüsse. Aber das war nicht so. Die Leute haben selbst angefangen zu denken. Ich glaube, es waren sogar mehr Frauen für mich als Männer.
Esther Vilar im Playboy-Interview: „Wenn ich ein Mann gewesen wäre, ich hätte das Buch nicht gerne gemocht“
Männer wollen ja auch nicht gerne als „dressiert“ dargestellt werden.
Eben, natürlich. Unmöglich! Im Grunde war das Buch sehr kritisch auch für die Männer. Wenn ich ein Mann gewesen wäre, ich hätte das Buch nicht gerne gemocht.
Entsprechend kritisch klang auch das Interview für die Premierenausgabe von Playboy Deutschland vor 50 Jahren (hier vollständig lesen). Über die Umstände des Interviews mit dem Journalisten Heinz van Nouhuys, der Playboy 1972 nach Deutschland gebracht und den Slogan „Alles, was Männern Spaß macht“ erfunden hatte, wissen wir heute wenig. Waren Sie damals in den ersten Redaktionsräumen in München?
Ich weiß nur noch, dass wir in der Nähe der Amalienstraße in Schwabing in einem Bistro gesessen haben mit ein paar Redakteuren und deren Ehefrauen und die halbe Nacht getrunken haben. Ob da auch das Interview stattfand? Ich bin mir nicht sicher. 50 Jahre ist eine sehr lange Zeit. An Heinz van Nouhuys erinnere ich mich aber gut.
Sie fanden das Gespräch anstrengend, haben wir gelesen.
Ja, das stimmt. (Lacht)
Weil Nouhuys so kritisch nachbohrte? Was war er für ein Mann?
Sehr charmant. Ob gut aussehend, kann ich nach einem halben Jahrhundert nicht mehr sagen. Aber man musste vorsichtig sein mit ihm. Man musste sehr aufpassen. Er hat immer geschaut, dass er eine Schwachstelle findet. Deshalb fielen meine Antworten auch so scharf aus. Aber damals musste die Diskussion so scharf geführt werden. Wenn ich mich nicht verteidigt hätte, hätte man mich gelyncht. Apropos „dumme Frauen“: Ich habe damals geschrieben, dass Männer und Frauen mit gleich viel Intelligenz geboren werden – die Frauen die ihre jedoch verkümmern lassen. Eine sekundäre Verdummung.
Sie mussten Ihre Thesen recht konfrontativ verteidigen. Heute ist Ihre und unsere Welt friedlicher, oder?
Manche haben noch immer Wut auf mich. Andere schreiben, man solle mich zum Idol der Feministinnen ernennen, weil alles so eingetreten ist, wie ich es gewünscht habe.
Esther Vilar im Playboy-Interview: „Es musste von einer Frau gesagt werden, ein Mann hätte das gar nicht sagen können“
Alice Schwarzer nannte Ihre Streitschrift „Der dressierte Mann“ letztes Jahr noch in einer Talkshow einen „Kübel Scheiße“, der damals über die Frauen und die Frauenbewegung ausgegossen worden sei.
Das habe ich nicht gehört. Aber der Dünger hat der Bewegung zumindest gutgetan, sie ist damit gewachsen.
Sie haben Frau Schwarzer mit dem Streitgespräch, das Sie 1975 im WDR führten, zu großer Prominenz verholfen. Haben Sie in den Jahren danach ihre Karriere verfolgt?
Ich habe meistens in anderen Ländern gelebt. Und es gibt ja in jedem Land so eine führende Feministin. Die habe ich alle ein bisschen kennengelernt. Ich hatte einmal mit Germaine Greer (australische Feministin, d. Red.) eine wunderbare Diskussion bei BBC, die hat zwei oder drei Stunden gedauert. Und das war wirklich eine faire Diskussion zwischen zwei Frauen. Sie hat ihre Ideen verteidigt, genau wie ich. Ich habe die größte Achtung vor dieser Frau. Es war ein sehr gutes Gespräch.
Und Ihr Auftritt mit Alice Schwarzer 1975?
Nein, das war kein richtiges Gespräch.
Aber Frau Schwarzer ist auch keine jener im „dressierten Mann“ adressierten Frauen, denen Sie Bequemlichkeit und Untätigkeit vorwarfen.
Nein, die tut was! Die ist fleißig. Sehr fleißig! Da habe ich nichts zu kritisieren.
Bereuen Sie es im Nachhinein manchmal, dass Sie die Frauen so hart angegangen sind und ihr Eheleben als Prostitution – kurz gesagt: Sex gegen Vollpension – bezeichnet haben? Würden Sie es noch einmal so schreiben?
Ich würde es nicht mehr so schreiben, aber ich bin froh, dass ich es geschrieben habe. Denn es musste von einer Frau gesagt werden, ein Mann hätte das gar nicht sagen können. Ich hatte mich geschämt für die Frauen, für mich auch, dass wir das so machen. Und ich habe gehofft, dass andere Zeiten kommen, in denen wir das nicht mehr machen. Deshalb war es gut, das so drastisch zu beschreiben, das haben sich die Frauen und Männer gemerkt. Aber nicht mit Sympathie, das ist ganz klar.
Können Sie gut damit leben, wenn Sie gehasst werden?
Ab und zu kommt zum Glück immer mal wieder jemand, der mich sympathisch findet, und dann geht’s wieder (lacht). Aber ich habe jetzt schon so viel geschrieben, ich habe so viele Bühnenstücke geschrieben, ich lebe heute in einer ganz anderen Welt. Ich habe jahrelang auch keine Interviews mehr zum Thema Frauen gegeben.
Sie haben 21 Theaterstücke, 13 Sachbücher und fünf Romane geschrieben. Zeitungen, die die Aufführungen Ihrer Bühnenstücke ankündigen, versehen Ihren Namen aber weiter gern mit dem Zusatz „die Antifeministin“. Sind Sie nicht eigentlich vielmehr Feministin?
Ich fange langsam an, mich als Feministin zu sehen. Ich habe mich früher nicht so bezeichnet. Eigentlich nie. Aber dann denke ich, ja, was ich gemacht habe, das war ja eigentlich für beide Geschlechter. Und dann denke ich, dass ich eine Art, eine ganz seltsame Art von Feministin sein könnte. Ich freue mich jedenfalls über jede neue Frau, die im Fernsehen erscheint in einem großen Amt, und denke: Ja, das können wir auch!
Esther Vilar im Playboy-Interview: „Den dressierten Mann gibt’s schon noch“
Und der dressierte Mann – ist der aus Ihrer Sicht mittlerweile ausgestorben?
Nein, den gibt’s schon noch. Es gibt wahrscheinlich viele Frauen, die noch auf die alte Weise ihre Kinder erziehen – mit Sätzen wie „ein Junge weint nicht“ und so weiter. Aber es kommt aus der Mode.
In Ihrem Buch „Das Ende der Dressur“ sagten Sie 1977 voraus, dass eines Tages, wenn Männer wie Frauen arbeiten und Männlichkeit nicht mehr durch beruflichen Erfolg definiert werde, der Mann wieder viriler, männlicher werden könne.
Ja genau.
Nun sind wir so weit, aber klassische Männlichkeit ist trotzdem nicht gefragt, im Gegenteil: Sie gilt als toxisch, und die Männer sollten sich mehr ein Beispiel an Frauen nehmen, über Gefühle reden, sich besser pflegen …
So etwas wird vielleicht auch von den Zeitungen in Mode gebracht, die Journalisten haben eine enorme Macht über diese Entwicklung. Aber eigentlich sind doch die Männer heute, die sich nicht versklaven, bereits viriler als andere. Es wird nun eine andere Art von Männern heranwachsen. Und dabei kommt es natürlich auch auf den Geschmack der Frauen an. Ich weiß nicht, was die Frauen im Augenblick wollen. Ausschlaggebend ist, dass die Kinder jetzt oft schon von beiden, Frauen und Männern, erzogen werden.
Unsere jungen Kolleginnen in der Redaktion stehen tatsächlich eher auf einen effeminierten Typ Mann, der sich seiner weiblichen Seite bewusst ist und sie auch zeigt.
Na ja, vielleicht kommen ein paar Rilkes dabei heraus. Das wäre ja auch nicht schlecht. Aber ich persönlich finde einen Mann, der sich schminkt, wirklich unmöglich. Dadurch wäre für mich ein großer erotischer Reiz der Männer verdorben (lacht).
Gleichzeitig scheint unsere Gesellschaft die klassisch männlichen Helden wieder dringend zu benötigen. Wenn man sieht, wie in der Ukraine die Männer in den Krieg ziehen, um zu kämpfen, während die Frauen mit den Kindern das Land verlassen – dann erinnert das stark an die Thesen, die Sie vor fünf Jahrzehnten formuliert haben: Die Frauen suchen sich die schöne Arbeit aus, während sie die Männer die gefährliche machen lassen.
Ja, die Männer haben mal wieder den schwereren Job, die müssen dableiben, zum Töten oder zum Sterben, und die Frauen dürfen weg. Dass das ungerecht ist, lese ich wieder mal in keiner der Diskussionen. Aber irgendjemand muss uns schließlich verteidigen in der Ukraine. Wie soll man das anders machen? Es gibt wahrscheinlich auf die Schnelle keine andere Lösung.
Sie meinen, in diesem Fall ist das Verhältnis von der Natur vorgegeben?
Die Männer haben mehr Kraft, das schon. Allerdings sind die Frauen aufgrund der Menstruation besser an Blut gewöhnt. Es ist also nicht so, dass die Männer generell viel besser für den Krieg vorbereitet sind als die Frauen. Und Kraft braucht man für die modernen Waffen von Tag zu Tag weniger.
In den 70er- und 80er-Jahren haben Sie immer wieder gefordert, dass auch Frauen zum Militärdienst verpflichtet werden.
Ja, ich habe dazu sogar verschiedene politische Kampagnen gemacht.
Esther Vilar im Playboy-Interview: „Ich schaue mit Genuss zu, wie die Frauen ein bisschen anders leben als vorher“
1972 haben Sie den Wahlkampf der FDP unterstützt. Haben Sie eigentlich mal darüber nachgedacht, ganz in die Politik zu gehen?
Nee, das könnte ich nicht. Dafür bin ich zu bequem, da muss man wahnsinnig viel arbeiten. Die haben ja keinen Samstag, keinen Sonntag, überhaupt nichts. Und ich werde nicht so gern fotografiert (lacht).
Wir würden gerne noch einmal auf die Frauenrechtsbewegung zurückkommen. Gibt es junge Feministinnen von heute, die Ihnen imponieren und deren Weg Sie verfolgen?
Ich kenne keine. Ich lese fast nichts mehr über Feminismus, wenn es geht, ich schreibe gerne fürs Theater, das möchte ich im Moment beibehalten, und ich schaue mit Genuss zu, wie die Frauen, eine nach der anderen, ein bisschen anders leben als vorher. Ich bin sehr glücklich über diese Veränderung. Und ich denke, ich habe vielleicht ein kleines bisschen dazu beigetragen. Nicht viel, aber ein kleines bisschen. Auch wenn das die etablierten Feministinnen im Augenblick nicht zugeben wollen.
Schmerzt es mit diesem Wissen nicht, dass es für Alice Schwarzer, Ihre Kontrahentin von einst, über die letzten Jahrzehnte hinweg Preise geregnet hat, während Ihnen selbst solche Ehrungen verwehrt blieben?
Ach, ich habe genug Geld verdient – da habe ich überhaupt nicht nach Preisen geschaut. Manchmal haben Leute sogar in Zeitungen geschrieben, wie kann das sein, dass die Frau Vilar noch keinen einzigen Literaturpreis gekriegt hat? Aber das ist eben so gekommen. Und dann hat mir eine Kirchenorganisation in der Schweiz meinen ersten Preis verliehen, einen Wirtschaftspreis für das Arbeitszeitverkürzungsmodell, das ich entworfen habe. Es ging darum, die Arbeitszeiten so zu reduzieren, dass Männer und Frauen gleichermaßen arbeiten, und zwar nur noch fünf Stunden am Tag. Dieser Preis war natürlich auch was Besonderes (lacht).
Vor einigen Jahren haben Sie in einem Interview erklärt: Ohne Feministinnen gäbe es heute keine Machos mehr. Wie genau meinen Sie das?
Dass die Machos die Feministinnen mehr brauchen als die Frauen. Darüber habe ich auch schon im „Dressierten Mann“ geschrieben (holt aus dem Nebenraum eine alte Ausgabe des Buches, schlägt es zielstrebig auf und zitiert): „Gerade die aggressivsten Frauenrechtlerinnen arbeiten der bestehenden Ordnung in die Hand, weil sie die Letzten sind, die die Männer noch so beschreiben, wie sie sich selbst gern sähen. Ohne ihre unermüdlichen Anklagen gäbe es den Macho nur noch im Kino.“
Wobei sogar James Bond mittlerweile entmachismiert ist, wenn man das so sagen kann.
Da kommen immer wieder neue! Die brauchen wir. Je weniger es von ihnen gibt, desto mehr braucht man sie im Kino, zum Träumen. Und zwar beide Geschlechter.
Allerdings gibt es Ausprägungen dieser Verhaltensweisen, die weit über den Machismo zum Träumen hinausgehen. Der Sexismus etwa, der in den MeToo-Skandalen der letzten Jahre ans Licht kam.
Ja, natürlich, MeToo war wichtig, auch für die Männer. Es ist wichtig, dass man da gründlich Grenzen definiert. Aber Vorsicht, denn es werden auch immer wieder die falschen Leute überführt für Sachen, die sie nicht getan haben.
Meinen Sie einen der prominenten Fälle der letzten Jahre?
Nein, aber man liest immer mal wieder, dass ein unschuldiger Mann in eine Falle geraten ist. Und trotzdem kann man deswegen nicht aufhören, diesen Sachen nachzugehen, denn erzwungener Sex ist wirklich eine gigantische Grausamkeit.
Ihr eigentliches und zentrales Thema ist die Freiheit, beginnend mit der Frage, warum wir uns immer in Unfreiheit stürzen, von einer Bindung in die nächste, und in Systemen leben wollen, die uns beschränken. Was würden Sie im Rückblick auf Ihr bisheriges Leben sagen: Ist es als junger Mensch oder als alter Mensch einfacher, frei zu sein?
Für einen alten Menschen ist – außer dem Gesundbleiben – eigentlich so gut wie alles einfacher. Ich finde es sehr schön, alt zu werden. Als junger Mensch sucht man mehr nach einer Rolle, man wird von vielen verschiedenen Einflüssen bewegt. Im Alter ist das nicht mehr so schlimm, man hat schon seine eigenen Ideen, was gut für einen ist oder nicht. Für mich war es einfacher, alt zu sein als jung.
Frau Vilar, ein Rat von Ihnen an die jungen Kerle von heute: Woran merkt man, dass man von einer Frau dressiert wird? Welche Erkenntnis kann man dazu seinem Sohn mit auf den Weg geben?
Er soll aufpassen! (Lacht) Mehr kann er nicht. Und wenn er dressiert ist und glücklich – so what?
Das ist jetzt aber ein Zitat, das man sich aus Ihrem Mund in den Siebzigern nicht hätte vorstellen können.
Heute kann ich solche Sachen sagen, weil ich weiß, dass die Zeiten andere geworden sind – jetzt kann er gar nicht mehr so tief fallen. Die Rahmenbedingungen sind anders, und die Gefahr ist viel geringer, dass es jungen Männern heute so schlecht gehen könnte wie ihren Vätern und Vorvätern. Deswegen: So what?