Der erste Indiana-Jones-Film kam vor über 40 Jahren ins Kino. Wie kann diese Figur im Zeitalter der Superhelden noch populär sein?
Viele Leute sind mit Indiana Jones aufgewachsen und wollen sein nächstes Abenteuer erleben. Sie lieben einfach diese Figur. Und zwar weil sie kein Superheld ist. Indiana Jones hat Schwächen, er macht Fehler. Er trägt Blessuren davon, und jetzt ist er auch noch alt. Abgesehen davon haben seine Geschichten Realitätsbezug. Da geht es um historische Ereignisse und archäologische Entdeckungen, was das Ganze viel interessanter macht.
Sie haben das Thema Alter gerade angesprochen. In einer berühmten Dialogzeile aus „Jäger des verlorenen Schatzes“ von 1981 sagt Indiana Jones: „Das sind nicht die Jahre, das ist Materialverschleiß.“ Wie ist es beim heute 80-jährigen Harrison Ford darum bestellt?
Harrison ist erstaunlicherweise immer noch derselbe wie früher. Bei der Kostümanprobe war er sehr stolz, als ihm die Hosen aus „Jäger des verlorenen Schatzes“ immer noch passten. Das zeigt, wie fit er heute noch ist. Er bewegt sich vielleicht nicht mehr ganz so schnell. Aber bei seinen Stunts zeigt er vollen Einsatz.
Haben Sie sich keine Sorgen gemacht, dass er das nicht mehr stemmen könnte?
Nein, denn meine Frau (Kathy Kennedy, die die für „Indiana Jones“ zuständige Produktionsfirma Lucasfilm leitet, d. Red.) und ich sehen ihn ständig. Und er spielt viel mehr Tennis als ich.
Mussten Sie ihm bestimmte Stunts ausreden?
Das kam nicht vor. Es ist höchstens mal passiert, dass er gesagt hat: „Ich kriege es nicht hin, diesen Stunt zum vierten Mal zu wiederholen.“ Dann haben wir eben ein Double genommen. Aber wir konnten alle Sequenzen mit ihm umsetzen, die wir geplant hatten.
Beim vierten Film, „Das Königreich des Kristallschädels“, hatten Sie den von Shia LaBeouf gespielten Sohn von Indiana Jones eingeführt. Warum kommt der jetzt nicht mehr vor?
Ich kann mich nicht mehr an die Details erinnern, weil sich das Drehbuch ständig weiterentwickelt hat. Steven (Spielberg), George (Lucas), Kathy und ich haben uns vor etwa fünf Jahren entschlossen, uns auf Indy zu konzentrieren. Es war zu mühselig, eine Geschichte für zwei Hauptfiguren zu schreiben.
Warum sind eigentlich seit dem letzten Film 15 Jahre vergangen?
Weil diese Geschichten so schwer zu entwickeln sind. Wir wollen uns ja nicht wiederholen oder andere Geschichten aufwärmen. Es ist wichtig, den „MacGuffin“ zu finden, also das Objekt, hinter dem Indy her ist. Wir wollten auch sein Alter thematisieren und auch noch eine Zeitperiode finden, die sich für die Geschichte eignet. Außerdem musste das Zusammenspiel der Charaktere funktionieren. Wir hatten mehrere Ideen, und schlussendlich haben wir eine gefunden, mit der wir alle einverstanden waren. Aber das dauert nun mal. Wenn es leichter wäre, gäbe es schon 25 „Indiana Jones“-Filme.
In den letzten Jahren hat sich in unserer Gesellschaft viel getan. Gleichberechtigung spielt eine viel größere Rolle als vorher. Wie spiegelt sich das in der Geschichte wider?
Wir hatten auch vorher schon starke Frauen, insbesondere Marion Ravenwood in „Jäger des verlorenen Schatzes“ und „Das Königreich des Kristallschädels“. Aber mit der Figur von Phoebe Waller-Bridge haben wir jetzt eine Person, die noch unabhängiger ist als die Frauen vor ihr. Sie ist Indys Patentochter und spielt in der Geschichte eine entscheidende Rolle. Sie ist nicht einfach nur eine Beifahrerin auf der Reise, sondern treibt das Geschehen selbst mit an.
Andere Veränderungen gab es auf der technologischen Seite. Ist „Indiana Jones“ auch so ein digitales Spektakel wie die ganzen Superheldenfilme?
Die Technologie ist und bleibt ein Instrument, sie ist nicht die Lösung. Regisseur James Mangold wollte den Film unbedingt in der Tradition der bisherigen Abenteuer drehen. Ja, wir haben digitale Effekte eingesetzt, wo nötig. Aber gleichzeitig haben wir die klassischen Bestandteile der Indiana- Jones-Abenteuer beibehalten. Wir haben viele Action-Sequenzen mit echten Auto-Rikschas, Autos, Booten und Flugzeugen. Und wir haben in den verschiedensten Ländern gedreht.
Sie selbst haben bei allen „Indiana Jones“-Filmen unzählige logistische Herausforderungen gemeistert – haben für eine Szene in „Der Tempel des Todes“ sogar massenweise Käfer gezüchtet. Wie schwer war’s diesmal?
Das größte Problem war die Pandemie. Es war wirklich hart, ständig eine Maske zu tragen. Du kannst die Leute, mit denen du so gerne zusammenarbeitest, nicht richtig sehen. Auch wenn die Crews im Vergleich zum ersten Film gigantisch geworden sind, ist das Kernteam immer noch eine richtige Familie. Wir mussten Drehorte streichen und das Skript umschreiben, weil uns manche Länder nicht reingelassen haben. Wir waren dann auf Sizilien, in Marokko und in Schottland. Und wenn du so eine Riesenmaschinerie von einem Land ins andere bringen musst, ist das enorm schwierig.
Sie selbst sind 76, Harrison Ford ist bald 81, Steven Spielberg hat im Alter nur noch produziert und nicht mehr inszeniert. Erfüllt Sie das mit Wehmut, weil das wohl der letzte Ausflug mit Indiana Jones war?
Es erfüllt mich mit Nostalgie. Auch aus dem Grund, weil „Jäger des verlorenen Schatzes“ meine erste Zusammenarbeit mit Steven, George und Harrison war. Außerdem habe ich damals beim Dreh Kathy kennengelernt. Dieses Gefühl von Familie, von dem ich gerade gesprochen habe, geht auf diese Zeit zurück. Am letzten Drehtag saßen wir zusammen und sagten uns: „Junge, was hatten wir für einen Lauf mit diesen Filmen! Ist es nicht fantastisch, dass wir jetzt noch einen gedreht haben?“
Haben Sie Bedenken, dass die TikTok-Generation eventuell nicht die Aufmerksamkeitsspanne für so ein Epos mitbringt?
Ich mache mir keine großen Sorgen, denn ich denke mir, dass die Eltern dieser Kids sagen werden: „Ich bin mit den ersten drei ,Indiana Jones‘-Filmen in den 80ern groß geworden, und jetzt nehme ich dich in den neuen mit, und der wird dich genauso begeistern wie mich die Filme damals. Denn die Elemente sind immer noch die gleichen.“
Wir hatten uns zum Start des vierten Teils unterhalten. Damals meinten Sie, die Chancen auf einen fünften seien „sehr gering“. Wie wäre es mit einem sechsten?
Tut mir leid, das war’s jetzt.
Und wenn „Das Rad des Schicksals“ ein noch größerer Erfolg wird als erwartet und Harrison Ford nicht abgeneigt sein sollte?
Hat nicht mal Sean Connery gesagt, „Sag niemals nie“? Aber ich wäre völlig glücklich damit, wenn wir auf dem Höhepunkt dieses fünften Teils abtreten.
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