Man ist natürlich gewarnt. „Den Rabauken im Kaschmirmantel“ hat der Playboy José Mourinho mal genannt. Ein Typ mit Eleganz und Erfolg, aber auch mit Ego und Emotionen. Zum Video-Interview kommt er ein paar Minuten zu spät, was die Spannung noch etwas steigen lässt. Und dann? Sitzt da ein sehr lässiger Señor Mourinho, ganz Gentleman, null Grantler, ein Charismatiker in Trainingsjacke. Nach fünf Minuten will man in seinem Team spielen.
Playboy: Herr Mourinho, wer sind für Sie die Favoriten bei der EM?
Die Geschichte zeigt: Überraschungen sind selten. Ich war selbst noch ein junger Mann, als Dänemark damals dieses verrückte Turnier 1992 gewann. Frankreich ist Weltmeister, Portugal Titelverteidiger, sie sind also beide Titelkandidaten. England absolviert bei dieser EM viele Spiele zu Hause und hat die stärkste Liga der Welt, das Team gehört also auch zu den Favoriten. Spanien verfügt über unglaubliches Talent, Italien hat traditionell ein sehr wettbewerbsfähiges Team, Belgien ist äußerst stark – und Deutschland ist Deutschland. Das sind also auch alles Titelanwärter. Hinzu kommen die Außenseiter mit Potenzial: Kroatien, Polen. Vorhersagen sind immer schwer, aber ich denke, eines der genannten Teams holt den Titel.
Was denken Sie über das deutsche Team?
Die Entscheidung von Löw und dem Verband, nach dem Turnier getrennte Wege zu gehen, wird vermutlich einen positiven Effekt haben. Er wird weniger Druck haben und mit einem letzten Höhepunkt abtreten wollen, und ich denke, er hat die Spieler dabei hinter sich. Mit Bierhoff hat Deutschland auch einen großartigen Sportdirektor. Ich denke, in dem Job, den er macht, gibt es keinen besseren. Und was die Spieler betrifft, habt ihr ein paar großartige junge Talente und grundsätzlich ein Team mit unglaublicher Mentalität. Und die spielt bei solchen Turnieren immer eine große Rolle. Ich glaube, Sie wissen, was mit „Deutschland ist Deutschland“ gemeint ist.
Sie haben Teams in Portugal, England, Italien und Spanien trainiert. Im Juli kehren Sie nach Italien zurück, wo Sie AS Rom übernehmen. Können Sie sich vorstellen, eines Tages auch in Deutschland zu arbeiten?
Ja, aber die Tatsache, dass ich kein Deutsch spreche, macht mir bei diesem Gedanken ein bisschen zu schaffen. Freunde sagen mir, das wäre kein Problem, weil jeder in den deutschen Fußballclubs heute Englisch spricht. Aber so bin ich nicht. Es geht bei der Sprache nicht nur um die Kommunikation im Team und im Club, es geht auch um Respekt – vor dem Verein, vor dem Land. Bevor ich zum ersten Mal nach Italien wechselte, wollte ich die Sprache fließend können. Bevor ich nach Spanien ging, war es genauso. Sollte ich also jemals nach Deutschland wechseln, müsste ich mich vorher anstrengen und die Sprache lernen. Als ich vor meiner Zeit bei Tottenham Hotspur eine Weile nicht arbeitete, habe ich das sogar schon mal probiert.
Wirklich?
Ich hatte viel freie Zeit und wusste nicht, ob ich in zwei Wochen wieder arbeiten würde oder in zwei Monaten. Also dachte ich: warum nicht? Ich kaufte die Bücher und begann mit den Unterrichtsstunden. Aber nach drei Wochen übernahm ich Tottenham. Also hörte ich auf.
Gab es während Ihrer Karriere Phasen, in denen Sie das Gefühl hatten, besonders viel über den Trainerjob zu lernen?
Als Trainer lernst du jeden Tag: bei der Vorbereitung jeder Trainingseinheit genauso wie bei der Nachbereitung. Du lernst aus Siegen und Niederlagen, aus der Analyse deiner Gegner und aus dem täglichen Umgang mit Spielern, Mitarbeitern, Presseleuten, dem Club-Präsidenten, dem CEO und so weiter. Trainer zu sein ist eine 24-Stunden-Erfahrung, du erlebst unglaublich viel, über das es sich zu reflektieren lohnt, und ich lerne jeden Tag etwas Neues.
Gibt es einen Rat, den Sie einem Trainer mitgeben würden, der am Beginn seiner Karriere steht?
Nur dies: Jeder Tag wird dich auf den nächsten vorbereiten. Es ist ein Lernprozess.
Wissen Sie heute etwas über den Trainerjob, das Sie gern schon zu Beginn Ihrer Karriere gewusst hätten?
Nicht wirklich. Ich denke, die Erfahrungen und Fehler, die du während dieses Marathons machst, sind Teil des Wachstumsprozesses. Und etwas zu bereuen hilft dir im Fußball sowieso nicht. Der Einzige, der im Fußball einen Fehler rückgängig machen kann, ist der Schiedsrichter. Wenn du als Spieler am Tor vorbeischießt oder als Trainer einen falschen Wechsel machst, dann war’s das.
Hätten Sie manchmal gern Ihre Aussage bei der Antritts-Pressekonferenz in Chelsea 2004 rückgängig gemacht, die Ihnen den Spitznamen „The Special One“ eingebracht hat?
Ich wiederhole das seit Jahren: Ich habe damals nicht gesagt, ich sei „the special one“, sondern „a special one“. Das ist ein riesiger Unterschied. „The special one“, das ist ein einziger, aber „a special one“, davon kann es Tausende geben. Die Presse machte die Aussage größer, als sie war.
Was wollten Sie mit dem Satz ausdrücken?
Als ich damals nach Chelsea kam, hatte ich kurz zuvor mit Porto die Champions League gewonnen. Und ich hatte das Gefühl, die Reporter stellten zu viele Fragen, die damit zu tun hatten, wie ich mit der Premier League zurechtkommen würde. Also wollte ich ihnen sagen: Hey, beruhigt euch, ich werde mit der Premier League zurechtkommen, ich habe gerade mit einem portugiesischen Team die Champions League gewonnen, was wirklich etwas Besonderes ist, ich bin „a special one“. In Wahrheit war das eine defensive Antwort, keine arrogante.
Der Spitzname, der aus Ihrer Aussage resultierte, ist seitdem Teil Ihrer Marke geworden. Ihr Sponsor Hublot hat sogar eine Uhr namens „The Special One“ herausgebracht.
Ja, ich liebe diese Uhr. Sie ist wirklich ein Teil von mir geworden, ich trage sie fast täglich und nehme sie nur ab, wenn ich zu Bett gehe.
Warum haben Sie sich für Hublot entschieden?
Heute weiß ich etwas mehr über die Geschichte der Marke und die Technologie, die in den Uhren steckt, aber damals war es schlicht so: Die Uhren gefielen mir. Ich hatte schon, lange bevor wir Partner wurden, zwei oder drei Uhren von Hublot, weil ich mir jede Saison eine neue kaufte. Irgendwann kontaktierte mich dann jemand von Hublot und fragte, ob wir zusammenarbeiten möchten. Seitdem trage ich keine anderen Uhren mehr. Sie haben als Trainer fast alles erreicht.
Gibt es ein großes berufliches Ziel, das Sie noch haben?
Ja. Sie können diese Antwort jetzt doof oder tiefgründig finden, aber sie lautet: Ich will mein nächstes Spiel gewinnen. Ich werde in meiner Karriere bald eintausend Spiele gecoacht haben und fühle mich immer noch wie beim allerersten. Damals dachte ich nicht daran, die Champions League zu holen, ich wollte einfach mein erstes Match gewinnen. Ich verlor es. Also war mein Ziel, das zweite zu gewinnen. Und rund tausend Spiele später ist mein Ziel das gleiche: Ich will mein nächstes Spiel gewinnen.
Würden Sie irgendwann einmal gern ein Nationalteam trainieren?
Ja, absolut. Ich habe nie an einer EM oder WM teilgenommen. Es ist ein völlig anderer Job als der des Clubtrainers. Nicht besser oder schlechter, einfach anders. Deine täglichen Aufgaben, die Art, wie du dein Team führst, die Wettkampfvorbereitung. Ich weiß nicht, wann oder wo, aber ich möchte diese Erfahrung irgendwann machen.
Es muss also nicht unbedingt Portugal sein?
Es muss nicht Portugal sein. Alles ist möglich.