Nacktes Paar küsst sich im Bett
Nacktes Paar küsst sich im Bett
Sa., 21.01.2023
Sex & Lust

Schluss mit Klischees: Eine Expertin klärt die 8 größten Porno-Mythen

Jeder macht es, aber zu wenige sprechen darüber. Das betrifft Masturbation ebenso wie Sex, und Sex ebenso wie das Pornoschauen. Die Folge: Der fehlende Austausch befeuert Klischees und Stereotype – und sorgt dafür, dass stinknormale Teile des Lebens noch immer in der Tabuzone (wenn nicht sogar in der Schmuddelecke) stecken. Total verschenkt, oder? Gemeinsam mit Pornoproduzentin, -darstellerin und lustery.com-Gründerin Paulita Pappel klären wir hier – ein für alle Mal – die 8 häufigsten Vorurteile über Pornos.

Paulita Pappel kennen Sie vielleicht aus dem Öffentlich-Rechtlichen: Für die Late-Night-Show „ZDF Magazin Royale“ des Satirikers Jan Böhmermann produzierte die Spanierin den ersten öffentlich-rechtlichen Porno. Zu sehen gibt's den auf lustery.com – der Pornoplattform, die sie mitgründete. Wenn dort nicht gerade die Medienbranche aufgemischt wird, geht's auf lustery.com vor allem um „homemade porn“. Also um Pornos, die von Privatpersonen in ihrem echten Sexleben aufgenommen werden. „Dokumentarische Pornografie“ nennt Paulita Pappel, die auch selbst Pornodarstellerin ist, das Genre, das sie hiermit geschaffen hat. Man kann sagen: Die 35-Jährige setzt alles daran, Pornografie zu revolutionieren, um sie endlich zu normalisieren. Hier erklärt sie uns, warum das nötig ist – und welche Klischees, welche Vorurteile und welches Schubladendenken noch immer in unseren Köpfen stecken. 

1. Klischee über Pornos: Die unrealistische Darstellung von Sex fördert Komplexe

„Pornografie ist in erster Linie ein Unterhaltungsprodukt, genau wie ein Horror- oder ein Actionfilm. Es ist sehr komisch, dass es bei uns diesen Anspruch gibt, eine ganz authentische, erzieherische und pädagogische Darstellung von Sexualität anzubieten“, sagt Paulita Pappel. „Das erwarten wir ja auch von keinem Actionfilm. Wir gucken uns ja keinen James-Bond-Film an und sagen ‚um Gottes Willen, der fährt mit 200 km/h durch die Stadt. Das ist ja völlig unrealistisch, da würde doch die Polizei kommen‘.“ Sie findet, dass wir uns durch diese Denkweise selbst verkindlichen: „Als wären wir nicht in der Lage, zwischen Fakt und Fiktion zu unterscheiden.“

2. Klischee über Pornos: In Pornos werden Frauen erniedrigt

„Wir denken über Sex oft, das Männer ihn wollen und Frauen ihn haben und geben können. Das ist ein total überholtes Bild von Sexualität. Aber wenn wir über eine erniedrigende sexuelle Praxis reden, dann meinen wir genau das“, erklärt die Pornoproduzentin. Sie stellt die Frage, was eine erniedrigende Praxis überhaupt sein soll. „Warum sollte irgendeine sexuelle Praxis erniedrigend sein? Dieser Gedanke ist ja absurd. Nichts ist an sich sexistisch oder erniedrigend, wenn zwei Menschen etwas im gegenseitigen Einvernehmen machen. Allein die Idee, dass es beispielsweise erniedrigend sein sollte, wenn ein Mann einer Frau ins Gesicht spritzt, hat mit der veralteten Idee von Sexualität zu tun, in der Frauen im generellen sexuellen Kontext erstmal Opfer sind. Das stimmt so nicht. Frauen haben unterschiedliche sexuelle Vorlieben. Manche wollen stundenlang beim Tantra meditieren und so zum Orgasmus kommen und manche wollen, dass man ihnen ins Gesicht spritzt. Beides ist völlig okay, solange es einvernehmlich passiert.“ 

nackte Frau auf Küchentresen
Wer davon ausgeht, dass Frauen in Pornos diskriminiert werden, spricht ihnen eine Selbstbestimmheit über ihre eigene Sexualität ab
Credit: Lustery

3. Klischee über Pornos: Pornografie fördert ungesunde Idealbilder von Körpern

 „Natürlich zeigt ein Großteil der Pornografie bestimmte Körperideale, genau wie Hollywood-Filme es auch tun“, sagt Paulita Pappel. „Aber die Pornografie hat schon immer viel mehr Diversität gezeigt als jedes andere Medium, weil der größte Teil von Pornos einfach selbstproduzierte Pornografie ist: Hier sieht man seit jeher sämtliche Körper, Hautfarben, sexuelle Orientierungen und Identitäten.“ Dass Pornografie so normiert wäre, würden nur Leute sagen, die keine Pornos schauen, sagt Paulita Pappel. „Wenn ich ‚Porno‘ google und mir die ersten fünf Bilder ansehe, klar. Aber wenn ich ‚romantische Komödie‘ google und die ersten Bilder anschaue, dann sehe ich auch nur blonde, dünne Frauen.“

4. Klischee über Pornos: Pornodrehs sind zwielichtig

Paulita Pappel produziert faire und ethische Pornos. „Das bedeutet genau das, was es in anderen Branchen auch bedeutet: Dass die Arbeitsbedingungen sicher sind, eine faire Bezahlung erfolgt sowie Kommunikation und Transparenz durchgehend sichergestellt werden. Das ist absoluter Standard für die Pornoindustrie und keine Nische, in der ich mich bewege. Was ich aber darüber hinaus mache: Vor dem Dreh suche ich ein Gespräch, in dem man nochmal Grenzen, Wünsche und Vorlieben der Darsteller abfragt. Ich komme nicht mit einem fertigen Konzept ans Set, sondern entwickle es mit den Darstellern gemeinsam.“

5. Klischee über Pornos: Pornos versauen Jugendliche

„Das Problem ist nicht die Pornografie. Das Problem ist, dass die Jugend mit ihr alleine gelassen wird“, findet Paulita Pappel. „Das geht so weit, dass sich Erzieher in einer Grauzone bewegen, wenn sie über Pornografie reden: Wenn ein Erzieher erklärt, was Pornhub ist, könnte er Schwierigkeiten mit dem Jugendschutz und den Eltern bekommen. Das muss man sich mal vorstellen: Der Jugendschutz, der eigentlich die Jugend schützen sollte, verhindert, dass sie eine vernünftige Aufklärung über Pornografie bekommt.“ 

6. Klischee über Pornos: Wer Pornos guckt, schadet seiner Beziehung 

Vor allem in monogamen Beziehungen leben Menschen mit dem Gedanken, sich sexuell nur mit einer Person zu beschäftigen. „Die Idee, dass das Pornoschauen ein Zeichen dafür sein soll, dass der Sex nicht gut ist oder nicht reicht, ist total schädlich“, findet Paulita Pappel. „Denn, wenn man eine gesunde sexuelle Beziehung haben möchte, muss man auch mit sich selbst eine gesunde Sexualität pflegen. Die Idee, dass Masturbation und Pornos der Beziehung schaden könnten, schadet eigentlich nur der gesunden Herangehensweise an Sexualität und führt auch dazu, dass Menschen nicht offen über ihren Pornokonsum reden. Was in meinen Augen viel schädlicher für eine Beziehung ist: Zu lügen, wenn es ums Pornoschauen geht.“

Die Porno-Expertin beobachtet, dass es sogar von Vorteil sein kann, offen mit der Partnerin oder dem Partner über Sex, Masturbation und Pornos zu reden: „Pornografie kann den Dialog fördern. Gerade, wenn man etwas sieht, was man vielleicht mit der Partnerin ausprobieren möchte. Man kann auch gemeinsam Pornos schauen und sich so Inspiration holen.“

Paar in Unterwäsche
Sex-Expertin Paulita Pappel findet: Pornoschauen schadet einer Beziehung nur dann, wenn man seinen Partner oder seine Partnerin dahingehend anlügt. Gemeinsames Pornoschauen hingegen kann Horizonte erweitern
Credit: Lustery

7. Klischee über Pornos: Was man guckt, verrät, was man will

„Es gibt einen ganz einfachen Grundsatz: Fantasie und Begehren sind nicht das gleiche“, sagt Paulita Pappel. „Man kann eine Fantasie haben, die man aber niemals im realen Leben ausleben möchte.“ Viele seien von ihren Fantasien verwirrt und würden sich fragen, warum sie das anmacht. „Es kann einen alles anmachen, das ist überhaupt kein Problem. Viele Menschen möchten ihre Fantasien aber nicht wahrhaben, weil sie sich beispielsweise bei Erniedrigungen denken: ‚Nee, also ich möchte nicht, dass man mich falsch behandelt.‘ Das möchte niemand. Aber in der Sexualität können eben auch verschiedene Fantasien ausgelebt werden, die gegen unsere gesellschaftlichen und eigenen Werte verstoßen.“

8. Klischee über Pornos: Pornos sind kostenlos 

Nur, weil Pornos kostenlos im Internet zu finden sind, bedeutet das nicht, dass sie das auch sein sollten. „Wenn wir Pornos gucken und nicht bezahlen, haben wir es oft mit Piraterie zu tun. Ich persönlich finde, dass das bei Pornos extra schlimm ist. Klar, es ist eine Urheberrechtsverletzung. Aber wenn ich Piraterie mit Pornos betreibe, kommt das einem Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen gleich“, sagt Paulita Pappel.

„Es gab schon immer Leute, die bereit waren, für Qualität zu zahlen. Und ich glaube, langsam verstehen auch immer mehr, dass das sein muss. Ich glaube, hier hilft auch der Vergleich: Man zahlt für Netflix, für Spotify – wieso nicht auch für Pornografie? Der Musikgeschmack ist es wert, dass man dafür Geld bezahlt – aber der Sex ist nicht? Das ist ja nicht im Einklang mit den sonstigen Lebensentscheidungen.“

Titelbild: Lustery