Fr., 22.04.2016
Genuss

Was taugt der französische Apfelwein "Cidre"?

Es hat ein bisschen was aus den 80er-Jahren, wenn jemand heute einen Cidre bestellt. Moment: vielleicht sogar aus den 70ern? Denn Cidre ist nichts anderes als französischer Apfelwein, der ein wenig perlt. Oder, wenn man es genau nimmt: moussierender Most. Aber ist das leichte Getränk so abgestanden, wie es die deutsche Übersetzung andeutet?

Diese Frage kann man ganz klar mit „Jein" beantworten. Denn anständiger Cidre kommt ausschließlich aus der Normandie. Die französischen Nachfahren der dort gelandeten Wikinger haben einen Apfelwein kultiviert, dem kein anderer auf der Welt das Wasser reichen kann.

Das hat verschiedene Gründe: Der Original Cidre besteht immer aus einer Assemblage regionstypischer Apfelsorten der Normandie: Bedan, Benet Rouge oder Fréquin Rouge, Rambault, um nur einige zu nennen – 48 sind es insgesamt. Diese Sorten entwickeln genau die Mischung aus Süße, Tannin, Säure und Bitterkeit, die ein anständiger Cidre braucht. Das Tannin ist übrigens am wichtigsten.

Das Tannin ist am wichtigsten beim Cidre

Die besten Bäume in der Normandie sind Hochstammbäume. Diese brauchen zwar etwas länger als die kurzen Apfelspaliere, wie es sie bei uns in der Bodenseeregion gibt. Dafür entwickeln sie weitaus mehr Aroma. Stichwort Zeit: Das Klima in der Normandie ist dafür perfekt. Das ozeanische Klima ist stabil, Fröste kommen erst sehr spät im Jahr, sodass die Äpfel bis im November am Baum hängen. Und das bringt Zucker wie Aroma. Auf den Dachböden lassen die französischen Apfelbauern die Früchte dann noch nachreifen.

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Cidre – der Apfel-Champagner

Um das Aroma zu erhalten, läuft auch die Vergärung in Fässern relativ langsam ab: bei 4 bis 15 Grad Celsius (das bedingt eine geringere Reaktionsgeschwindigkeit). Und nun kommt der Trick: Kurz vor der vollständigen Vergärung wird der Most in neue Fässer umgefüllt, der Großteil der Hefe bleibt im alten. Das neue Fass wird luftdicht verschlossen. Das hat zur Folge, dass die Kohlensäure aus der Vergärung des Restzuckers nicht entweichen kann und im Cidre verbleibt.

Das Ergebnis: Der französische Apfelwein perlt ein wenig. Manche Apfelbauern in der Normandie machen dies sogar nach dem„Champagnerverfahren", also als Flaschengärung.

Cidre muss richtig, richtig kalt sein

Aber was macht nun die Qualität aus? Gleich vorweg: Ein lieblicher (doux) Cidre ist nicht per se schlecht – aber für Jungs taugt er eigentlich nicht. Empfehlenswert ist ein trockener (brut), der es dann schon auf einen Alkoholgehalt von fünf Prozent bringt. Der schmeckt besser und macht auch keine Kopfschmerzen. Ein Blick auf das Etikett lohnt sich: Wird dort etwa „deux ans" erwähnt, deutet das auf höhere Qualität hin. Denn Cidre gewinnt mit der Lagerung.

Besonders fein schmecken auch solche, bei denen die Hefe nicht vollständig herausgefiltert wurde. Diese französischen Apfelweine haben ihren eigenen Charakter. Beim Trinken beachten: Ein Cidre muss richtig kalt sein! Also vier bis fünf Grad Celsius. Wer nun also im Lokal den französischen Apfelwein bestellt, beweist nicht nur Mut, sondern durchaus Geschmack.

Titelbild: istockphoto