Kurt Krömer im Interview
Playboy 04/22: Schlager-Königin Michelle
Playboy 2022/04
Magazin

Inhalt

AKTION

Gentlemen’s Weekend: Erleben Sie fürstliche Genüsse im „Schlosshotel Hugenpoet“ in Essen

UPDATE

First Lady: Die schöne Schauspielerin Adria Arjona

Ein guter Monat für: Drift-Freunde und Ästheten

20 Fragen an... „Jackass“-Star Johnny Knoxville 

Pro & Contra: Männer, die tanzen

Reise: Exotische Ziele für Abenteurer

Kolumne: Helge Timmerberg und der Zeitgeist

Tim Mälzer: Der Starkoch über seine Lust an der Provokation und sein liebstes Meeresfrüchterezept

Männerbar: Die besten Rum-Cocktails

Wein des Monats: Der alkoholfreie Mousseux

Stil: Accessoires aus Wildleder 

Playboy-Umfrage: Blondinen weiterhin bevorzugt?

Motor: Testfahrt im neuen Ioniq 5 von Hyundai 

STREITSCHRIFT

Schluss mit dem Männerhass: Unser Autor warnt vor dem Pauschal-Feminismus

REPORTAGE

Der Makler von Sylt: Eric Weißmann verkauft Luxushäuser auf der Sandbank der Superreichen – Ausflug in eine skurrile Insel-Welt

INTERVIEWS

Bill Murray: Der Filmstar über nervige Hollywood-Agenten, griechische Philosophen und sein neuestes Kino-Projekt

Kurt Krömer: Der Komiker erklärt, wie er seine Depression erkannt und besiegt hat

MOTOR & TECHNIK

Mein Schlitten: Marlon Rechberger und sein Alfa Romeo 2000 GTV

BMW i4 M50: Eine Ausfahrt durch Oberbayern mit dem ersten M unter Strom

Max Verstappen: Wie tickt der Formel-1-Champ, 78 der in der neuen Saison Gejagter ist statt Jäger?

TITELSTRECKE

Bevor die Schlagersängerin Michelle das TV-Tanzparkett von „ Let’s Dance“ eroberte, ließ sie uns in Paris ihre schönste Kür sehen – ganz ohne Kostüm ...

EROTIK

Playmate: Unsere Miss April, Laura Schultz, entdeckt sich selbst beim Foto-Shooting neu

Blende Sechs: Die Nudistin Dominika Jandlová zeigt uns, was das ist – die Lust am Nacktsein

STIL

Sneaker-Guide: Welche Modelle angesagt sind, wie der Hype um Top-Linien großer Marken entsteht und wie der Kult zum Investment wird

Pflege: Dunkle Düfte

LUST & LEBENSART

Der beste Sex meines Lebens: Sieben Frauen erzählen von ihren absoluten Höhepunkten

Tagebuch einer Verführerin: Sexkolumnistin Sophie Andresky erklärt, wie Treue funktioniert

KULTUR

Doris Dörrie: Die Regisseurin und Autorin über Rollenklischees, das Reisen als Paar und ihren Kino-Erfolg „Männer“

Literatur, Musik & Serien: Das Beste des Monats

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Di., 22.03.2022
Interviews

„Bist du depressiv, oder war das heute nur ein Scheißtag?“

Vor Publikum ist Kurt Krömer ein brillanter Komiker. Privat litt er lange unter Depressionen. Ein offenes Gespräch über seine Krankheit, an dessen Ende er auch uns ein paar ernste Fragen stellt.

Dass er Unerwartetes tut und so für komische, schräge und nicht selten schmerzhafte Momente sorgt, ist essenzieller Teil der Krömer’schen Humor-DNA. Was der Berliner Komiker, 47, in seiner Sendung „Chez Krömer“ im Frühjahr vergangenen Jahres tat, war dann aber auch für seine Verhältnisse ziemlich unerhört: Er sprach über seine schwere Depression. Unvermittelt, unironisch, 20 Minuten lang. Acht Wochen habe er sich im Herbst 2020 deswegen in eine Klinik begeben, erzählte Krömer, er sei schlicht nicht mehr lebensfähig gewesen. Die Reaktionen darauf nennt er heute eine „positive Atombombe“. Tausende Nachrichten erreichten ihn. Lob, Zuspruch, aber auch Fragen und Hilferufe.

Nun hat Krömer, der im bürgerlichen Leben Alexander Bojcan heißt und alleinerziehender Vater sowie trockener Alkoholiker ist, ein Buch über seine Depression verfasst: „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“. Er sei kein Therapeut, schreibt er, „ich kann nicht akut helfen, alles, was ich kann, ist meine Geschichte erzählen“.

PLAYBOY: Herr Krömer, die fette alte Hexe, die auf Ihrem Brustkorb sitzt und Sie bewegungsunfähig macht …

Kurt Krömer: … und nach Scheiße stinkt. Die meinen Sie, ja?

Ja, genau die. Prüfen Sie morgens beim Aufwachen noch immer kurz, ob sie nicht doch wieder zurückgekehrt ist?

Manchmal höre ich schon in mich rein. Letzte Woche dachte ich einmal: Bist du depressiv, oder war das heute nur ein Scheißtag? Es kam raus, nee, war einfach ein Scheißtag. Und da merke ich, dass ich aus der Depression herausgefunden habe. Weil ich ganz klar bin im Kopf und das einordnen kann.

Diese Klarheit war lange weg. Sie beschreiben in Ihrem Buch, dass Ihnen ständig tausend ungelöste Probleme im Kopf herumschwirrten, Sie den ganzen Tag nachdachten, aber nie zu einer Lösung kamen. Irgendwann waren Sie völlig verzweifelt, wollten das Bett nicht mehr verlassen. Aber auf den Gedanken, dass Sie eine Depression haben, kamen Sie selbst nicht.

Es gibt drei Einstufungen bei der Depression: die leichte, die mittlere und die schwere. Der schwere Verlauf begann bei mir, etwa zwei Jahre bevor ich in die Klinik ging. Ich fühlte mich schlecht, absolvierte eine ganze Ärzte-Odyssee, aber erst meine Familientherapeutin, bei der ich eigentlich war, um über mich und die Kinder zu sprechen, fragte mich: „Kann es sein, dass Sie eine Depression haben?“ Das war im Sommer 2020. Erst da machte es klick. Und dann kam schnell heraus, dass all meine Symptome – Müdigkeit, Gereiztheit, Problemschraube, Impotenz und so weiter – auf eine Depression hinwiesen.

„Du kannst nicht meditieren oder joggen gehen oder Komödien gucken“

Sie entschieden sich, für acht Wochen in eine Klinik zu gehen. Hatten Sie Angst davor?

Panisch. Die hat jeder Depressive, dem gesagt wird, er müsse in die Klinik. Das gleiche Problem hatte ich, als ich vor zehn Jahren gesagt bekam, dass ich Alkoholiker sei und einen Entzug machen müsse. Da schnürt sich dein Hals zu. Das ist auch einer der Gründe, warum Depressive oft erst spät behandelt werden. Viele wollen erst mal noch gucken, ob es nicht eine andere Möglichkeit gibt als die Klinik. Aber die gibt es halt nicht. Du kannst nicht meditieren oder joggen gehen oder Komödien gucken.

Was hat Sie in der Klinik am meisten überrascht?

Die Gruppentherapie. Davor hatte ich richtig Sorge. Lauter fremde Leute, und vor denen soll ich jetzt komplett die Hosen runterlassen? Aber nach zwei, drei Wochen liebte ich das. Es gibt nichts Besseres, als mit Betroffenen im Kreis zu sitzen und sich spiegeln zu lassen, weil du merkst: Der hat ja genau das Gleiche wie ich. Ist also nichts Besonderes. Das ist einfach die Krankheit. Das ist der Verlauf. Warum mache ich da so einen Heiopei drum?

„Wir sind Menschen, keine Roboter. Wir können halt nicht ‚funktionieren‘“

Sie schreiben, dass Sie in der Klinik häufig dachten, so ein Aufenthalt würde jedem guttun, ob depressiv oder nicht. Was könnte jeder dort lernen?

Zum Beispiel dass wir keine Roboter sind. In der Gruppentherapie wurde ich mal gefragt, was ich mir wünsche. Da meinte ich: Ich hätte gerne, dass es zu Hause wieder funktioniert. Da meinte die Therapeutin: „Moment mal, was ist denn ,es‘? Und was heißt ,funktionieren‘?“ Die Sache ist: Wenn ich einen Roboter für 10.000 Euro kaufe, dann muss das Ding funktionieren. Aber wir sind Menschen. Wir können halt nicht funktionieren. Wir können halt machen. Und zusehen, dass wir gute Laune haben und den richtigen Blick auf die Dinge bewahren. Ich habe irgendwann in der Klinik gemerkt: Mein Wesen ist wieder da. Die Neugierde. Ich wusste wieder, was wichtig ist in meinem Leben. Vielen fehlt das. Als ich aus der Klinik raus war, habe ich mir so die Menschen auf der Straße angeguckt, und bei manchen dachte ich echt: Also ich bin eigentlich mit Glück gesegnet, ich war nur 30 Jahre depressiv, aber ansonsten ist alles in Ordnung.

„Weil ich mir früher meine Depression weggetrunken habe, hatte ich bald zwei Probleme: Ich war Alkoholiker und depressiv“

Welche Rolle spielte Ihr Berufsumfeld bei Ihrer Erkrankung? Es ist ja kein ganz einfaches Business: Konkurrenz, Unsicherheit, viele Aufs und Abs.

Ich glaube nicht, dass das eine Rolle gespielt hat. Ich habe in der Klinik herausgefunden, dass ich etwa 30 Jahre lang depressiv war. Mit größtenteils, bis auf die letzten Jahre, mildem Verlauf. Da kam also vielleicht einmal in der Woche das Gefühl hoch: Etwas stimmt hier nicht, ich bin echt scheiße drauf. Und weil ich dann angefangen habe, mir meine Depression wegzutrinken, hatte ich bald zwei Probleme: Ich war Alkoholiker und depressiv. Aber damals war ich sicher, die schlechte Laune kommt vom Alkohol. Klar, dass du dich so fühlst, wenn du gestern wieder bummsvoll warst! Ich dachte nicht an eine Depression.

Was haben Sie in der Klinik darüber gelernt, woher Ihre Depression kam?

Ich weiß es nicht. Wenn du zum Beispiel unter Panikattacken leidest und zum Therapeuten gehst, dann sagt der: „Passen Sie auf, wir können die Ursache finden. Wir können aber auch die Gesprächstherapie so laufen lassen, dass Sie die Panikattacken einfach verlieren.“ Und so war das bei mir auch.

Mal eine Frage aus der Abteilung Küchenpsychologie: Sind Sie auch deshalb Comedian geworden, weil Humor für Sie immer ein Weg war, mit Ihren Schwierigkeiten im Leben fertigzuwerden?

Das kann gut sein. Ich bin in der Pubertät ziemlich auseinandergegangen, und in der Oberschule haben sie dann, nun ja, vielleicht nicht gemobbt, aber immer wenn ich irgendwas gesagt habe, mein Dicksein angesprochen: „Halt die Schnauze, du fette Sau“ oder so. Da ich mich nicht geprügelt habe, konnte ich nur verbal kontern. Und das hat überraschend gut funktioniert. Je pointierter, desto besser. Da habe ich gemerkt, Humor hilft scheinbar. Ich habe auch schon als Kind immer am liebsten Komödien ausgeliehen, wenn mein Vater mal mit mir in die Videothek ging. Ich habe wohl schon früh verstanden, dieses Humording ist gut. Auch in schlechten Situationen.

„Ich habe heute meinen Frieden mit meiner Scheißkindheit gemacht“

Ihr Vater war ein Schlägertyp, der zwar die Kinder in Ruhe gelassen hat, aber sich gerne damit brüstete, Männer in Kneipen krankenhausreif geschlagen zu haben. In Ihnen sah er einen Schwächling. Wie hat Sie das geprägt?

Man sagt ja immer, Künstler, die eine Scheißkindheit hatten, die unterdrückt wurden, nicht zu Wort kamen, die suchen sich dann ihren Platz. Privat mag ich es bis heute nicht, über mich zu sprechen. Aber erhöht auf der Bühne zu stehen, Geschichten zu erzählen und zu wissen, ey, da sind jetzt Leute extra wegen dir gekommen, die haben Geld bezahlt, sich freigenommen, sich aufgeschnullert, da habe ich schon ganz schön Bock drauf. Von daher hatte die Scheißkindheit auch ihr Gutes. Ich habe heute meinen Frieden damit gemacht.

Was machen Sie heute grundsätzlich anders, um die Hexe von Ihrem Brustkorb fernzuhalten?

Ich versuche, gelassener zu sein. Klappt ganz gut. Was vielleicht auch mit meinem Alter zu tun hat. Ich bin jetzt 47. Ich lasse mich nicht mehr so leicht verrückt machen, ich muss mir nichts mehr beweisen. Ab und zu ist die Angst noch da, dass die Leute Kurt Krömer langweilig finden könnten, aber weil ich auch ein bisschen größenwahnsinnig bin, denke ich immer, dagegen werde ich schon einen Weg finden. Im Alltag sehe ich zu, dass ich mich nicht mehr zu sehr mit Informationen füttere. Die Zeiten, in denen ich jeden Morgen zehn Zeitungen gelesen habe, sind vorbei. Und ich setze mir bewusst Pausen. Zum Beispiel habe ich Maniküre und Pediküre für mich entdeckt. Da gehe ich jetzt einmal die Woche hin, lasse mir die Nägel machen und genieße die Auszeit.

„Dieses ‚Ein Mann weint nicht‘ ist noch ganz fest drin. Was solche Dinge betrifft, sind Frauen uns um einiges voraus“

Glauben Sie, speziell Männer haben heute immer noch ein Problem damit, sich einzugestehen, dass sie womöglich eine Depression haben?

Auf jeden Fall. Und zwar Männer aus allen Schichten. Es wird besser, aber dieses „Ein Mann weint nicht“ ist noch ganz fest drin, und viele machen noch immer alles mit sich selbst aus. Mein Urologe hat mal gesagt: „Wissen Sie, hier kommen Männer an, da ist der Hoden fünfmal so groß, wie er sein sollte, aber sie haben mit niemandem darüber gesprochen, sind nicht zum Arzt gegangen, und jetzt ist es leider zu spät.“ Was solche Dinge betrifft, sind Frauen uns um einiges voraus.   

Sind Sie selbst darin jetzt besser?

Ich gehe zum Urologen, ich spreche offen über meine Depression, und ich bin ständig dabei zu gucken: Wo bist du noch verklemmt? Wenn ich wieder fündig werde, melde ich mich bei Ihnen.

Unbedingt.

Jetzt hätte ich aber noch eine Frage an Sie.

Gerne.

In den USA ist ja gerade diese Doku über Playboy-Gründer Hugh Hefner erschienen, in der schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben werden. Wie geht ihr als deutscher Playboy damit um?

„Wie ist das in Zeiten von MeToo für den Playboy? Werdet ihr angefeindet?“

Die Vorwürfe waren für uns selbst neu. Und wir distanzieren uns natürlich ganz klar von jeder Form von sexueller Gewalt.

Wie ist das in Zeiten von MeToo für den Playboy? Früher habe ich oft mitbekommen, dass Frauen eine Anfrage als Auszeichnung verstanden haben. Erstens bekommst du Asche, zweitens wirst du gut inszeniert. Wie ist das heute, werdet ihr angefeindet?

Nicht jeder ist Playboy-Fan, klar. Aber warum sollten Frauen nicht das Recht haben, sich nackt in einem Magazin zu zeigen, wenn sie das möchten?

Ich sehe momentan ja einen Trend, dass Frauen, zum Beispiel in den sozialen Medien, zwar halb nackt vor der Kamera stehen, dabei aber klar signalisieren: Ich tue das, weil ich es möchte, aber das heißt nicht, dass ich mich von jedem anquatschen oder anfassen lasse, ich bin nicht für euch Männer als Sexobjekt da. Diese Haltung gefällt mir.

„Ich habe, ehrlich gesagt, kurz gezögert, ob ich dem Playboy ein Interview geben soll“

Und sie entspricht der Playboy-Haltung: dass sich in dem Magazin selbstbestimmte Frauen zeigen, die frei entscheiden, was sie tun möchten und was nicht.

Ich habe, ehrlich gesagt, kurz gezögert, ob ich dem Playboy nach den Vorwürfen gegen Hefner ein Interview geben soll.

Warum haben Sie es getan?

Ich fand es besser, es zu machen und das Thema anzusprechen. Bringt einen weiter, als es zu verdrängen.

Nackt gemacht 
Kurt Krömer: „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“
„Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression“ von Kurt Krömer (KiWi, 20 €)
Credit: PR

In seinem Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ (KiWi, 20 Euro) erzählt Krömer so schonungslos wie humorvoll über sich und seine Depression. Erstmals sprach Krömer übrigens 2021 in seiner Sendung „Chez Krömer“, in der er Prominente in einer Verhörzelle trifft und ihnen dort gerne auch mal unangenehme Gespräche zumutet, über dieses Thema: Als Kurt Krömer Torsten Sträter zu Gast hat, richtet er den Scheinwerfer plötzlich auf sich und erzählt von seiner Depression und seinem Klinikaufenthalt.

Titelbild: Urban Zintel