Drive – Der PLAYBOY Mobility-Guide 2021
Magazin

Inhalt

EINSTIEG

Pioniere der Mobilität: Von Gottlieb Daimler bis Elon Musk – zehn Vordenker, die die Welt bewegten und bewegen

Mobility-News: Gute Neuigkeiten für Auto- und Sportfreunde

ELEKTROMOBILITÄT

Tesla und seine Herausforderer: Die neuesten Modelle des Innovationsführers und seiner zehn schärfsten Konkurrenten in Tests und in der Theorie

Die wichtigsten Fragen zur E-Mobilität: Das große Warum, Wie und Wohin der Verkehrswende mit Antworten, die Klarheit schaffen

Zukunft des Fahrens: Die Verkehrswissenschaftlerin Barbara Lenz erklärt, wie wir uns in den kommenden Jahren fortbewegen

COVER-STORY

Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann: Der Präsident der legendären Marke mit dem Stier erläutert die nächsten Evolutionsschritte an der Spitze der automobilen Entwicklung

MENSCHEN

Im Offroad-Porsche durch die Wüste: Der geborene Tuner Marc Philipp Gemballa stellt seinen Marsien vor

Herr der Flügeltürer: Niemand versteht sich besser aufs Restaurieren des legendären Mercedes-Benz 300 SL als Hans Kleissl

Der Mini-Designer und sein Lounge-Mobil: Oliver Heilmer, Design-Chef des britisch-bayerischen Kleinkalibers, plant Fahrzeuge für eine neue Welt

Das Monster und ich: Unser Autor macht den Selbsttest: Als fahrerisches Greenhorn im stärksten Land Rover Defender aller Zeiten durchs Gelände – ganz oldschool mit Benzin

Rennfahrerin Sophia Flörsch: Die Münchner DTM-Pilotin über ihre Karriere in der Männerdomäne Motorsport

Der rasende Chef der Bayern: Markus Flasch leitet die Submarke BMW M, den Motorsport von BMW und erklärt im Gespräch, warum er auch auf der Rennstrecke selber Gas gibt

TRENDS

Solar-Auto: Das Münchner Start-up Sono Motors und sein Sion

Reise-Gadgets: Lässige und praktische Begleiter für unterwegs

Uhren für Automobil-Fans: So trägt man seine Leidenschaft am Handgelenk

Die Flugtaxis kommen: Deutsche Pioniere und ihre Zukunftsbranche

Pro & Contra Tempolimit: 130 km/h auf den Autobahnen? Ein Rede-Duell

E-Scooter: Die coolsten neuen Modelle für die Stadt

Umfrage: Wie wollen die Deutschen künftig mobil sein?

KUNST

Auto-Erotik: Zehn fotografische Geniestreiche

Mobile Meisterwerke: Eine Bildungsreise durch die Welt der Art Cars

Architektur-Ziele: Zehn Bauwerke, für die sich eine Reise lohnt

Di., 31.08.2021
Motor & Mobility

Das Monstrum & Ich

Pure Vernunft darf niemals siegen! Das findet auch unser Redakteur und setzte sich in den geschichtsträchtigen Kraftprotz Land Rover Defender V8, um ganz oldschool mit Benzin durch Spanien zu brettern. Seine Erkenntnis? Pure Vernunft kann gar nicht siegen. Jedenfalls nicht gegen diesen Wagen

Ich bin in meinem Leben noch nie Rechtslenker gefahren. Heute feiere ich – etwa 80 Kilometer nordwestlich von Barcelona – meine Premiere ausgerechnet in einem 525-PS-Monster: dem neuen Land Rover Defender V8, dem stärksten aller Zeiten. Als ich einsteige, um die Ausfahrt unseres Hotels zu nehmen, bin ich etwas eingeschüchtert. Die V8-Variante ist das neueste Power-Modell des Defenders, der seit 2020 komplett neu entwickelt wurde, um das Erbe des legendären Ur-Defenders anzutreten. Als ich auf die Landstraße abbiegen will, grüßen mich drei kleine ältere Spanierinnen. Ob es Gastfreundschaft ist oder blanke Angst, ich weiß es nicht.

Credit: Nick Dimbleby

Glaubensfrage: Der Defender kommt auch in der V8-Version in zwei Ausführungen: mit 90-Zoll- Radstand und in einer 110-Zoll- Variante. Wir durften sie testen und können verraten: Spaß machen sie beide! Auch dank der modernen technischen Finessen, die für manchen Defender-Puristen Blasphemie bedeuten. Unser Autor war aber nicht zum Philosophieren angereist, sondern zum Ausprobieren und Spielen

Credit: Nick Dimbleby

Der Defender ist eine Legende. Abenteurer, Wüstendurch- und Bergüberquerer lieben ihn. Und wenn James-Bond-Schurken ihre Handlanger auf Mission schicken, sitzen diese meist in Defendern, um gleich noch etwas böser zu wirken. Auch Land Rovers neuester Wurf entspricht dieser klassischen Ansage. Optisch jedenfalls. Aus technischer Sicht hat dieses Auto mit dem ursprünglichen Defender jedoch nur noch wenig gemein. Es verfügt über moderne Assistenzsysteme für die Straße und ein Terrain-Response-System fürs Gelände, Stabilisatoren, ein elektronisches Hinterachsdifferenzial und viele Features mehr, die der ursprüngliche Defender-Purist, der mit Zange, Hammer und Schraubenzieher in die Wildnis aufbrach, verächtlich belächeln oder als ketzerischen Kommentar auf seine Fahrphilosophie betrachten mag. Mir als Greenhorn am Lenker kommt so viel moderne Technik sehr entgegen. Und bringt sie nicht die Power des Defenders in bislang nie erreichter Perfektion auf die Straße und ins Unwegsame?

Credit: Nick Dimbleby

Wackelpartie: Baumstämme dienen als provisorische Brücke über einen Graben. Die sensible Kontrolle des Defenders und mehrere Kameras lassen auch Ungeübte wie unseren Redakteur zum Offroad-Fan werden.


Statt darüber zu philosophieren, darf ich heute etwas viel Besseres, nämlich spielen und ausprobieren: in einem der Experience Center für Geländewagen, die der britische Autobauer Land Rover in der katalanischen Wildnis eingerichtet hat. Allein schon der Weg dorthin ist für mich ein kleines Abenteuer. Es geht über enge und bergige Dorfstraßen. Und ich gewöhne mich zwar rasch an den Rechtslenker, bin aber froh, dass ich dank Automatik nicht selbst schalten muss. Auf einem kurzen Stück Autobahn lasse ich die 525 Pferde frei, die die rund zweieinhalb Tonnen unter meinem Hintern in etwas mehr als fünf Sekunden auf 100 km/h beschleunigen, und beginne, mich richtig auf das heutige Programm zu freuen.

Credit: Nick Dimbleby

Natürlich gibt es den Defender auch als gewöhnlichen Linkslenker, bei unserem Test musste sich unser Redakteur allerdings umgewöhnen. Ein Glück: Es ist alles heil geblieben.


Auf dem Tagesplan stehen unterschiedlichste Disziplinen, um die Fähigkeiten des neuen Defenders auf die Probe zu stellen. Bei der ersten Offroad-Challenge bin ich es aber selbst, dessen Können geprüft wird: Ich soll über zwei Baumstämme fahren, die als provisorische Brücke dienen. Zum Glück hat der neue Defender Bodenkameras und lässt sich äußerst präzise steuern! Ich komme trotzdem ganz schön ins Schwitzen, schließlich will man nicht schon am Morgen einen nagelneuen Geländewagen jenseits der 120.000 Euro auf dem Gewissen haben. Es knarzt ein wenig, ich kämpfe mich Zentimeter für Zentimeter voran. Die Baumstammbrücke ist geschafft. Doch zwei Serpentinen weiter wartet schon das nächste Hindernis: ein Schottersteilhang. Langsam, aber beständig klettert der Defender den Berg hoch, als wäre es ein Sonntagsspaziergang. Die moderne Technik macht hier einiges möglich und lässt den Landy zum feinfühligen Kletterer werden. So geht es einige Male auf und ab und dann quer am Hang entlang. Laut Hersteller ist der maximale Kippwinkel bei 31 Grad, wir reizen das aber nicht komplett aus, sondern gehen nur bis 28 Grad. Das reicht mir als Beweis, und ich finde mehr und mehr Gefallen an dem Monster, das auch ganz leise und vorsichtig kann, wenn man sich etwas Mühe gibt.

Credit: Nick Dimbleby

Der Defender, wo er hingehört: irgendwo in der fast unberührten Wildnis. In unserem Fall war es das Offroad-Gelände von Land Rover in Spanien


Alles andere als leise wird es allerdings beim nächsten Punkt auf dem Tagesprogramm: Ein staubiger Rundkurs wartet, und ein Instrukteur klettert auf den Beifahrersitz. Bei einer gemütlichen Proberunde erklärt er mir zunächst, welche Kurven wie zu nehmen sind. „Dort vorne ist der Sprung, da solltest du nicht viel mehr als 70 km/h draufhaben“, sagt er und grinst durch die Sonnenbrille. „Ansonsten kannst du jetzt Vollgas geben, wenn du dich danach fühlst.“ Selten habe ich einen solchen Vertrauensvorschuss bekommen, und schon gar nicht von einer Person, die ich erst seit drei Minuten kenne. Also gehe ich an den Start und drücke das Gaspedal voll durch. Staub steigt auf, der V8 schreit, und ich muss für zwei Kurven noch mal kurz abbremsen – dann folgt eine lange Gerade. „Go! Go! Go!“, schreit mein Beifahrer. Ich drücke drauf, Adrenalin schießt mir durch den Körper,  meine letzten Bedenken sind weg. „Dort vorne kommt der Sprung, denk an die 70!“

Drei, zwei, eins – wir heben ab. Für eine kleine Ewigkeit schweben wir, bis der Defender sanft den Boden küsst, seiner Luftfederung sei Dank. Genau fünfmal darf ich dieses Spektakel erleben, dann ist der Parcours abgeschlossen. Wow! Ich will so ein Ding, denke ich mir, als ich wieder denken kann.

Credit: Nick Dimbleby

Abgehoben: Auf der Teststrecke nahe Barcelona sprang unser Redakteur mit dem nagelneuen V8-Defender über die Buckelpiste und lernte seine Liebe zum Autofahren ganz neu kennen.


Doch für mich bleibt der Defender erst einmal genau das: ein schöner Gedanke. Schließlich ist er alles andere als ein Alltagsfahrzeug. Und ich wohne in München, wo man selbst mit einem Kleinwagen oft schwer genug einen Parkplatz findet. Wüsten durchquere ich selten. Dafür darf ich, statt mich später zum Flughafen chauffieren zu lassen, meinen lieb gewonnenen Kraftprotz selber zum Terminal steuern.

Ob ich nicht doch ein paar vernünftige Gründe finde, mir so einen V8-Defender zuzulegen? Auch als Hybrid gibt es ihn beispielsweise. Außerdem arbeitet Land Rover in einem Forschungsprojekt an einer Wasserstoff-Version, deren Testbetrieb Ende des Jahres starten soll. Klingt spannend. Für den Moment aber bin ich von der klassischen Variante vollkommen begeistert. Wie sagte Bond einst? „Manchmal ist die altmodische Weise die beste.“ Da bin ich ganz bei ihm.

Land Rover Defender

  • Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h 
  • Leistung: 525 PS
  • 0–100 km/h: 5,2 Sekunden 
  • Gewicht: 2500 kg
  • Preis: ab 123.700 Euro

Der Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.

Titelbild: Nick Dimbleby