Mi., 31.10.2018
Motor & Mobility

Das Wüste lebt! - Mit dem Audi Q8 durch die Atacama Wüste Chiles

Nach BMW und Mercedes präsentieren jetzt auch die Ingolstädter ein SUV-COUPÉ. Wir haben den neuen Audi Q8 im Härtetest durch die chilenische Atacama-Wüste gejagt

Es fühlt sich an, als wäre man auf einem anderen Planeten. Auf dem Mars vielleicht. Oder Tatooine aus „Star Wars“. Nur ohne Sandleute. So weit das Auge reicht, ausschließlich Sand, Steine und Geröll. Und am Horizont schneebedeckte Berge mit giftgelben Wolken darüber – Schwefel, der aus den teils noch aktiven Vulkanen der nahen Anden strömt. Die Atacama-Wüste im Norden Chiles gehört zu den eindrucksvollsten Landschaften der Erde.

Die NASA hat hier Marssonden getestet, und James Bond jagte in „Ein Quantum Trost“ ein ganzes Hotel in die Luft. Also der perfekte Ort, um Audis neuen Q8 zu testen – schließlich wollen wir wissen, ob Audis erstes Cross-over-SUV nur ein urbaner Asphalttiger ist oder auch einen richtigen Ausritt in die Wildnis überlebt. Die Herausforderung: Von Highspeed-Fahrten bis Offroad-Parcours, von Asphalt über Sand bis zu Schnee, von 4 bis 40 Grad Celsius, von 2400 bis 4500 Höhenmetern werden wir alles ausprobieren, was die Atacama-Wüste zu bieten hat.

Credit: Tobias Sagmeister

Noch bevor wir einsteigen, fällt uns auf: Der wuchtige achteckige Grill vorn, die rahmenlosen Türen und die schräge C-Säule hinten lassen den Q8 deutlich sportlicher und aggressiver erscheinen als der auf der gleichen Plattform basierende Q7. Mit einer Länge von 4,99 Metern ist er etwas kürzer (6,6 cm) und flacher (3 cm), dafür aber einen Tick breiter (2,7 cm).

Innen dagegen wirkt er mit seinem aufgeräumten, cleanen Cockpit und der großen Knie- und Beinfreiheit hinten fast schon wie eine Limousine. „Wir wollten bei dem Fahrzeug Funktionalität und schönes Design in Einklang bringen: Das Auto ist innen ein wahres Raumwunder und hat außen die Ästhetik eines Coupés“, sagt Audis Chefdesigner Marc Lichte.

Credit: Tobias Sagmeister

Wir starten den Motor – und auf den trockenen Straßen um unseren Startpunkt San Pedro de Atacama wirbeln wir selbst bei geringer Geschwindigkeit bereits jede Menge Staub auf. Nur ein bisschen mehr Druck auf das Gaspedal – und schon kommt Walter-Röhrl-Feeling auf. Doch dank des permanenten Allradantriebs lässt sich das Fahrzeug auch auf dem oft sandigen oder geröllartigen Boden gut kontrollieren – es sei denn, man will absichtlich in den Drift. Und das machen wir natürlich gern.

Credit: Tobias Sagmeister

Nach knapp einer Stunde Fahrt wird die Luft dünner. Auf 4515 Metern erreichen wir den höchsten Punkt unserer Route. Der Luftdruck beträgt hier nur 57 Prozent des normalen Drucks auf Meeresspiegelebene. Wir bekommen wenig Luft. Jetzt wissen wir, wie sich Mario Basler früher ab der 75. Minute gefühlt hat. Sicherheitshalber schalten wir das Fahrzeug in den S-Modus (das S steht für, man hat es geahnt, sportlich), um den Motor etwas hochtouriger drehen zu lassen.

Denn nicht nur wir, sondern auch der 3-Liter-Dieselmotor hat auf so einer Höhe Probleme mit der Atmung. Immer öfter ist der Weg jetzt von Schnee bedeckt, teilweise bis zu 20 Zentimeter hoch, die Außentemperatur liegt nur noch bei vier Grad. An einer Stelle müssen wir mit etwas Schwung durch eine Schneeverwehung fahren, für eine Sekunde verlieren wir den Grip, doch das Auto lässt sich ohne Probleme wieder einfangen.

Credit: Tobias Sagmeister

Nur eine halbe Stunde später sind wir bereits wieder 1500 Höhenmeter tiefer. Die Gegend ähnelt jetzt mit ihren großen Gesteinsformationen und tausend gelbgrünen Büschen einer Steppe aus einem Sergio-Leone-Western. Man denkt, gleich könnte Clint Eastwood um die Ecke reiten. Auf einer endlos wirkenden, langen Geraden halten wir an. Meilenweit um uns herum kein anderes Lebewesen, der perfekte Ort, um das Sprintverhalten des 600 Newtonmeter starken 6-Zylinder-Motors zu testen.

Wir drücken das rechte Pedal bis zum Anschlag durch, und der Q8 beschleunigt in nur 6,3 Sekunden auf 100 km/h. Schluss wäre erst bei 245 km/h, aber das lassen wir jetzt schön, dafür ist es einfach zu staubig. Für ein zurzeit auf dem Markt erhältliches SUV ist der Top-Speed durchaus respektabel. Wer noch mehr Leistung will, kann Anfang 2019 die 340-PS-Variante mit Benzinmotor bestellen. Auch ein schwächerer Diesel mit 231 PS kommt dann auf den Markt. Und Audi-Kenner wissen: Spätestens in ein bis zwei Jahren werden S- und RS-Modelle mit deutlich stärkeren Motoren folgen.

Wir bremsen den Wagen von über 200 wieder auf 160 km/h herunter und nehmen den Fuß vom Pedal. Sofort schaltet der Q8 dank eingebautem Mild-Hybrid in den sogenannten Segelmodus. Dabei gleitet das Fahrzeug bei abgeschaltetem Motor bis zu 40 Sekunden still vor sich hin. Das fühlt sich bei einem 2,1-Tonnen-Wagen nicht nur verblüffend an, sondern spart laut Audi auch bis zu 0,7 Liter auf 100 Kilometer.

Mit einem leichten Druck aufs Gas startet der Motor wieder und geht fließend in den Beschleunigungsmodus über. Auf einer heftigen Bodenwelle hebt der Q8 für den Bruchteil einer Sekunde sogar ab. Wir merken uns: Dieses Auto kann nicht nur segeln, sondern auch fliegen.

Credit: Tobias Sagmeister

Für die letzte Etappe nehmen wir eine Abkürzung direkt durch die Wüste. Unser Ziel: das Valle de la Muerte – übersetzt: das Tal des Todes. Nicht zu verwechseln mit dem kalifornischen Death Valley. Wobei: Lebensgefährlich sind beide. Wir schalten in den Offroad-Modus. Automatisch hebt sich der Wagen um 50 Millimeter nach oben. Mit bis zu 30 km/h kann man nun bei einer Bodenfreiheit von 25,4 Zentimetern durchs Gelände fahren, wird man schneller, senkt sich das Fahrzeug von allein wieder nach unten.

Der Q8 sieht nicht nur nach offroad aus, er kann es auch. Das wird noch klarer, als wir am Ende des Tales einen kleinen Fluss überqueren. Obwohl er knapp einen halben Meter tief ist, kommen wir problemlos auf die andere Seite. Mehr wäre allerdings auch nicht drin gewesen. Erreicht das Wasser nämlich das Audi-Logo vorn am Grill, besteht die Gefahr, dass der Motor Wasser statt Luft ansaugt – keine schöne Sache.

Credit: Tobias Sagmeister

Kein Zweifel: Der Q8 ist ein echter Allrounder, der auf jedem Belag und in jeder Umgebung eine gute Figur macht. Letztendlich wird er wie viele SUVs im einen oder anderen Fall als Kindertransporter für Soccer Moms enden. Was schade ist, denn der Q8 ist nicht nur fit für den Alltag, sondern auch – wie er eindrucksvoll bewiesen hat – ein geländegängiges und sogar wüstentaugliches Auto.

Titelbild: Tobias Sagmeister