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Streitschrift

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EROTIK

Playmate: Unsere Miss Januar, Sharina van der Vliet, strebt in die Modeindustrie. Uns zeigt sie sich mit wenig und ganz ohne Textilien

LEBENSART

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LUST

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STIL

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KULTUR

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Literatur, Musik & Film: Das Beste des Monats

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Vor James-Bond-Kulisse in Sölden eröffnen unsere Schönsten mit scharfen Schüssen den Wahlkampf: Wer wird Playmate des Jahres? 

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Di., 06.12.2022
Genuss

„Wir sind kein Gebetskreis und kein Ponyhof“

Das Berliner „Nobelhart & Schmutzig“ feiert den Minimalismus und die „brutal lokale“ Küche. Dafür gibts nicht nur einen Michelin-Stern – das Lokal schafft es in diesem Jahr auf Platz 17 der renommierten Liste „The World’s 50 Best Restaurants“. Wir sprechen mit Nobelhart-Chef Billy Wagner und Chefkoch Micha Schäfer über Leberspätzle in der Spitzenküche, was moderner Luxus ist und welche Flirtregeln im Gastro-Team gelten.

Herr Wagner, Sie sagen, Sie denken nicht vom Gast her. Was meinen Sie damit?

Billy Wagner: Wir denken nicht darüber nach, ob wir genügend Gäste haben für das, was wir machen. Wir denken darüber nach, welche Lebensmittel es vor Ort eigentlich gibt. Anders gesagt: Wie wir ein Huhn zubereiten, ist schon der zweite Schritt. Der erste Schritt ist, dass wir herausfinden, welche Hühnerrassen hier gezüchtet werden.

Hat Berlin ein besonders günstiges Umfeld für Ihre besonders lokale Küche?

Micha Schäfer: Der Vorteil von Berlin ist der Ballungsraum. Und um den herum hat sich seit drei Jahrzehnten die Landwirtschaft neu erfunden. Die ist sehr kleinteilig, es gibt viele junge Leute, die produzieren. Lokale Küche funktioniert aber auch sehr gut im Süden des Landes. Schwieriger ist es in Nordwestdeutschland, weil es dort vor allem großflächige Landwirtschaft gibt.

Könnte es das „Nobelhart & Schmutzig“ also auch in einer anderen Stadt als Berlin geben?

Schäfer: Warum nicht, unser Konzept ist eher menschen- als ortbezogen.

Wagner: Wenn Sie uns bitten, nach Castrop-Rauxel umzuziehen, würden wir uns dort auf die Suche nach Lebensmittel-Produzierenden im dortigen Umland machen.

Inwiefern unterscheiden Sie sich bei Ihren Produkten von eher traditionellen Spitzenrestaurants?

Schäfer: Da muss man erstmal unterscheiden zwischen traditionellen Restaurants in Deutschland, Europa und anderen Teilen der Welt. In Deutschland war noch die Küche der 2000er eine Proteinschlacht mit Fisch, Fleisch und am Ende Schokolade, dazwischen Trüffel und Kaviar. Wir dagegen legen den Fokus aufs Gemüse. Beim Fleisch suchen wir nicht das Seltenste und Teuerste, sondern das Zugänglichste und Beste.

Wagner: Wenn es für Sie wichtig ist, das letzte Tier seiner Art zu essen, das von Kindern und Jungfrauen gebadet wurde, sind sie bei uns falsch. Wir machen nichts Ungewöhnliches. Ganz oft werden sich Leute bei uns denken: Was soll das jetzt? Es gibt Leberspätzle mit einer Pilzsauce und Schnittlauch. Die Gerichte sind sehr simpel, die Produkte hat wahrscheinlich jeder schon gegessen – nur häufig nicht so gut und ohne den Wertekosmos dahinter.

Chefkoch Micha Schäfer (links) und Restaurant-Besitzer Billy Wagner
Credit: Marko Seifert

Sehen Sie sich dabei als Trendsetter?

Schäfer: Als wir vor acht Jahren angefangen haben, war diese Art der brutal lokalen Küche selten, mittlerweile sieht man das häufiger. Wir haben auf jeden Fall eine Stimme und die Leute hören zu. Wir sehen uns als Teil einer Entwicklung.

Wagner: Wenn Sie nach Italien gehen, macht auf eine gewisse Weise jedes Restaurant das, was wir machen. Was das Besondere ist: Wir setzen den Ort in den Fokus, und der ist eben nicht die Toskana, sondern Brandenburg.

Micha Schäfer vom „Nobelhart & Schmutzig“: „Luxus kann heute sein, die authentischen Küchen anderer Regionen kennenzulernen“

Ist Minimalismus der neue Luxus?

Schäfer: Der Luxusbegriff hat sich auf jeden Fall verändert. Luxus kann auch Emotionen bedeuten. Erinnerungen an die Kindheit, an „Himmel und Erde“ wie von Mama vor 30 Jahren. Luxus kann auch sein, die authentischen Küchen anderer Regionen kennenzulernen.

Wagner: Vor 30 Jahren bist du ins Restaurant gegangen und da waren ganz viele Leute, die dich bedient haben. Du hast aus einer riesigen Karte ausgewählt. Luxus war, dir eine Vorspeise, einen Hauptgang und ein Dessert aussuchen zu können. Luxus waren Restaurants, die vielleicht schöner waren als deine Bude zuhause. Heutzutage freut es die Leute, wenn jemand vorher das Menü kuratiert. Es gibt nur eine Brotsorte und nur eine Buttersorte, die dafür aber richtig Bombe sind. Es gibt keine Trennung zwischen Küche und Gastraum: Wo gekocht wird, wird gegessen und gelebt, auch ein neuer Luxus.

Dafür braucht es auch andere Mitarbeiter als früher, oder?

Schäfer: Es braucht keine Servicediener, sondern Menschen, die auf Augenhöhe mit dem Gast reden. Unsere Leute müssen die emotionale Verbindung zu den Erzeugenden transportieren können.

Bilder nur von außen – das Nobelhart & Schmutzig in Berlin
Credit: Meike Peters

Der Umgangston in deutschen Küchen stand in letzter Zeit immer wieder in der Kritik. Welche Erfahrungen haben Sie beide dazu gesammelt?

Wagner: Das Problem gibt es – und auch wir sind beileibe nicht der perfekte Betrieb. Wir sind kein Gebetskreis und kein Ponyhof. Auch bei uns passieren intern Fehler. Wir versuchen, das zu erkennen und daran zu arbeiten. Ganz allgemein erleben wir da in der Gastronomie gerade einen nötigen Wandel.

Schäfer: Das kann ich vollständig unterschreiben. Früher war man als Koch vielleicht sogar stolz drauf, sich durch eine harte Schule nach oben gearbeitet zu haben, sich kaputt zu arbeiten. Da ändert sich gerade was, und auch als Arbeitgebender ist man jetzt gefragt, sensibel auf seine Mitarbeitenden zu reagieren.

Micha Schäfer vom „Nobelhart & Schmutzig“: „Als Arbeitgebender ist man jetzt gefragt, sensibel auf seine Mitarbeitenden zu reagieren“

Mit welchen Methoden arbeiten Sie im Restaurant an diesen Themen?

Wagner: Durch Workshops und Coachings. Und wir haben einen Guide of Conduct, also einen Verhaltensleitfaden, geschrieben.

Was steht da drin?

Wagner: Zum Beispiel das Thema „Flirten im Team“. Da kann Machtmissbrauch mit einhergehen. Es ist wichtig, das mit den Mitarbeitenden zu teilen. Da gibt’s viele Unternehmen, die verbieten das – und aus unternehmerischer Sicht kann ich das total verstehen: Wenn ich sage, ihr dürft nicht miteinander vögeln, dann gibt’s keinen Ärger, weil am Ende mögt ihr euch vielleicht nicht mehr, dann müssen wir euch in zwei verschiedene Abteilungen stecken… Wenn ich aber Beziehungen verbiete, wird das einfach heimlich gemacht und ist vielleicht sogar noch extra spannend. Aber es wird noch viel schwieriger, eine Situation herzustellen, mit der alle Leben können. Weil Sie ja was getan haben, was nicht erlaubt ist. Stichwort „Blaming“. Wir haben jetzt geschrieben, dass die Leute hinterfragen sollen, ob es diesen einen Fick wert ist, wenn man danach noch ein weiteres Jahr zusammenarbeiten muss. Wenn es dir das wert ist, dann hau rein.

Und warum schreiben Sie das alles auf?

Wagner: Damit alle wissen, für welche Werte wir stehen, und was passiert, wenn es ein Problem gibt. Wir möchten in der Zukunft besser mit Problemen umgehen, und haben nun eine Person, die als Art Vertrauensperson für uns arbeitet. Die Mitarbeitenden haben also die Möglichkeit, bei einem Übergriff mit einer neutralen Personen die nächsten Schritte zu besprechen. Das Arbeitsumfeld soll ein Ort sein, an dem man sich sicher fühlt. Wir befinden uns in der Gastronomie klar mittlerweile in einem Arbeitnehmendenmarkt, viele Fachkräfte fehlen. Dadurch ändert sich viel: Vor 25 Jahren war es das Ziel, 65 Stunden in der Woche zu arbeiten – heute laufen Ihnen dann die Leute weg.

Wie viele Stunden arbeiten Sie beide?

Schäfer: Ich schreib das nicht auf. Aber wir überlasten uns nicht, um ordentliche Führungskräfte sein zu können.

Wagner: Du schreibst keine Stunden auf, aber du achtest bewusst darauf, dass du nicht der erste bist, der kommst, und der letzte bist, der gehst. Alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schreiben bei uns auf, wie viel sie arbeiten. Da liegen wir bei 40 bis 45 Stunden die Woche. Bei mir selbst als selbständiger Unternehmer ist das schwieriger. Dafür kann ich mir meine Zeiten selbst einteilen, aber ich arbeite auch weniger als noch vor Corona.

Zum Schluss noch einmal zurück zur brutal lokalen Küche: Kann ich die auch zuhause leben?

Schäfer: Natürlich. Überall im deutschsprachigen Raum gibt es Wochenmärkte. Da lernen Sie, wie Landwirtinnen und Landwirte funktionieren, können sie ausfragen, herauszufinden, für was wann Saison ist und welche Produkte aus dem Betrieb oder aus dem Großmarkt kommen. Das ist der erste Schritt.

Titelbild: Anne Schönharting