Oliver Masucci in „German Crime Story: Gefesselt“
Playboy 2023/02
Magazin

Inhalt

UPDATE

First Lady: Weltstar Shania Twain

Ein guter Monat für: Hasen-Freunde, großes Kino, Fotokunst und die persönliche Fitness

20 Fragen an . . . Jane Birkin 

Reise: Zehn Playboy-Urlaubsziele für 2023 

Männerküche: Delikates aus dem israelisch-arabischen Restaurant „Schmock“

Männerbar: Würzige Winterbiere 

Pro & Contra: Protestieren mit und ohne Klebstoff 

Motor: Abschied von einer Ikone – der letzte Audi TT im Test

Playboy-Umfrage des Monats: Was wollen die Deutschen 2023 anders machen?

Aktion

„Playmate des Jahres“-Wahl: Stimmen Sie ab, und gewinnen Sie Preise im Gesamtwert von mehr als 85.000 Euro

Gentlemen’s Adventure Tour: Eine neue Playboy-Expedition hatte Premiere in der Wildnis Namibias

Playboy-Party: So feierten wir den Start der Special Edition „How to be a Man“ im Casino Baden-Baden

Reportage

Der Berechner des Bösen: Wie Digital-Forensiker Dirk Labudde an Bildschirmen Mörder überführt

INTERVIEW

Hugh Jackman: Der Actionkino-Held über seine wahre Superkraft und die sanfte Rolle seines Lebens

MOTOR & TECHNIK

Countach LPI 800-4: Wir haben den neuen Donnerkeil von Lamborghini in Italien getestet

Mein Schlitten: Carsten Meyer und sein Mustang 

Streitschrift

Schluss mit dem Macho-Gehabe: Ex-Kanzleramtsberater Hans-Christian Lange entdeckt neue Männervorbilder auf der politischen Weltbühne 

TITELSTRECKE

Vor ihrem Einzug ins RTL-Dschungelcamp entspannt sich die TV-Schönheit Cecilia Asoro mit uns auf Gran Canaria

LUST & LEBENSART

Tagebuch einer Verführerin: Sexkolumnistin Sophie Andresky über Orgasmus-Arten

EROTIK

Playmate: Unsere Miss Februar, Carolina Cardoso, bringt uns auf warme Gedanken

Blende Sechs: Die ungarische Schauspielerin Gabriella Tóth und ihr schöner Traum

Menschen 2023

Wer das neue Jahr prägen wird: Zehn Persönlichkeiten, die mit Kunst, Sport oder Politik den Kurs bestimmen

STIL

Mode: Wollpullover, die Sie garantiert warm halten

Pflege: Trüffel für die Haut

KULTUR

Oliver Masucci: Der Schauspieler über extreme Rollen und menschliche Abgründe

Literatur: Die Leseempfehlungen des Monats

STANDARDS
  • Editorial
  • Making-of
  • Leserbriefe
  • Berater
  • Witze
  • Cartoon
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  • Bezugsquellen
  • Playboy Classic
Di., 31.01.2023
Interviews

„Ich klappere das ganze Kaleidoskop des Abgründigen ab“

Extreme Rollen sind das Markenzeichen von Oliver Masucci: In der neuen True-Crime-Serie „German Crime Story: Gefesselt“ auf Amazon Prime spielt er gerade den berüchtigten „Säurefassmörder“ – obwohl er das zunächst gar nicht wollte. 

Bei all den nationalen und internationalen Produktionen, mit denen Oliver Masucci bereits Erfolge feierte, ist es ziemlich erstaunlich, dass er erst vor sieben Jahren dem Theater den Rücken zukehrte, um als Film- und Serienschauspieler durchzustarten. Als reanimierter Hitler wurde er in der Kinokomödie „Er ist wieder da“ 2015 schlagartig bekannt. Es folgten Rollen in „Dark“, „4 Blocks“, dem Oscar-Kandidaten „Werk ohne Autor“ und in einem „Harry Potter“-Spin-off. Sein neuestes Projekt: ein Kapitel deutscher Kriminalgeschichte. Die sechsteilige fiktionale Serie „German Crime Story: Gefesselt“ (Amazon Prime) ist inspiriert von einem wahren Kriminalfall, erzählt sie die Geschichte eines Frauenmörders, gespielt von Oliver Masucci.

Herr Masucci, in einer neuen Serie spielen Sie den sogenannten Säurefassmörder – einen der berüch­tigtsten deutschen Serientäter, der in den 80er- und 90er-Jahren im Raum Hamburg Frauen entführte, quälte und umbrachte. Hatten Sie Bedenken, diese Rolle anzunehmen?

Ja, ich habe mich lange gegen diese Rolle gewehrt. Lasst das doch den Eidinger spielen, hab ich gesagt, der ist prädestiniert für so was. Warum soll ausgerechnet ich das denn jetzt machen? Aber dann hat Dietmar Güntsche, der Produzent der Serie, mich da irgendwie reingeredet.

Womit hat er es geschafft?

Durch pure Penetranz, der hat einfach nicht lockergelassen. Und ich habe eine gewisse Hochachtung für Menschen, die etwas wollen und dann nicht aufhören zu wollen, was sie wollen. Außerdem hat mich diese Geschichte immer mehr interessiert, je mehr ich mich mit ihr beschäftigt habe. Das war ja kein Mann, den du sofort als abgründigen Killer erkannt hast. Der ist nicht als Quasimodo augenrollend durch die Welt gelaufen, sondern er war einfach der ganz normale Psychopath von nebenan. Der hilfsbereite Nachbar, der Held aus dem Schwimmverein, einer, der immer einen lustigen Spruch oder Witz auf Lager hat, der mit Kind und Ehefrau in einer Reihenhaussiedlung wohnt und am helllichten Tag Leute in seinen Atomschutzbunker im Garten entführt.

Was genau in diesem Bunker passierte, konnte allerdings nie nachgewiesen werden, oder?

Das könnten nur die Opfer berichten, aber die sind tot. Er hat die Morde auch bis heute nicht zugegeben. Er sagt, es waren Unfälle. Die Beweislage sah das ganz klar anders. Filmisch bietet das die Möglichkeit, mit den Perspektiven zwischen Täter und Opfer zu spielen. Das macht es unterhaltsam. Er hat der Polizei die unglaublichsten Geschichten erzählt, die er jeweils dem Ermittlungsstand angepasst hat. Dabei war er unverschämt erfinderisch und fantasievoll, wie mir der damalige Ermittler berichtete. 

Das hat Sie beeindruckt?

Es zeigt, dass man den Abgrund eines Psychopathen nicht sehen kann, das Böse lässt sich nicht einfach erkennen. Es steckt vielleicht in einem Prozent eines solchen Menschen, der Rest funktioniert normal. Wir wollen das Böse immer gerne fassbar haben, aber so funktioniert die Welt eben nicht. 

Dieser Mann, den Sie spielen, lebt noch: Er sitzt bis heute in Haft. Haben Sie darüber nachgedacht, ihn zu besuchen?

Ich habe ihm mal einen Brief ins Gefängnis geschrieben, aber nie eine Antwort bekommen. Sonst hätte ich ihn sicher getroffen – natürlich willst du in so jemanden mal rein-gucken. Wobei ich ja nicht genau ihn spiele, sondern eine Kunstfigur, die an seinen Fall angelehnt ist. 

Solche intensiven Rollen sind mittlerweile Ihr Markenzeichen: In den letzten Jahren spielten Sie zum Beispiel den arbeits- und drogensüchtigen Regisseur Rainer Werner Fassbinder und in der „Schachnovelle“ einen in der Isolationshaft der Gestapo vor sich hin vegetierenden Gefangenen. Ist das auf Dauer nicht ganz schön strapaziös? 

Ich hab auch zwischendurch einen Zauberer und einen Vampir gespielt. Auf jeden Fall aber macht es auch Spaß. Ich forsche am Menschen, klappere das ganze Kaleido­skop des Abgründigen ab – das ist es, was mich an meinem Beruf interessiert. Anstrengender als irgendwelche Figuren sind meist eher die Produktionsbedingungen, vor allem in Deutschland.

Was genau meinen Sie damit?

Dass es in Deutschland zwar hohe Ansprüche an eine Produktion gibt, aber nur begrenzte Mittel. Weshalb du dann 15 Stunden am Tag arbeitest oder bestimmte Positionen gar nicht besetzt werden. Bei Nacktszenen ist es in Deutschland zum Beispiel einfach nicht üblich, dass es am Set einen Intimacy Coordinator gibt, so wie ich das von anderen internationalen Produktionen kenne, dafür herrscht bei uns noch kaum Bewusstsein: Für jede Ohrfeige wird ein Stunt-Koordinator eingeplant, für jede Tanzszene ein Choreograf und für jedes Lied ein Gesangstrainer. Aber wenn du vögeln musst, ist auf einmal Ebbe. 

Oliver Masucci im Playboy-Interview: „Bei Nacktszenen ist es in Deutschland nicht üblich, dass es am Set einen Intimacy Coordinator gibt“

Was macht so ein Intimacy Coordinator bei einer großen US-Produktion? Hat diese Aufgabe auch mit den Konsequenzen aus den MeToo-Skandalen zu tun?

Nein, in Amerika gibt es diesen Job schon lange, es geht darum, zwischen den Darstellern zu kommunizieren: Wer darf wen wo anfassen? Was darf man sehen? Sind die Schauspieler gerade besonders sensibel? Und dann geht es natürlich um die Choreografie: Wie küsst man sich, wie berührt man sich? Wie sieht das gut aus für die Kamera? Und ganz wichtig: closed set. Kleines Team. Alles abgehängt. Keine Fotos et cetera … Ich stand aber schon mit Kolleginnen nackt im Garten, alles offen, keine Heizstrahler, und der Nachbar schaut über den Zaun zu.

Seit dem letzten Playboy-Interview mit Ihnen waren Sie gleich in zwei internationalen Großprojekten hintereinander zu sehen: im „Harry Potter“-Spin-off „Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse“ und neben Snoop Dogg in der Vampir-Komödie „Day Shift“. Wobei Letztere unsere Leser wahrscheinlich noch ein wenig mehr interessiert ...

Snoop ist in echt unglaublich groß und schlank. Am Set habe ich ihn errochen: Man wusste – da, wo oben das Weed aus dem Trailer dampft, ist Snoop.

Das ist tatsächlich so, wie man sich das vorstellt?

Genau so. Ich selbst habe schon so lange nicht mehr gekifft, dass ich wahrscheinlich ins Koma fallen würde, wenn ich nur einmal dran ziehe, und als ich bei ihm im Trailer saß, war ich breit nur vom Dabeisein. Bei mir hat sich alles gedreht. Aber er ist wirklich cool. Bei der Premiere des Films in L. A. hatte ich meine Kinder dabei, die bisher nur gedacht hatten: Der Papa erzählt Quatsch – als würde der mit Snoop Dogg drehen ... Und dann steigt Snoop hinter seiner Dampfwolke aus der Limousine und ruft: „Hey, Olli!“ Da hatte ich als Vater plötzlich viel mehr Credibility. Auch Jamie Foxx, der beim Film dabei war, ist toll. Von ihm habe ich gelernt, wie man Zeitlupe spielt. 

Was muss man denn da machen? Wird die Szene dafür nicht einfach verlangsamt abgespielt?

Damit das interessant ist, braucht es viel Bewegung, da muss immer was passieren: Grimassen oder große Armbewegungen. Zeitlupe ist ein sehr spezielles Spiel. Wir haben uns über Jamie Foxx beim Drehen totgelacht, und nachher sah es aber total super aus. 

Für viele Ihrer letzten Rollen haben Sie sich äußerlich stark verändert, haben sehr viel Gewicht zugelegt oder andere Frisuren und Bärte getragen. Können Sie eigentlich noch mit Sicherheit sagen, wie darunter der eigentliche Oliver Masucci aussieht? Wie viel der wiegt und ob er sich rasiert oder nicht?

Je mehr er zugenommen hat, kämpft der eigentliche Oliver Masucci in letzter Zeit damit, wieder zu dem zu werden, der er ist! Aber einen Bart habe ich privat nicht, und auch diese kratzenden Perücken mag ich nicht. Da bin ich froh, wenn ich das nach einer Rolle gleich abschütteln kann. Was das Äußere betrifft, muss ich dieses Extreme jetzt, glaube ich, mal hinter mir lassen und vielleicht einfach mal so James-Bond-mäßig einen slackigen Agenten spielen. Ich sehe ja eigentlich ganz gut aus, also kann ich da doch Kapital draus ziehen. Aber dann reizt mich wieder die Verwandlung. Wer will denn immer nur er selbst sein?

Oliver Masucci im Playboy-Interview: „Mich reizt die Verwandlung. Wer will denn immer nur er selbst sein?“

Bei all den großen Filmen und Serien, die Sie gedreht haben, überrascht es, dass Sie damit erst vor sieben Jahren begonnen und Ihr Leben als Theaterschauspieler hinter sich gelassen haben. Vermissen Sie manchmal die Zeit, in der Sie noch nicht überall erkannt wurden?

Nein, ich fühle mich immer noch häufig privat. Und ich wollte diese Aufmerksamkeit ja auch.

Ist das etwas typisch Deutsches, als Prominenter seine Bekanntheit als lästig zu empfinden, wie man das von Kollegen immer wieder hört?

Ich weiß nicht, ob das speziell deutsch ist, auf jeden Fall finde ich es nicht so ganz ehrlich. Man kann keinen Beruf ausüben, mit dem man in der Öffentlichkeit steht, und dann aber sagen, ich will gar nicht gesehen werden. Da stimmt irgendwas nicht dran. Aber vielleicht ist es auch einfach die Angst, sich zu seiner eigenen Eitelkeit zu bekennen. Ich freue mich jedenfalls meistens, wenn ich angesprochen werde. Zum Beispiel sehr häufig am Flughafen – wenn die Security-Leute mit mir Fotos machen wollen, weiß ich immer schon, woher das kommt: Die haben alle „4 Blocks“ gesehen. Wenn die mich erkennen, sieht das anders aus, als wenn Leute den „Dark“-Blick haben.

Wo warten die „Dark“-Fans auf Sie?

Eben überall auf der Welt. Gerade in Brüssel im englischen Pub, Südamerika, Italien, dort hat die Serie eine richtig große Fangemeinde. Als wir beide uns das letzte Mal in Rom während der Dreharbeiten zu „Der Schwarm“ getroffen haben, gab es zum ersten Mal eine Situation, in der ich tatsächlich weglaufen musste, weil nachts in Trastevere eine Horde italienischer „Dark“-Verrückter hinter mir her war und „Ulrich“ rief.

Und die Fassbinder-Anhänger?

Ach, der Fassbinder-Film wurde versendet. Der wäre in Cannes im Wettbewerb gelaufen. Lief dann aber wegen der Corona-Situation nur online und bei uns drei Tage im Kino mit 20 Meter Abstand, dafür erkennt mich leider kaum einer. Es ist so ein schöner Film. Schade.

Vielleicht sind Sie einfach zu selten in Münchner Schwulenbars unterwegs, dort finden sich bestimmt besonders begeisterte Fans. 

München, ich komme!

Titelbild: Neue Bioskop Television