Rapperin Badmómzjay: Im Playboy-Interview spricht sie über neue Musik, Feminismus als Verkaufsmasche und ihren steinigen Weg zum Erfolg
Mo., 20.11.2023
Interviews

„Ich rappe nicht, um mir ein Auto zu kaufen“

Mit immens hohen Streamingzahlen, legendären Auftritten und provokanten Texten stellt sie die deutsche Hip-Hop-Welt auf den Kopf. Ein Gespräch mit der 21-jährigen Rapperin Badmómzjay –  bürgerlich Jordan Napieray – über ihren steinigen Weg zum Durchbruch, Freizügigkeit, Feminismus als Verkaufsmasche und ihr neues Album „Survival Mode“, das am 24. November erscheint …

Jordan, uns ist aufgefallen, dass Sie immer wieder Kleidung und Accessoires mit Bunny-Emblem tragen. Was verbinden Sie mit Playboy?

Sehr viel! Ich habe damals „The Girls of the Playboy Mansion“ im TV verfolgt – die Playmates, Hugh Hefner und seine Villa haben einen krassen Eindruck auf mich gemacht. Man hat das Playboy-Logo wirklich überall gesehen, und auch Stars, die ich gut fand, haben das Emblem auf ihren Taschen und Klamotten getragen. Seitdem ist die Marke quasi mit mir mitgelaufen. 

Playboy steht für Frauen, die ihr sexuelles Selbstbewusstsein zeigen. Passend dazu rappen Sie in „Yeah Hoe“, einem Song auf Ihrem neuen Album: „Dich triggert mein Bikinifoto, Outfit Lara Croft. Ich zeig so lange Titten, bis du scheiß Neandertaler kotzt.“ Welche Botschaft wollen Sie mit Freizügigkeit senden?

Ich möchte mich einfach so präsentieren, wie ich will. Und ich möchte anderen, vor allem jungen Frauen, zeigen, dass sie das genauso machen können – egal, was andere sagen. Dafür stehe ich, und dafür setze ich mich ein.

Ihr neues Album beginnt mit dem Song „Survival Mode“ und endet mit dem Lied „How to survive“. Beides sind sehr persönliche Lieder …

Ich bin allgemein ziemlich perfektionistisch, aber beim Intro muss wirklich jede Zeile stimmen. Es ist schließlich das Erste, was die Leute vom Album hören. Man setzt den Maßstab fürs Album. Der letzte Song nimmt die emotionale Seite des Intros wieder auf, ist aber ehrlicher und trauriger. Am Ende eines Albums sind die Gefühle meistens auch stärker …

Wie meinen Sie das?

Ein Album-Prozess ist sehr schwer. Alle im Team haben ihre ganze Energie hineingesteckt. Was man dabei nicht vergessen darf: Die Welt dreht sich weiter, auch wenn du ein Album machst. Menschen kommen und gehen, du erleidest Schicksalsschläge, es kommen einfach viele Emotionen mit dazu.

Was ist das größte Hindernis bei der Produktion eines Albums?

Ich glaube, dass man sich einfach schnell weiterentwickelt und bei manchen Songs dann nicht mehr weiß: Bin ich das jetzt noch, oder nicht? Das Schwierigste ist also, sich immer wieder zu reflektieren und auf dem richtigen Weg zu bleiben. Aber: We made it!

Im Intro des Albums rappen Sie, dass Sie im „Survival Mode“ stecken. Das klingt ganz schön krass …

Bei mir sind schon sehr früh im Leben Dinge passiert, die mir dieses Gefühl gegeben haben. Es ging immer darum, Situationen zu überstehen, bis man an den Punkt kommt, an dem man nicht mehr um alles kämpfen muss. Mir hilft es, dass ich jetzt ein festes Team habe und von Leuten umgeben bin, die ich liebe.  

Was für Dinge sind Ihnen denn widerfahren?

Zum Beispiel, dass ich ohne Vater aufgewachsen bin. Mir ist zum ersten Mal während der Schulzeit aufgefallen, dass ich nicht das Leben führe, das die anderen Kinder führen: mit den ganzen heilen Familien, die gemeinsam in den Urlaub fahren und sowas. Meine Mutter hat den ganzen Tag gearbeitet, damit wir überhaupt etwas zu essen hatten.

Welche Rolle spielt Rap bei Ihrer Auseinandersetzung damit?

Er ist die einzige Art und Weise, in der ich mich komplett frei ausdrücken kann. Ich bin in meiner Musik sehr ehrlich und echt. 

In „How to survive“ rappen Sie: „Um meine Leute rauszuholen, braucht Jordy diesen Job. Also geht es nicht um Jordy, wenn Jordy morgen floppt.“ Wen wollen Sie wo rausholen?

Ich bin in Verhältnissen aufgewachsen, in denen es weder Geld noch Luxus gab. Meine Freunde auch. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich sie zurückgelassen habe, weil ich jetzt mein Geld mache und ganz anders lebe. Deshalb habe ich das starke Verlangen, meine Freunde, von denen ich eh nur wenig habe, immer überall hin mitzunehmen. 

Rapperin Badmómzjay im Playboy-Interview: „Ich bin Verhältnissen aufgewachsen, in denen es weder Geld noch Luxus gab“

Ist der Wille, anderen zu helfen, Ihre größte Motivation?

Ich rappe nicht, um mir ein Auto oder eine Tasche zu kaufen. Ich gehe ins Studio, weil ich meine Kunst liebe – es würde mich auffressen, wenn ich das nicht machen könnte. Auf der anderen Seite weiß ich: Wenn du noch größer wirst, kannst du deinen Leuten mehr ermöglichen. Ihnen die Welt zeigen oder ihnen die richtigen Leute vorstellen. Alle meine Freunde sind super talentiert.

Haben Sie sich schon immer im Rampenlicht gesehen?

Schon (lacht). Ich war immer gut darin, mich darzustellen und habe mich nie davor gescheut.

Sind Sie auf der Bühne ein anderer Mensch als privat?

Zu 100 Prozent. Der Schalter wird umgelegt, sobald die Show beginnt. 

Und zwischen Jordan und Badmómzjay – gibt es da einen Unterschied?

Privat bin ich ganz anders als Badmómzjay, viel ruhiger und ängstlicher. Tatsächlich war ich deshalb auch eine Zeit lang in Therapie dieses Jahr. Nun habe ich aber begriffen, dass beide Seiten koexistieren können. Und wenn Leute mich jetzt kennenlernen, sagen sie oft: Badmómzjay ist krass, aber Jordan ist krasser.

Rapperin Badmómzjay im Interview: „Privat bin ich ganz anders als Badmómzjay, viel ruhiger und ängstlicher“

Apropos krass – in Ihrem Song „Surival Mode“ heißt es, dass Sie Queen of Rap und nicht nur Queen of Frauenrap sind. Was stört Sie an dem Begriff „Frauenrap“?

Er ist relativierend und abgrenzend. Als würde es sich um zwei verschiedene Genres handeln! Klar, gibt es nicht so viele Frauen im Rap-Business, aber teilweise sind wir so viel krasser als die Männer. Wenn man auf die Zahlen und Rekorde guckt, weiß man, wie gut wir dabei sind …

In dem gleichen Song kritisieren Sie auch den Umgang mit Queerness: „LGBTQ ist keine Promo, das ‘ne Haltung.“ Was stört Sie genau?

Diejenigen, die ausnutzen. Natürlich gibt es Menschen, die sich erst spät über ihre Sexualität im Klaren sind, aber es ist schon sehr merkwürdig, dass immer mehr Leute in der Szene jetzt morgens aufspringen und sich denken: Ja, ich bin jetzt gay. Ich finde es problematisch, LGBTQ zum Trend zu machen, obwohl es ein Kampf ist: Menschen aus der Community werden umgebracht, verfolgt, diskriminiert. Man sollte sich am Ende also wirklich für das Thema einsetzen und sich nicht damit aufspielen.

Rapperin Badmómzjay im Playboy-Interview: „Ich finde es problematisch, LGBTQ zum Trend zu machen, obwohl es ein Kampf ist“

Sie selbst haben sich schon früh als bisexuell geoutet. Wie hat Ihre Familie reagiert?

Ich bin ja nur mit Mama aufgewachsen, und sie war direkt super cool damit. Ich habe ihr gesagt, dass ich auf Frauen stehe, und sie meinte: okay. Das ist das einzige Gespräch, das wir je darüber geführt haben.

Auch, dass Feminismus als Verkaufsmasche und Image-Politur im Musik-Business eingesetzt wird, prangern Sie in Ihren Songs an …

Ich habe ein krasses Problem damit, wenn du von „Girls support girls“ sprichst, aber du dann beispielsweise nur Frauen unterstützt, die keinen Rap machen, weil sie sonst eine Konkurrenz für dich wären.

Titelbild: Jesko Gorgas/Universal Music