Fr., 08.01.2021
Kommentar

Speck, lass nach

Genervt von der eigenen Wampe? Unser Autor HELGE TIMMERBERG ist seine überraschend einfach losgeworden. Schön, dass er uns verrät, auf welche Weise.

Schon klar. Selbstoptimierung wird langsam politisch unkorrekt, weil sie die Faulen diskriminiert. Trotzdem bin ich heilfroh, dass ich meinen Bauch losgeworden bin. Er war einfach lächerlich. Ein ansonsten schlanker Mensch beulte in seiner Mitte dramatisch aus. Und ich bin keine Frau. Von „guter Hoffnung“ keine Spur, nur vom Gegenteil. Mit einer Karl-Valentin-Figur bekommst du keine mehr und verlierst jede, die du hast. Also fort damit. Aber wie? Die Tonne begleitete mich gut zwei Jahrzehnte lang. Brauchte ich nun auch zwei Jahrzehnte, um sie wieder abzubauen?

Um es kurz zu machen: Ich schaffte in zwei Monaten die 20 Kilo weg. Und jetzt, neun Monate später, bin ich noch immer so schlank, wie ich es als Jugendlicher mal gewesen bin. Ohne Jo-JoEffekt, ohne Asketen-Stress. Ich esse alles, was ich mag, Pasta, Pizza, Puddings, ganz egal, wie viele Kalorien das hat, und trinke, was ich will, sogar Alkohol. Aber ich mach das nur acht Stunden am Tag. Und dann 16 Stunden nicht mehr. Null Komma null Kalorien, nix, nicht mal Milch im Kaffee. Hört sich das schlimm an? Nur wenn man vergisst, dass in den täglichen 16 Stunden Fasten acht Stunden Schlaf beinhaltet sind. Da merk ich vom Hunger nichts.

schreibt in der Regel über Reisen statt Diäten, zuletzt in: „Das Mantra gegen die Angst“ (Piper, 20 Euro)

Die Ernährungswissenschaftler, die die 8/16-Diät ausgetüftelt haben, sagen Folgendes dazu: DerKörper braucht zwölf Stunden, um die letzte Mahlzeit komplett abzubauen. Erst ab der 13. Stunde beginnt dann das Fettvernichtungsprogramm. Erst dann fängt das wahre Fasten an, und davon reichen vier Stunden pro Tag, um in nur zwei Monaten, siehe oben, das Gewicht eines lückenlos gefüllten Bierkastens zu verlieren. Und wenn du dabei bleibst, kommt er auch nie wieder.

Das muss man sich mal bildlich vorstellen. Tagein, tagaus geht man, steht man, sitzt man mit einem um den Bauch geschnallten Bierkasten. Ständig, überall, auf jeder Treppe, an jedem Berg, in jeder U-Bahn. Wer tut sich das an? Nicht mal die Profis der Gastronomie und des Getränke-Großhandels würden das durchgehend 24 Stunden tun. Aber solange man den Bierkasten meinen Bauch nennen kann, ist das ganz normal? Und keine Qual?

Mal ein Beispiel. Ich wohne in St. Gallen. Das Städtchen liegt eingebettet zwischen zwei Hügeln. Unser Haus steht ziemlich weit oben, und das Dohlengässlein führt bergan. Gässlein stimmt eigentlich nicht, denn es sind nur Stufen. 150 insgesamt. Mit dem Bierkastenbauch ging mir schon ab Stufe 70 komplett die Puste aus, und oben raste mein Herz wie bekloppt, und ich sah Sterne, wo keine waren. Auch am Tag und auch am Abend oder in der Nacht, wenn der Himmel lückenlos bewölkt war. Die Halluzinationen der Totalerschöpfung nennt man das. Ohne die 20 Kilo überschüssiges Fett schwebe ich das Dohlengässlein zwar nicht hinauf, aber es kommt mir so vor.

Natürlich gebiert 8/16 auch Probleme. Meine Klamotten passen nicht mehr. Ich warf alle Hosen
weg, alle Hemden, alle Jacken, alle Anzüge, alle Mäntel. Und schaffte neue an. Und noch ein Problem ist berichtenswert. Nicht nur der Bauch ist weg, auch der Po. Und der war sehr okay. Problemlösung in diesem Fall: die klassische Levis 512. Sie macht aus allem, was da hängt, ein liebreizendes, knackiges Monument. 

Titelbild: Getty Images