

Ihre Figur war der weibliche Urknall im Action-Universum: Riesenbrüste gegen die muskelbedingten Kräfte aller Supermänner – eine inzwischen wieder etwas aus der Mode gekommene Idealvorstellung. Dieses Zeitgeist-Problem löste sich im Laufe der "Tomb Raider"-Geschichte, der Mythos um die attraktive Abenteurerin wurde reanimiert. Das war gar nicht so leicht, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.
Seinen Ursprung nämlich hat der Mythos in den 90er-Jahren, als das Internet noch „Cyberspace“ heißt und sich vorrangig picklige Stubenhocker für Videospiele interessieren. Noch seltener als weibliche Spieler sind damals nur weibliche Helden. Das ändert sich 1996, als „Tomb Raider“ mit Lara Croft in die Regale kommt: ein sexy Gegenentwurf zu Spielbergs Leinwand-Abenteurer Indiana Jones und attraktive Konkurrenz zu Nintendos dickem Klempner Super Mario.
Das Spiel wird zum Kassenschlager, auch Frauen interessieren sich plötzlich für Videogames, und eine Verfilmung lässt nicht lange auf sich warten: Angelina Jolie übernimmt die Rolle. Sexsymbol spielt Sexsymbol. Der Film gerät mittelmäßig, der Erfolg aber ist gewaltig.
Rockstar: 1998 singen Die Ärzte „Männer sind Schweine“ – und lassen sich im Musikvideo von Lara Croft verprügeln. Bela B. über die Wahl der weiblichen Hauptrolle: „Lara würde niemals auf einen Mann reinfallen.“
Und Sigourney Weaver, die in Ridley Scotts „Alien“ 1979 zur ersten Action-Heldin wurde, zeigt sich enttäuscht: „Dicke Brüste, enge Shorts und eine Knarre in der Hand, das allein reicht in meinen Augen noch nicht, um einen weiblichen Hero zu kreieren“, sagt sie damals im „Spiegel“-Interview. Eine Meinung, die mehrheitsfähig wird und die das Team hinter dem „Tomb Raider“-Spiel teilt, als es 2013 den Schritt zur Neuauflage wagt: Der Lara-Croft-Charakter wird überarbeitet, die Story auf null gesetzt. Ab sofort ist Lara nicht mehr die schießwütige Amazone, sondern eine junge, unerfahrene Frau.
Doch „Tomb Raider“ wird erneut zum Kassenschlager. Was beim Spiel funktioniert, erhofften sich 2018 auch die Macher des Kino-Abenteuers mit Alicia Vikander in der Hauptrolle: eine junge Frau, die ihr erstes Abenteuer erlebt. Schlau statt schießwütig. Vielschichtig statt vollbusig.
Eine Heldin, die sich perfekt in die #MeToo-Epoche einfügt. Und auch die Geschichte passt dazu: Lara macht sich auf die Suche nach ihrem verschollenen Vater, einem reichen Abenteurer. Dessen Geld und die Leitung seines Konzerns lehnt sie ab. Sie will sich selbst beweisen, ohne männliche Hilfe. Das ist ein Hollywood-Trend: Auch „Star Wars“ setzte zuletzt auf weibliche Hauptfiguren. Mit Alicia Vikander aber haben wir erlebt, wie wunderschön Gleichberechtigung auch unter Grabräubern ist. 25 Jahre nach ihrem ersten Abenteuer ist Lara Croft in der Gegenwart angekommen.