Do., 14.01.2021
Kommentar

Wie politisch korrekt sollten wir sein?

Deutschlands nachdenklichster Komiker, Dieter Nuhr, hat darauf mehrere menschlich korrekte Antworten.

Was ist eigentlich dieses "politisch Korrekte", über das ständig geredet wird? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, weshalb ich angefragt wurde, einen Beitrag in einem Heft zu schreiben, dessen Obertitel lautet: „How to be a Man“. Ich glaube allerdings, dass es für viele heute bereits unkorrekt ist, danach zu fragen, was ein richtiger Mann ist. Weil das bedeutet, Geschlechterstereotypen einfach so hinzunehmen. Manch einer findet vielleicht, die Ausgabe sollte besser „How to be a m/w/d“ heißen. Ich weiß es nicht.

Der Satz „Ich weiß es nicht“ klingt natürlich ebenfalls bereits wenig männlich. Ein Mann sollte doch wissen, was ein Mann wissen muss! Das glaubt man zumindest, wenn man mit altertümlichen Geschlechterrollen aufgewachsen ist. Heute wissen wir: Nicht nur der Mann weiß etwas, eine Frau natürlich auch. Und geschlechterfluide Personen ebenso!

Auch das muss immer erwähnt werden, will man politisch korrekt sein. Deshalb ist das Politisch-korrekt-Sein auch so mühselig. Weil alles erwähnt werden muss – immer und immer wieder. Das geht auf den Sack, wie man als Mann so gerne sagt. Womit natürlich kein männlich konnotierter  Körperteil gemeint ist, sondern ein geschlechtsneutrales Behältnis aus Jute, das in China gerne einmal umfällt.

"Die Welt verändert sich, und wer da nicht mitkommt, sollte nicht auch noch beleidigt herumstänkern"

Eigentlich mag ich es sogar, wenn sich Menschen politisch korrekt verhalten. Ich finde es beispielsweise peinlich, wenn Menschen sich beklagen, nicht mehr „Neger“ sagen zu dürfen. Meist kommt diese Klage aus Menschen, die ihre vernagelte Birne mit Haltung verwechseln. Der N-Begriff wird von Schwarzen als beleidigend empfunden, also benutze ich ihn nicht, auch wenn er vor 50 Jahren noch normal erschien. Es war auch vor 300 Jahren noch normal, dass man den Kotkübel auf die Straße entleerte. Heute macht man das nicht mehr. Gut so. Die Welt verändert sich, und wer da nicht mitkommt, sollte nicht auch noch beleidigt herumstänkern.

Genauso richtig ist aber auch, dass das nörgelige Korrigieren durch unsere politisch korrekten Mitmenschen lästig ist, vor allem, wenn es penetrant wird. Wer andere bei jeder vermeintlich unkorrekten Wortwahl verbessert, ist das, was der Engländer gerne als "pain in the ass" bezeichnet, eine Konstruktion, für die die deutsche Sprache leider kein ansprechendes Äquivalent kennt.

"Korrigierendes Eingreifen in die Alltagssprache dagegen ist ein Merkmal von Diktaturen"

Auch Anglizismen werden ja gerne von selbst ernannten Sprachrettern abgelehnt. Mir persönlich are Anglizismen going along the bottom. Das mag dem einen oder anderen als zu nachsichtig erscheinen, ist mir aber egal. Ich halte Nachsichtigkeit an sich für ein wichtiges Merkmal humaner Gesellschaften. Korrigierendes Eingreifen in die Alltagssprache dagegen ist ein Merkmal von Diktaturen.

Ich halte es für zutiefst menschlich, auch mal nicht genau hinzuschauen und Unkorrektes beiläufig hinzunehmen. Man darf dann auch den Kopf schütteln. Aber das stete Beharren auf politischer Korrektheit sorgt nicht nur für verklemmte Atmosphäre, sondern auch dafür, dass Menschen glauben, sie würden gezwungen, sich den Vorgaben moralischer Blockwarte zu unterwerfen. Ich will weder mit den politisch korrekten Spießern noch mit den radikalisierten Hassern der politischen Korrektheit etwas zu tun haben. Ich bin ein freier Mann mit eigenen Gedanken. Keine Frau. Kein Diversgeschlechtlicher. Da kann ich nicht für. Es war auch keine Absicht. Mir ist mein Mannsein einfach so passiert. Für mich ist „How to be a man“ deshalb schnell erklärt: Man ist es. Oder man ist es nicht. Egal.

Titelbild: Jutta Hasshoff