Mi., 13.06.2018
Interviews

Palina Rojinski: „Männer müssen sich mehr trauen“

Als ARD-Reporterin bereiste Palina Rojinski während der WM 2018 ihre einstige Heimat Russland. Playboy-Redakteur David Goller traf sich vorab mit ihr im "Soho House" Berlin, um mit der gebürtigen Leningraderin über die WM, Musik und Männertypen zu unterhalten.

Dieses Interview erschien erstmals in Ausgabe 07/2018

Berlin, „Soho House“, ein Refugium für Stars. Auf einigen Etagen herrscht Foto-Verbot. Im Hotelzimmer, in dem wir mit Palina Rojinski zum Flirt-Interview im Bett verabredet sind, zum Glück nicht. „Wir brauchen Musik!“ Mit diesen Worten betritt die 33-Jährige den Raum und schafft sofort Bühnen-Atmo: verbindet ihr Handy mit der Bluetooth-Box und dreht auf, wirbelt ins Bad, um ihr knallbuntes Blumen-Outfit gegen einen kuscheligen weißen Bademantel zu tauschen. Und untermalt das alles mit diesem umwerfenden Augenblitzen, neben dem schon viele Show-Scheinwerfer verblassten. Nach diversen Jugendmeister- Titeln in rhythmischer Sportgymnastik stahl sie zuletzt als „Circus HalliGalli“-Sidekick Joko & Klaas die Show. Ab aufs Kingsize-Bett jetzt. Ob ihr Blick so scharf ist, wie er aussieht? Gute Frage.

Palina, du hast nicht zufällig ein fotografisches Gedächtnis?

Wieso? Weil wir uns schon mal gesehen haben?

Ja, hier im „Soho House“ sind wir uns vor zwei Jahren begegnet. Aber du erinnerst dich natürlich nicht.

Doch, ich kann mich erinnern. Ich hab mich nur nicht getraut, das zu sagen. Das wäre so creepy rübergekommen. Aber ich habe natürlich sofort die Interviewanfrage zugesagt, weil ich wusste: „Oh mein Gott, das ist der Typ von damals!“

Mal im Ernst: Was muss ein Mann machen, damit er bei dir in Erinnerung bleibt?

Ich denke, das Schönste ist, wenn jemand spontan und witzig ist. Humor ist ja so eine feinfühlige Sache. Man merkt sofort, wenn etwas konstruiert ist. Auswendig gelernte Anmachsprüche zum Beispiel gehen gar nicht.

Credit: Felix Krüger

Ich habe mich trotzdem gut vorbereitet und dabei gelesen, dass du als Kind in Freddie Mercury verliebt warst. Lag das an der Musik, oder sollte ich mir, wenn ich dich näher kennenlernen will, auch so einen Überbiss zulegen?

Es lag an der Musik. Wenn man als Kind verliebt ist, weiß man nicht, warum. Es ist einfach die ganze Ausstrahlung, die Person. Er war schon was Besonderes! Er war so eine Stil-Ikone und hat – jedenfalls habe ich das so empfunden – sich nie etwas daraus gemacht, was die Leute über ihn denken, was er anhat oder wie er aussieht. Ich glaube, das fand ich schon als Kind so faszinierend.

Hörst du seine Musik noch heute?

Ja, tatsächlich. Hab ich auch immer mal in meiner Playlist. Ich liebe „Don’t Stop Me Now“. Das ist so ein Energielied, das macht einfach Spaß. Oder „Bohemian Rhapsody“, das sind Klassiker. Wobei der Begriff zu oft gebraucht wird. Meisterwerke klingt schöner!

Weißt du, was meiner Meinung nach ein Meisterwerk ist? Christian Ulmens und Fahri Yardims Serie „jerks.“, in der du in einer Folge mitgespielt hast. Da versucht Fahri Yardim mit dir ins Bett zu kommen. Klappt aber nicht. So gesehen habe ich ihm jetzt was voraus . . .

Hahaha! Ja, aber es ist der Fahri aus „jerks.“, also seine Rolle. Nicht der echte Fahri. Den kenn ich ja schon ewig . . .

Wäre er dein Typ?

Ach, ich hab nicht so ein festes Beuteschema wie Dieter Bohlen oder Boris Becker.

Eine gute Nachricht für die Männerwelt!

Ja, jeder hat eine Chance! (Lacht)

Credit: Felix Krüger

Es heißt ja immer, es gebe so wenige lustige Frauen in Deutschland. Wo hast du deinen Humor her?

Ich lese mir jeden Morgen auf "Witze.de" einen Witz durch, um witzig genug für den Tag zu sein. Nee, ich geb’s zu: Ich hab ihn mir gekauft. Ich bin Russin, und da kann man sich ja alles kaufen. Ich bin eigentlich gar nicht lustig, sondern habe einen Autor, der schreibt mir alles.

Und du hast so einen Knopf im Ohr, durch den er dir alles vorsagt?

Ja, jetzt gerade auch. Manchmal verstehe ich ihn nicht so richtig, dann mache ich immer so eine Pause, und dann sehe ich . . .

Wunderschön aus!

Nee, beknackt aus!

Aha, du bist schüchtern! Fällt mir gerade ein, dass ich das irgendwo gelesen habe . . .

Kommt drauf an, wann und wo. Manchmal bin ich schüchtern. Kennst du dieses Gefühl, wenn man im Sommer draußen in einem Lokal essen gehen will, überall stehen Tische, und dann fährt man so mit dem Auto vor, und der einzige freie Parkplatz ist direkt vor dem Laden, wo die ganzen Leute sitzen? Da zu parken ist mir unangenehm. Das ist mir vorgestern passiert. Am Ende hab ich dann um die Ecke geparkt.

Echt? Die Menschen freuen sich doch, dich zu sehen! Oder bist du eine, die sich manchmal fragt, woher ihr Fernseherfolg kommt?

Ich glaube, sobald man sich das fragt, ist die Gefahr groß, dass der Erfolg nachlässt. Weil es dann nicht mehr so natürlich ist. Aber so bin ich. Es gibt andere, die sind total konstruiert. Ich merke, ich funktioniere anders: eher ungeplant und absolut ohne große Strategie. Das könnte ich gar nicht, ich bin viel zu undiszipliniert und zu faul für irgendwelche Strategien.

Ich glaube, dein Erfolgsgeheimnis ist, dass du einfach einzigartig bist. Du bist bestimmt noch nie mit einem anderen Prominenten verwechselt worden!

Doch. Mit Arnold Schwarzenegger. Also eigentlich ständig. Die Leute sagen oft auf der Straße zu mir: „Hasta la vista, baby!“

Wie kommen die Leute vom Fernsehen mit einer wie dir zurecht: der exaltierten, rothaarigen Russin, die man nicht planen kann?

. . . und die dazu noch gern schrille Blumenmuster und bunte Farben mag? Das sieht halt manchmal wie ein Testbild aus.

Im Ernst: Gibt es etwas, das du übers Show-Geschäft lernen musstest?

Was ich über die Jahre gemerkt habe, ist, dass es wichtig ist, immer wieder mal off the record zu sein. Eine Zeit lang habe ich total viel gearbeitet. Da hatte ich gefühlt zehn Tage im Jahr frei. Und das ist einfach zu wenig, weil ich in meinem Beruf so viel mit meiner Substanz arbeite. Man ist immer am Geben und muss sich im Gegenzug auch mal selbst ein bisschen Zeit nehmen.

Apropos geben: Was gerade wir Männer an dir so mögen, ist, dass du in deinen Sendungen, zum Beispiel mit Joko & Klaas, so viel Blödsinn gemacht hast, den sonst eher Jungs unter sich machen. Du warst immer wunderschöne Frau und Kumpeltyp in einer Person. Dadurch hatte niemand Schiss vor dir. Und du weißt ja: Männer haben oft Angst vor Frauen.

Schon, ne? Ich weiß noch, dass ich in meiner Teenie-Zeit oft traurig war, weil ich gedacht hab, keiner mag mich. Ich wurde da echt nicht so viel angesprochen. Monate später habe ich dann mitgekriegt, dass der, in den ich voll verliebt war, auch in mich verliebt war und sich nicht getraut hat, mich anzusprechen. Aber so angsteinflößend bin ich doch gar nicht, oder? Ich finde, Männer müssen sich echt ein bisschen mehr trauen. Das fehlt euch mittlerweile: der nötige Mut, Frauen einfach nett anzusprechen. Nett! Nett! Nicht „Boah, bist du geil!“ Nett!

Was ist das schönste Kompliment, das man dir bisher gemacht hat?

Du hast so schöne Augen. Haha! Wenn es der Richtige sagt, dann ist es das Allerallerschönste!

Stimmt es, dass deine Mutter dich mal verkuppeln wollte?

Oh Gott, ja, war das eine peinliche Aktion.

Das will ich hören! Wie war das?

Ich hoffe nicht, dass der Typ das jetzt liest. Das ist echt peinlich.

Credit: Felix Krüger

Wie lange ist das her?

Super lang. Da war ich 18 oder 19. Der Typ war Russe und ein bisschen älter als ich. Meine Mutter dachte aus irgendeinem Grund, das ist der perfekte Kandidat für mich. Sie hat dann so eine Situation arrangiert. Schrecklich! Am Ende haben wir zu dritt Tee getrunken. Es war sehr unangenehm. Heute ist es lustig, und wir können darüber natürlich sehr lachen.

Haben russische Männer etwas an sich, das Deutsche nicht haben?

Ich habe das Gefühl, russische Männer werden schon so erzogen, dass sie die Frau auf Händen tragen. Es gibt Blumen beim Date, und der Mann zahlt.

Findest du das wichtig?

Also, bei einem Date muss auf jeden Fall der Mann zahlen, da bin ich sehr traditionell. Alles andere kommt einfach echt blöd rüber.

Und welche Vorzüge haben deutsche Männer?

Naja, bei russischen Männern ist am Anfang halt dieses Auf-Händen-Tragen. Aber dann muss die Frau den Mann im Gegenzug bewirten und ihm alles kochen. Und bei deutschen Männern ist das nicht so. Ich liebe es, wenn ein Mann mithilft. Ich finde das total wichtig. Weil man sich das Leben teilt, und da ist das schon männlich, wenn er die Spülmaschine ausräumt. Oder wenn man zusammen einkauft und er trägt alles. Total süß! 

Jetzt geht’s für dich ja wieder nach Russland zur WM. Du berichtest für die ARD aus deinem Heimatland.

Genau, wir waren letztes Jahr schon zum Confed Cup da und haben alle Spielorte bereist. Ich habe sechs Städte besucht und die Weiten – und die Tiefen und die Höhen – Russlands entdeckt und fand es superspannend.

Wie ist es für dich, in dein Geburtsland zu kommen?

Ich merke jedes Mal, was an mir typisch russisch ist. Und dass es trotzdem nicht den typischen Russen oder die typische Russin gibt. Aber nachdem ich jetzt die vielen verschiedenen Städte gesehen habe, verstehe ich auch, warum meine Eltern immer darauf pochen zu sagen: „Wir sind aus Sankt Petersburg!“ Sankt Petersburg ist im Vergleich zum Rest Russlands wirklich sehr westlich.

Du hast mal gesagt, dein Kopf sei deutsch, dein Herz russisch. Wie meinst du das?

Ich fühle mich in Deutschland zu Hause. In Russland nicht, aber es gibt da was . . . Ich glaube, das hat einfach mit meinen Wurzeln zu tun. Das ist eher ein Gefühl und schwer in Worte zu fassen.

Was ist für dich typisch deutsch?

Was ich voll cool finde, ist dieses Geregelte. Allein, dass es überall einen Hausmeister gab, war für uns damals etwas völlig Neues. Alles hatte im Vergleich zur Sowjetunion eine Struktur. Du musstest am Ende des Tages keine Angst um deine Existenz haben. Es gab so eine gewisse Rationalität.

Sind Russen für dich weniger rational?

Nicht grundsätzlich, aber zum Beispiel bin ich immer noch total abergläubisch. Das ist total russisch an mir.

Und jetzt fährst du zur WM, obwohl du gar keine Ahnung von Fußball hast . . .

(Mit russischem Akzent) Weil ich Reporterin bin für Land und Leute! Und weil ich gut aussehe! (Lacht) Ich bin ja wirklich nicht für den Fußball zuständig, sondern werde die russische Seele in ein bisschen Farbe, Ton und bewegtes Bildmaterial packen.

Credit: Felix Krüger

In Deutschland ist das Russlandbild noch sehr historisch geprägt.

Ja, das stimmt. Darum freue ich mich auch so auf meine Aufgabe. Deutsche und Russen sind sich ja viel näher, als die Deutschen wissen. Ich kenne bis jetzt niemanden aus Deutschland, der Russland nicht mag, wenn er einmal da war. Niemanden! Die Menschen sind wirklich sehr gastfreundlich und herzlich. Das ist noch etwas, das an mir typisch russisch ist. Ich bin sehr gastfreundlich. Und ich schenke immer allen Blumen.

Blumen verschenken wir Deutschen doch auch!

Ja, aber eigentlich nur als Verlegenheitslösung oder wenn der Mann Mist gebaut hat.

Das wertet dann die Blumen ab.

Genau. Das finde ich so ein bisschen schwierig.

Hätte ich doch Blumen mitbringen sollen . . .?

Oh ja, ich liebe Blumen, wirklich! Ich finde auch, die Männer könnten ihren Frauen ruhig öfter welche schenken. Und ihren Müttern und auch mal den Schwestern. Was hattest du eigentlich gefragt?

Du fährst zur WM, obwohl du dich nicht so richtig für Fußball interessierst. Freust du dich denn trotzdem darauf?

Ja klar. Ich liebe das, ich liebe Feste! Ich liebe Geburtstage. Silvester ist eines meiner Lieblingsfeste. Jeder Grund zu feiern ist super! Ich hoffe, es gibt genug Alkohol im Land! Als der FC Zenit St. Peters-burg 2008 den Uefa-Pokal gewonnen hat, war wirklich der Alkohol in ganz St. Petersburg ausverkauft. Das ist kein Scherz! Es gab nirgendwo mehr Alkohol. Die ganze Stadt war leer getrunken.

Schaust du dir auch WM-Spiele an und gehst ins Stadion?

Ja, ich bin schon so ein Trittbrettfahrer. Also, ich male mich jetzt nicht schwarz-rot-gold an, aber ich bin auf jeden Fall für Deutschland.

Und wenn Deutschland gegen Russland ins Halbfinale kommt?

Deutschland.

Wirklich?

Also ich hoffe, es wäre dann nicht so ein Ergebnis wie vor vier Jahren gegen Brasilien. Weil, das hat ja allen wehgetan. Das hat ja auch der deutschen Mannschaft wehgetan. Aber ich bin da schon für Deutschland.

Du bist ja in St. Petersburg geboren worden . . .

Und auch sehr stolz darauf! Im Ausweis steht sogar noch zusätzlich Leningrad drin. Ich stamme noch aus einer alten Zeit. Das ist irgendwie Geschichte. Das finde ich gut. Das erinnert mich auch immer daran, wie es in der Sowjetunion zuging. Was man alles nicht hatte und wie man sich wegen eines Kaugummis gefreut hat. Wenn ich einen pinken Kaugummi mit irgendwelchem ekelhaften Chemie- Erdbeergeschmack hatte, habe ich den gefühlt eine Woche lang gekaut im Kindergarten. Damit hab ich dann Blasen gemacht und war die Coolste!

Credit: Felix Krüger

Schmeckt nicht, sieht aber gut aus?

Ja, genau! Dann hieß es „Wow, woher hast du diesen Import?“ Das Wort „Import“ stand für cool. Ist das Import? Ist das ein Import-Kaugummi? Ist das eine Import-Jeans? Was ist das für eine Strumpfhose, ist das eine Import-Strumpfhose? Deswegen sind die Russen auch so durchgedreht, als alle Grenzen geöffnet waren. „Es gibt goldene Wasserhähne?“ Ich fand alles wertvoll. Ich fand ja schon eine Bifi wertvoll, weil die eingepackt war in so eine tolle bunte Verpackung . . .

Ist Deine Leidenschaft für Bifi geblieben?

Nee, obwohl ich Fleisch liebe, versuche ich darauf zu verzichten. Einfach der Umwelt zuliebe, den Tieren zuliebe, dem Karma und auch der Gesundheit zuliebe.

Aber wenn du Fleisch isst, was gönnst du dir da am ehesten? Steak? Burger?

Ich liebe beides, Entrecôte und auch Burger. Aber ich muss dir sagen, ich war in Tirol und hab mir die Alm angeguckt. Überall glückliche Kühe. Die sind so lustig. Richtig liebenswert. Und die hören sogar auf ihre Namen. Ich weiß nicht, wie lange das Gefühl noch anhält, aber es ist irgendwie so, als ob ich meinen Hund essen würde. Ich will jetzt hier keine Propaganda betreiben oder irgendwas dogmatisieren. Aber man sieht heute ja oft nur das fertige Produkt auf dem Teller und darf halt nicht vergessen, was das mal war. Deswegen: mit Bedacht genießen!

Kannst du kochen?

Ja, ein bisschen.

Auch russische Gerichte?

Ein bisschen. Aber es dauert meistens lang. So ein Borschtsch braucht halt schon ein paar Stunden. Kommt drauf an, welches Rezept du benutzt. Aber du musst ja erst mal den ganzen Kohl und die Rote Beete und alles anbraten und anrösten, damit das alles schön Geschmack kriegt.

Ich habe dir übrigens was mitgebracht: Wodka aus deiner Heimatstadt.

Hey, ich hab mal eine Flasche davon getrunken! Also die kleinere – bei einer Silvesterparty. Aber ich war so betrunken, das war echt krass. Ich wollte mich hinsetzen und hab mich einfach rechts neben den Stuhl auf den Boden gesetzt. Ich kam dann natürlich nicht wieder hoch, und meine Freundin hat sich totgelacht, hat mir geholfen, und dann wollte ich mich wieder hinsetzen und hab mich links neben den Stuhl auf den Boden gesetzt.

Komm, darauf stoßen wir an!

Ja! Und auf eine gute WM!

Credit: Felix Krüger
Titelbild: Felix Krüger