Ex-Profi Christoph Kramer: „Die Tragödie des Lebens ist, dass man nur eins hat“


Ein Donnerstagnachmittag in Köln. Christoph Kramer wartet schon in einem hellen Besprechungsraum des Verlags Kiepenheuer & Witsch. Freundlich wirkt der 34-Jährige bei der Begrüßung, hellwach, aber entspannt. Hinter ihm ist durch große Fenster der Hauptbahnhof zu sehen, vor ihm der Anlass für unser Gespräch: Aufgestapelt liegen dort etwa zehn Ausgaben seines Debütromans „Das Leben fing im Sommer an“. Der Weltmeister von 2014 erzählt darin von einem 15-Jährigen voller Träume und Ängste, der im Sommer 2006 drei Tage erlebt, in denen sich ein ganzes Teenagerleben verdichtet. Klar erkennbar: Die Geschichte ist stark autobiografisch gefärbt. Der vielleicht wichtigste Schauplatz im Buch ist ein Scheunendach auf dem Bauernhof der Eltern. Dort sitzt der junge Protagonist oft mit seinen Kumpels, verarbeitet Erlebnisse, denkt nach, fällt Entscheidungen.
Herr Kramer, das Scheunendach aus dem Buch, gibt es das wirklich?
Ja, das ist echt. Genau so, wie ich es beschreibe.
Sitzen Sie da noch manchmal?
Ich bin da regelmäßig, auch mit Salvo (einem der Kumpels aus dem Buch, d. Red.). Ich verbinde mit diesem Dach so viel. Wenn ich über etwas nachdenken musste, Sorgen hatte, dann saß ich dort immer. Oft auch mit Freunden. Wir chillten da am Wochenende, philosophierten übers Leben. Für mich ist „zu Hause“ nicht unbedingt ein Ort, sondern die Menschen, die mir wichtig sind. Aber wenn ich einen Ort habe, der für mich „zu Hause“ ist, dann ist es dieses Dach.
Im Buch erzählen Sie, dass Sie dort als 15-Jähriger drei Nächte lang saßen, nachdem Sie – auch das ist autobiografisch – als Jugendspieler bei Bayer Leverkusen rausgeflogen sind. Waren Sie im letzten Sommer, nach dem für Sie sehr emotionalen Aus bei Borussia Mönchengladbach, auch dort?
Ja, an dem Tag, an dem ich meinen Auflösungsvertrag unterschrieben habe, bin ich hingefahren. Es hat mir gutgetan, in so einem Moment einfach mal in eine bekannte Gegend zu gucken und zu denken: Boah, hier hat alles angefangen, da bin ich meine ersten Schritte gegangen, dort habe ich als Kind Fußball gespielt.
Wie könnte eine Überschrift für das Kapitel in Ihrem Leben lauten, das nach dem Abschied von Gladbach begonnen hat? Alles hat seine Zeit. Alles hat seine Zeit?
Ich habe mein ganzes Leben lang Fußball gespielt, habe dem Sport alles untergeordnet. Und natürlich vermisse ich jetzt gewisse Dinge, in große Stadien einzulaufen zum Beispiel. Nur habe ich mir irgendwann auf diesem Dach gesagt: Sei dankbar dafür, dass du das alles erleben durftest, und danach beginnt eine neue Zeit. Ich liebe es, mir Bilder aus der Vergangenheit in den Kopf zurückzuholen, und ich werde immer glücklich auf diese Zeit zurückgucken – aber nie wehmütig.