„Ich bin mir meiner Fehler voll bewusst“
In „The Toxic Avenger" spielen Sie einen klassischen Bösewicht. Auch wenn Sie im realen Leben ein viel besserer Mensch sind: Denken Sie oft an Dinge zurück, die Sie falsch gemacht haben?
Ich schaue grundsätzlich nicht gerne in die Vergangenheit. Auf dem Highway meines Lebens fahre ich immer vorwärts. Wenn ich jetzt versuchen würde, mich an alles zu erinnern, was ich falsch gemacht habe, wäre das ein Rückschritt.
Aber haben Sie denn viel falsch gemacht? Was ist ihr Gefühl?
Kein Mensch ist vollkommen. Auch ich nicht. Wahrscheinlich habe ich die Gefühle des einen oder anderen Menschen verletzt. Aber das gehört zum normalen Entwicklungsprozess eines Lebens dazu. Es ist ja nicht so, dass ich meine Fehler geleugnet hätte. Ich bin mir ihrer voll bewusst.
Haben Sie daraus Konsequenzen gezogen?
Nur wenn du anerkennst, was falsch gemacht hast, kannst du reifer werden. Auch wenn das eine Binsenweisheit ist: Wir müssen aus unseren Fehlern lernen. Das habe ich versucht, denn ich möchte mein Bestes tun, um mein Erdendasein so anständig zu verbringen wie möglich.
Was ist Ihr Rezept, um ein anständiger Mensch zu sein?
Du sollst einfach glauben, was du willst, und dein Leben leben, ohne anderen Menschen wehzutun.
Sie leben ja nicht allein, sondern sind seit 1988 mit Ihrer Kollegin Kyra Sedgwick verheiratet. Was für einen Einfluss hat sie auf Sie?
Sie ist meine Frau für knifflige Situationen. Wann immer ich einen Notfall habe, wende ich mich an sie. ich bin sehr dankbar, dass wir schon so lange zusammen sind. Ein Grund dafür ist, dass jeder den anderen unterstützt, wenn es nötig ist.
Wann haben Sie sie zum letzten Mal gebraucht?
Vor ein paar Wochen hatte ich eine Glaubenskrise. Ich bin um vier Uhr in der Früh aufgewacht und konnte nicht mehr schlafen, weil es immer schlimmer wurde.
Und Sie haben Ihre Frau aufgeweckt?
Ich habe sie schlafen lassen, aber als sie dann wach wurde, war ich nervlich im Keller. Zum Glück war sie dann für mich da und hatte ein offenes Ohr für meine Probleme.
Warum hat ein erfolgreicher Hollywood-Star wie Sie Glaubenskrisen?
Von außen betrachtet mag ja alles bei mir gut und schön sein. Aber jeder Mensch hat doch düstere Momente von Traurigkeit und Angst. Das ist Teil unserer Existenz.
Derart lange Ehen sind bei prominenten Schauspielern alles andere als selbstverständlich, oder?
Für uns ist das nicht schwieriger als für jeden anderen. Niemand hat mir je Statistiken gezeigt, wonach Schauspieler mit ihrer Ehe größere Probleme haben als andere. Eigentlich funktioniert die Ehe als solchen nicht. Mindestens die Hälfte der Leute lassen sich scheiden.
Warum gehören Sie beide zu den glücklichen 50 Prozent?
Wir versuchen, gut zu kommunizieren. Das Problem ist, dass die meisten Leute einfach nicht den richtigen Partner gefunden haben. Da musst du nach dem Prinzip „trial and error" vorgehen, und das braucht Zeit. Außerdem glaube ich, dass Männer zu jung heiraten.
Was heißt das genau?
In ihren 20ern sind Männer noch zu jung für die Ehe. Ich selbst war 30, als ich geheiratet habe. Frauen dagegen sind emotional viel reifer. Sie werden schneller erwachsen und verstehen mehr von Beziehungen. Jungen Männern geht es mehr um ihr Selbstbewusstsein und ihre physischen Bedürfnisse.
Gab es Erfahrungen in Ihrem Leben, die Ihr Selbstbewusstsein erschüttert haben?
Ja, zum Beispiel der 11. September. Als New Yorker rast du so durchs Leben, und durch dieses Ereignis stoppte ich auf einmal und begriff: Es gibt noch Wichtigeres jenseits deiner kleinen Probleme. Ein anderes einschneidendes Ereignis war der Tod meines Vaters. Nachdem schon meine Mutter gestorben war, machte mich das zur Vollwaise. Und auf einmal habe ich mich wirklich erwachsen gefühlt. Aber du brauchst solche Erfahrungen, die deine Welt durcheinanderbringen. Denn sie füllen dein kreatives Potenzial, den blubbernden Kessel im Bauch, aus dem du für deine Arbeit schöpfst.
Sie schöpfen aus diesem Kessel schon ziemlich lange. Ihr Leinwanddebüt gaben Sie vor 47 Jahren. Haben Sie eine Erklärung, warum Ihre Karriere so lange währt?
Ich sage immer: Es gibt kein Geheimnis für diese Dauerhaftigkeit. Die Dauerhaftigkeit an sich ist das Geheimnis.
Können Sie das näher erklären?
Du musst einfach einen Weg finden, um dranzubleiben. Natürlich kann das schwierig sein – aus allen möglichen Gründen. Du erlebst viel Ablehnung. Oftmals läuft es einfach nicht. Man beurteilt dich nach so vielen Kriterien: wer du bist, wie du aussiehst, wie alt du bist und ob deine Filme Geld einspielen oder wie deine Einschaltquoten sind. Es gibt unzählige Dinge, die dich zurückwerfen können.
Aber warum haben Sie sich nicht zurückwerfen lassen?
Weil ich nie einen Plan B hatte. Als ich mich entschloss, Schauspieler zu werden, war meine Einstellung: Ich werde nie etwas anderes machen. Da war ich 17, und ich musste mir mein Geld als Hilfskellner verdienen, aber ich sagte mir: Selbst wenn ich den Rest meines Lebens Hilfskellner bin, im Kopf werde ich immer ein Schauspieler bleiben.
Wie kamen Sie überhaupt auf den Gedanken, Schauspieler zu werden?
Ich wollte schon als kleiner Junge, dass alle mich ansehen, wenn ich in ein Zimmer kam. Und wenn die Leute das nicht taten, fand ich Mittel und Wege, um die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Das war der ursprüngliche Impuls. Mit 16 gewann ich dann ein Kunststipendium, mit dem ich fünf Wochen lang Theater studieren konnte, und dann war alles klar für mich.
Sie wollten Schauspieler werden, weil Sie die Aufmerksamkeit des Publikums suchten?
Das war ein Teilaspekt. Als Schauspieler willst du vom Publikum geliebt werden. Das darf allerdings nicht der einzige Sinn deines Lebens sein. Du musst noch andere Dinge finden, die dir Frieden und Selbstwertgefühl geben, sonst zerstörst du dich selbst.
Sie erwähnten Ihre Eltern. Wie gingen die damit um, dass Sie schon in jungen Jahren Schauspieler werden wollten?
Mein Bruder fand für die Einstellung meiner Eltern ein gutes Wort: liebevolle Vernachlässigung. Beide hatten viel zu tun, mein Vater war Stadtplaner, meine Mutter Aktivistin, aber sie schafften eine Umgebung, in der meine fünf Geschwister und ich uns sehr nahestanden. Das gilt auch heute noch. Also müssen sie etwas richtig gemacht haben. Als ich mit 17 das Haus verließ, sagten sie einfach: Geh deiner Wege. Dabei interessierten sie sich für meine Karriere, waren bei jeder Premiere dabei. Aber mein Verhältnis zu meinen eigenen Kindern ist viel enger, wir sprechen über alles.
Ihre Eltern dürften sich besonders gefreut haben, als Sie 1984 mit „Footloose" den großen Durchbruch feierten. Wie präsent ist der Film noch in Ihrem Bewusstsein?
Wenn du in einem Film auftrittst, der bei den Menschen einen so bleibenden Eindruck hinterlässt, dann kommt der natürlich immer wieder in Gesprächen hoch. Von mir aus denke ich nicht so häufig daran zurück. Es ist nicht so, dass mir der Titelsong ständig im Kopf herumschwirrt und ich die Tanz-Moves dazu mache. Wie schon gesagt, ich bewege mich im Leben vorwärts. Aber dieses Jahr hörte ich einen Podcast mit meinem Kollegen John Lithgow, der im Film den Reverend Shaw spielt. Darin erzählte er, wie er für die Rolle recherchiert hatte, und prompt kamen auf einmal alle Erinnerungen zurück. Es war so, als hätte ich den Film gestern gedreht. Und wenn Sie mich jetzt danach fragen, dann schickt mich das wieder in diese Zeit zurück.
Waren Sie sich damals schon bewusst, was diese Rolle für Ihre Karriere bedeuten könnte?
Eigentlich wollte ich sie gar nicht spielen. Denn mir war klar, dass das ein Film der Popkultur war, und ich wollte nicht mit Popkultur zu tun haben. Ich wollte als – in Anführungszeichen seriöser Schauspieler betrachtet werden.
Wie sehen Sie den Film heute?
Ich hatte ihn lange Zeit nicht mehr gesehen, aber letztes Jahr war das 40. Jubiläum, und da gab es eine Vorführung, am der ich teilnehmen musste. Ich war erstaunt, wie gut sich der Film gehalten hat. Wegen der ganzen Musik und seiner Leichtigkeit gilt er als oberflächlich – eben weil es ein Film über Teenager ist. Aber er dreht sich um eine ganze Reihe ernst zu nehmender Themen. Zum Beispiel darum, dass das Tanzen im Namen der Religion verboten werden kann. Ich finde, das hat auch heute noch viel Relevanz.
“Ich wollte schon als kleiner Junge, dass alle mich ansehen, wenn ich in ein Zimmer kam"
Wenn man sich Ihre privaten Vorlieben so ansieht, ist die Schauspielerei aber nicht das Einzige. Sie leben auf einer Farm, wo Sie und Ihre Frau Schweine, Ziegen und Alpakas züchten …
Ein Job, bei dem ich mit Tieren zu tun habe, wäre für mich ebenfalls denkbar. Abgesehen davon interessierte ich mich für Architektur, Design und Möbel – das könnte auch eine interessante Alternative sein. Wobei man nicht vergessen sollte, dass ich noch Musiker bin. ich habe eine Folkrock-Band mit meinem Bruder. Der Performer steckt nun mal in mir. Wenn ich das nicht machen würde, dann wohl etwas mit Tieren.
Die Schauspielerei würden Sie für die Musik nicht an den Nagel hängen?
Nein. So erfolgreich sind wir nun auch wieder nicht. ich habe die Verantwortung, für meine Familie das Essen auf den Tisch zu bringen. Und so sehr es mir Spaß macht, auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen – meine Erfüllung finde ich schon bei der Schauspielerei.
Für Ihr Glücksgefühl scheinen Sie aber noch etwas anderes zu brauchen. Es gibt von Ihnen die Schlagzeile: „Sex und Meditation halten mich jung."
Habe ich das wirklich gesagt? Es ist auf jeden Fall keine schlechte Schlagzeile.
Der würden Sie auch nicht widersprechen wollen?
Es gibt auch andere Sachen, die mich jung halten. Aber wenn Sie mich so fragen: Nein, ich würde dem nicht widersprechen.