Männer sind wunderbar. Höflich zu sein ist bei Männern nicht nur wunderbar, sondern Bedingung, sofern sie als One-Night-Stand mit zu mir nach Hause wollen.
Neulich beobachtete ich aber ein Pärchen, das es mit dem Knigge für meinen Geschmack etwas zu ernst nahm. Ich saß morgens in einem Café, und am Tisch neben mir saßen zwei, die offenbar die Nacht miteinander verbracht hatten, sich aber darüber hinaus nicht kannten. Dieses After-Sex-Frühstück hätten sie besser gelassen. Die vorausgegangene Intimität war beiden offensichtlich peinlich, und sie fuhrwerkten hölzern und befangen miteinander herum wie zwei alte Damen, die sich nicht erinnern können, woher sie sich eigentlich kennen. Als Erotikautorin kann man da nicht anders als zuhören, sorry, da siegt die Voyeurin in mir.
Erst dachte ich, sie hätten beschlossen, noch miteinander zu frühstücken, weil das ein gesitteter Abschluss für das vorausgegangene Gevögel wäre, dann wurde mir klar, dass der Mann die Frau ins Café gelotst hatte, um sie aus seiner Wohnung zu bugsieren. Es wurde schlimm. Autounfallschlimm. Ich hoffte, man würde mir meine Fremdscham nicht allzu sehr ansehen. Sie bettelte mit Kleinmädchenstimme um sein Bekenntnis, dass sie etwas Besonderes für ihn sei. Das war sie nicht, denn er nannte sie immer wieder „Süße“, hatte also offenbar ihren Namen vergessen. Ein ums andere Mal erwähnte er, welchen Stress er heute habe und dass er ja gern gemütlich hier sitzen würde, aber leider, leider der Stress, der große, große Stress. Worin der genau bestand, sagte er nicht, aber seinem Gesicht nach wartete die Apokalypse auf ihn. Vielleicht war er Kakerlaken-Man, würde sich gleich auf der Café-Toilette ein Cape umwerfen und die Menschheit retten?
Das wäre die schönere Wahrheit gewesen, die tatsächliche war aber, dass er versuchte, sich mit dem spendierten Croissant freizukaufen. Dass er dieses Croissant bezahlt hatte, sagte er mindestens drei Mal. Irgendwann fing er an, von seiner Ex-Freundin zu berichten. Bei jeder gerühmten Eigenschaft dieser Frau winselte die im Café wieder, ob sie nicht auch begehrenswert sei. Sie kam mir vor wie ein Eichhörnchen, das auf einer Schnellstraße unter die Räder gekommen ist und dem die Eingeweide aus dem plüschigen Bäuchlein heraushängen. Ich schwankte bei jedem Satz hin und her, ob ich sie retten oder ihr den Gnadenschuss verpassen sollte. Lauf, Mädchen, lauf!
Regeln für den One-Night-Stand: Diese zwei sollte man beherzigen
Was kann man aus diesem schrecklichen ONS-Ende also lernen? Erstens: Schlafe nie mit jemandem, den du verachtest und den du angezogen nicht ertragen kannst, egal, wie geil du bist. Zweitens: Überleg dir vorher einen stilvollen Umgang mit gutem wie schlechtem Beischlaf. (Wie höflich handhabt ihr sexuelle Abenteuer? Erzählt es mir unter sophie@andresky.com.)
Ich habe da so meine Regeln: Ich bleibe nie über Nacht. Wenn da mehr ist als freundlicher Austausch von Körperflüssigkeiten und der Mann sich tatsächlich außer für meine Brüste auch für meine Ansichten zur Wärmepumpen-Debatte interessiert, kann man sich ja noch mal treffen. Duschen darf mein Besuch gern bei mir – vor dem Sex, hinterher nur, wenn er oder sie die Duschkabine mit dem Gummidings abzieht, und das wollte noch nie jemand. An Getränken gibt es alles, was gewünscht wird, zu essen nur das, was man im Bett vertilgen kann. Und bald nach dem Sex sage ich, dass er nicht hier schlafen kann, weil morgen ganz früh meine Oma zu Besuch kommt. Das trieb bisher noch jeden aus dem Bett. Danke, Omi!
Sophie Andresky hat zwei Passionen: Männer verführen und Bestseller schreiben. Ihr neuester Roman heißt „Vögelwild“ (Heyne Hardcore, 12,95 Euro). Die nächste Folge (Nr. 128) ihrer Kolumne handelt von Flirt-Fehlern
Alle Artikel