„Essen und Sexualität sind zwei grundlegende Bedürfnisse des Menschen“

Während Sex-Toys für Frauen längst gesellschaftlich akzeptiert sind, sind sie für Männer noch häufig mit Scham behaftet. Ein japanisches Unternehmen will das mit innovativen Sexspielzeugen speziell für Männer ändern – und hat Erfolg
Credit: Imago
Während Sex-Toys für Frauen längst gesellschaftlich akzeptiert sind, sind sie für Männer noch häufig mit Scham behaftet. Ein japanisches Unternehmen will das mit innovativen Sexspielzeugen speziell für Männer ändern – und hat Erfolg
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Wenn ein ehemaliger Ferrari-Mechaniker beschließt, Sexspielzeuge für Männer zu designen, klingt das erstmal nach einer Midlife-Crisis. Doch als der Japaner Koichi Matsumoto die Firma „Tenga“ gründete, schaffte er es nicht nur die Sextoys aus der Schmuddelecke zu holen – er startete auch eine Revolution in der Branche, die seitdem viele Nachahmer fand: weg von der klischeehaften Nachbildung von Körperteilen, hin zu stilvollem und innovativem Design. Im Interview erklärt der Gründer und CEO von „Tenga“, warum seine Produkte wie Kunstwerke aussehen, was Zahnbürsten mit Sextoys gemeinsam haben – und wie er vom Automechaniker zum Erotikbotschafter wurde

Von: David Holzner
06.07.25
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Würden Sie sich ein Sexspielzeug ins Regal stellen – prominent platziert im Flur und gut sichtbar für jeden Ihrer Besucher? Wahrscheinlich nicht. So geht es den meisten Menschen. Doch bei den Produkten von „Tenga“ könnte man ins Zweifeln kommen. Was nämlich während unseres Gesprächs hinter Koichi Matsumoto an der Wand ordentlich aufgereiht steht, wirkt mehr wie eine Sammlung moderner Designobjekte als eine Auswahl an Masturbatoren. Statt realistisch geformter Penisse oder Vulvas sieht man bunte Zylinder, Eier oder Objekte, die an russische Matrjoschkas erinnern.

Genau mit dieser Abkehr von anatomischen Designs wollte Matsumoto Koichi vor zwanzig Jahren das sexuelle Vergnügen revolutionieren. Heute ist „Tenga“ die meistverkaufte Marke für männliche Sexspielzeuge weltweit, mit über 1.000 Produkten im Sortiment und Export in mehr als 70 Länder. Während der sichtlich entspannte und gut gelaunte Gründer erzählt, wie es dazu kam, glänzen seine Augen. Er spricht ruhig, bedacht und lässt sich jede Frage sorgfältig von seiner Übersetzerin erklären. Nur ein Wort klingt immer wieder klar und auf Englisch aus seinem japanischen Redefluss heraus: Masturbation.

Herr Matsumoto Koichi, seit nun 20 Jahren entwickeln Sie Sex-Toys speziell für Männer. Wie haben sich Ihrer Meinung nach die gesellschaftlichen Einstellungen zur Selbstbefriedigung in dieser Zeit verändert?

Vor der Einführung von „Tenga" dominierten Sexspielzeuge den Markt, die meist Nachbildungen weiblicher Genitalien oder vereinfachte Darstellungen des weiblichen Körpers waren – als hätte man einfach ein Körperteil ausgeschnitten und in Plastik gegossen. Für viele Männer war die Nutzung solcher Produkte mit einem inneren Konflikt verbunden. Sie fühlten sich nach dem Gebrauch oft schlecht oder schuldig.

Die Kunst des Vergnügens: Was aussieht wie eine Reihe von Skulpturen sind in Wahrheit Masturbatoren
Credit: @RockAndWolf

Was war damals Ihr Ansatz, um diesem Gefühl etwas entgegenzusetzen?

Als wir „Tenga" im Juli 2005 auf den Markt brachten, wollten wir genau diese Scham und diesen negativen Beigeschmack durchbrechen. Unsere Botschaft lautete von Anfang an: „Tenga" ist kein Ersatz für eine Frau – und soll es auch nicht sein. Unsere Produkte sind Werkzeuge, um die eigene Sexualität zu erforschen, ohne Schuldgefühle. Sie sind für Menschen, die Selbstbefriedigung als gesunden, natürlichen Teil ihres Lebens sehen.

Also ein bewusst anderer Zugang zur Lust?

Genau. Wir haben uns gegen jede Form von Nachbildung entschieden – kein Körperteil-Design, keine expliziten Bilder. Stattdessen setzen wir auf funktionales, durchdachtes Design mit einem positiven, fast alltäglichen Zugang zur Selbstbefriedigung. Unsere Botschaft ist: Masturbation ist nichts, wofür man sich schämen muss. Es darf Spaß machen.