Elektrisch durchstarten: Der erste hybride Porsche 911 im Test

Porsche 911 Carrera 4 GTS: Unser Autor testet den Hybrid-Neunelfer in Spanien und ist vom Turbo angetan
Credit: Porsche AG
Porsche 911 Carrera 4 GTS: Unser Autor testet den Hybrid-Neunelfer in Spanien und ist vom Turbo angetan
Credit: Porsche AG

Sakrileg oder Revolution? Porsche hybridisiert den 911er und läutet damit gleichzeitig eine neue Ära des Turboladers ein. Wir sind den ersten Porsche 911 Carrera 4 GTS in Spanien Probe gefahren.

Von: Michael Brunnbauer
19.04.25
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Als sich Anfang letzten Jahres das Gerücht verdichtete, der nächste Neunelfer solle als Hybrid herauskommen, war der Aufschrei in der Porsche-Community groß. Von Blasphemie respektive Gotteslästerung war die Rede. Der alte Ferry Porsche würde sich im Grab umdrehen, und Konzernchef Oliver Blume solle man am besten gleich in selbiges verfrachten. Genauso gut hätte der Papst Nietzsches „Gott ist tot“-Zitat in seine Osterpredigt einbauen können.

Einen solchen Paradigmenbruch gab es in Zuffenhausen zuletzt, als man im Jahr 1997 beim Neunelfer von Luft- auf Wasserkühlung umstellte. 2015 musste der Porsche-Fan dann noch mal heftig schlucken, als man die fast vollständige Einstellung des reinrassigen Saugmotors bekannt gab. Bis auf wenige Sondermodelle besitzen seitdem alle 911er einen Turbomotor. Und jetzt soll der auch noch elektrifiziert beziehungsweise hybridisiert werden. Das geht gar nicht! Oder?

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Doch, und zwar sogar richtig gut. Denn – Vorsicht, Spoileralarm: Der neue, sogenannte t-hybrid von Porsche hat sich in unserem Test in jeglicher Hinsicht als eine Verbesserung im Vergleich zum Vorgängermodell erwiesen. Das liegt vor allem daran, dass man den 911er nicht zu einem ultra­schweren Plug-in-Hybrid umkonstruiert hat, sondern die Elektrifizierung nur der reinen Performance-Steigerung dient – bei einer Gewichtszunahme von gerade einmal 50 Kilo im Vergleich zum Vorgänger.

Testfahrt im Porsche 911 Carrera GTS: Mehr Power durch Elektro-Boost

Andere Funktionen von Hybridfahrzeugen, wie zum Beispiel das rein elektrische Fahren, gibt es daher auch nicht. Außerdem werden die Einstiegs-Modellreihen, sprich der normale 911 Carrera oder Carrera S, weiterhin ohne Hybridkomponenten ausgeliefert. Den Elektro-Boost gibt es zunächst nur für den Porsche 911 GTS, also für das schnellste Porsche-Derivat unter dem 911 Turbos. Wir haben den elektrifizierten Neunelfer auf den Straßen um Málaga und auf der Rennstrecke Ascari ausprobiert.

Offene Front: Die vertikalen Lamellen vorne links und rechts am Bug des Fahrzeugs lassen sich öffnen und schließen und sorgen dadurch für eine aktive Aerodynamik
Credit: Porsche AG

Von außen betrachtet, fallen einem als Erstes die neuen vertikalen Lamellen links und rechts an der Frontpartie des Fahrzeugs auf. Diese öffnen und schließen sich automatisch und regulieren damit die aktive Kühlung des Motors. Von hinten lässt sich der GTS vom normalen Carrera durch die mittige Anordnung der Auspuffrohre unterscheiden. 

Auf der Außenseite der Tür prangt der Schriftzug t-hybrid, im Innenbereich der Türen und auf den Sitzpolstern findet sich der typische GTS-Schriftzug. Wie bei einem Fahrzeug dieser Klasse zu erwarten, besteht das Interieur hauptsächlich aus Wildleder und Sichtcarbon. Einziger Wermutstropfen: Der von vielen Porsche-Fans zelebrierte und lieb gewonnene analoge Drehzahlmesser wurde durch ein komplett digitales Display hinter dem Steuerrad ersetzt.

Doch die spannenderen Neuerungen befinden sich unter der Haube. Der speziell für dieses Auto entwickelte 3,6-Liter-Boxermotor leistet schon ohne elektrische Unterstützung 485 PS und 570 Newtonmeter und kommt inklusive Elektrifizierung sogar auf eine Systemleistung von 541 PS und 610 Newtonmeter. Und jetzt wird es technisch ein bisschen komplizierter: Die Leistungssteigerung erfolgt im T-Hybrid (das T steht für Turbo) durch zwei unterschiedlich operierende Elektromotoren. Der eine sitzt, wie man es schon von anderen Fahrzeugen kennt, im 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe und verstärkt mit seinen 55 PS den Antrieb.

Testfahrt im Porsche 911 Carrera GTS: Elektromotor im Turbolader

Dadurch erreicht man vom Start weg eine stärkere Leistung und ein höheres Drehmoment. Der zweite Elektromotor dagegen sitzt – und das ist wirklich ein absolutes Novum – im Turbolader selbst zwischen Verdichter und Turbinenrad. Durch den sogenannten elektrischen Abgasturbolader wird der Ladedruck mithilfe einer 15-PS-E-Maschine aufgebaut, was sonst erst ab einer gewissen Drehzahl durch den Abgasstrom möglich ist. Dadurch eliminiert man nahezu vollständig den einzig bisher bekannten Nachteil eines Turboladers: das Turboloch. Als kleiner Nebeneffekt ist übrigens dadurch auch nur noch ein Turbolader nötig, bisher waren es zwei.

Evolution: Statt analogem Drehzahlmesser sitzt jetzt ein großes Display hinterm Lenkrad
Credit: Porsche AG

So weit die Theorie. Doch ist Porsche wirklich die Quadratur des Turboladens gelungen? Ein Turbo ohne Turboloch, das ist so etwas wie die kalte Fusion, der Heilige Gral oder der Yeti aus dem Eis. Also etwas aus dem Land der Mythen und Legenden. Entsprechend neugierig setze ich mich hinters Steuer dieses angeblichen Einhorns, starte den Motor mit einem Druck auf den Start-Knopf (leider musste der frühere Knubbel einem Knopf weichen) und erfreue mich am satten Sound des Sechszylinders.

Bis auf eine digitale Anzeige von Temperatur und Ladestatus der Hybrid-Batterie bekomme ich zunächst nichts von der Elektrifizierung des Motors mit. Das ändert sich sofort beim ersten Beschleunigen. Mit aktivierter Launch Control erreiche in nur 3,1 Sekunden (3,0 Sekunden beim Coupé) die 100-km/h-Grenze. Zur Einordnung: Das Vorgängermodell brauchte dafür 3,4 Sekunden, und der Turbo S ist mit 2,7 Sekunden nur einen Hauch schneller. 

Brückenkopf: Einer der szenischen Höhepunkte der Ausfahrt – der legendäre Puente Nuevo in der spanischen Stadt Ronda
Credit: Porsche AG

Doch noch spannender erweist sich die kurvenreiche Strecke, die ich von Málaga in Richtung Ronda nehme. Mit den Paddles am Lenkrad schalte ich immer wieder zwischen zweitem, drittem und viertem Gang hoch und runter, und sosehr ich auch suche: Ich kann tatsächlich kein Turboloch finden.

Von allen Seiten höre ich die ähnlich klingende Frage nach dem ‚Porsche Nuevo‘

Michael Brunnbauer

Michael Brunnbauer

Als ich nach circa anderthalb Stunden Fahrt den Ort Ronda erreiche, sammelt sich in nur wenigen Minuten eine Traube von Auto-Enthusiasten um das Fahrzeug. Insbesondere nachdem ich im Schritttempo die legendäre Brücke Puente Nuevo überquert habe, höre ich von allen Seiten die ähnlich klingende Frage nach dem „Porsche Nuevo“. Ein besonders hartnäckiger Spanier blockiert sogar meinen Weg und lässt mich erst weiterfahren, nachdem ich ihm über fünf Minuten lang die Funktionsweise des neuen Elektro-Turboladers erklärt habe.

Porsche 911 Carrera 4 GTS im Test: Cruisen oder Rasen?

Nächster Stopp ist die nur eine Viertelstunde entfernte Rennstrecke Ascari. Ich steige in die Coupé-Variante des Fahrzeugs um, denn Cabrios sind auf der Rennstrecke aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Die schnellen Kurven, die sich mit sehr engen Biegungen abwechseln, sind ideal, um den Elektro-Turbo auf Trab zu halten.

Rennfahrer Jörg Bergmeister schaffte übrigens mit dem GTS auf der Nordschleife eine Zeit von 7:16:93 Minuten und unterbot damit den Vorgänger ohne E-Turbo um ganze 8,7 Sek­unden. Mir persönlich hat es mehr Spaß gemacht, mit dem Cabrio über die öffentlichen Straßen zu cruisen, als mit dem Coupé auf die Rennstrecke zu gehen, aber das ist letztendlich Geschmackssache.

E-Turbo: Mithilfe eines 15 PS starken Elektromotors im Turbolader gelingt Porsche das vermeintlich Unmögliche: die Eliminierung des legendären Turbolochs
Credit: Porsche AG

Trotzdem bleibt festzuhalten: Woran sich viele Ingenieure seit der Einführung des Turboladers in den 1970er-Jahren die Zähne ausgebissen haben, hat Porsche nun endlich gemeistert. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ein Elektromotor dazu beiträgt, das Turbo­loch zu stopfen. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, wie sich die neue Technologie in der Speerspitze des Neunelfers, sprich im Porsche 911 Turbo, machen wird. Denn dass auch dieser elektrifiziert wird, gilt bereits als sicher. Genauso sicher allerdings wie der Aufschrei einiger Porsche-Aficionados zu diesem Thema.

Porsche 911 Carrera 4 GTS Cabrio

Geschwindigkeit: 312 km/h
Systemleistung: 541 PS
Systemdrehmoment: 610 NM
0–100 km/h: 3,1 sekunden
Hubraum: 3591 ccM
Gewicht (DIN): 1725 KG
Grundpreis: 192.900 Euro

Der Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.

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