Die Longevity-Kolumne (Teil 2): Feiertags-Völlerei? Hauen Sie rein - aber richtig!
Weihnachten und Silvester sind die Zeit im Jahr, in der wir essen, als gäbe es kein Morgen. Und das ist völlig in Ordnung. Ich halte nichts von Askese an und zwischen den Feiertagen. Wer sich das ganze Jahr über halbwegs vernünftig ernährt, darf auch mal genießen. Ohne Reue und schlechtes Gewissen.
Nur eines sollte man bedenken: Der Körper vergisst nichts. Und er ist gnadenlos ehrlich. Nach ein paar Tagen Daueressen und Weinverkostung fühlt man sich, als hätte uns jemand die Batterien rausgenommen. Nicht, weil man „gesündigt“ hätte, sondern weil Zucker, Fett und Alkohol gemeinsam ein Fest feiern, das unser Stoffwechsel nur mäßig genießt.
Aber man kann ein paar Dinge tun, um dem Ganzen die Schwere zu nehmen. Ich beginne jedes Festessen mit etwas Frischem, wie Salat, Gemüse, manchmal auch nur einer Handvoll Radieschen mit gutem Öl. Nicht um danach weniger zu essen, sondern um einfach etwas leichter in das Festmahl zu starten. Und falls Sie es etwas stilvoller mögen: Trinken Sie ein Glas Wasser mit einem Schuss Apfelessig, Eiswürfeln und Zitronenscheibe. Sieht aus wie ein Aperitif, schmeckt erstaunlich gut, und der Blutzucker steigt danach viel langsamer an.
Der Körper verzeiht ein Dessert mehr als den süßen Snack zwischendurch
Beim Brot bin ich wählerisch. Weißmehl ist für mich das stille Gift der Feiertage. Es treibt den Blutzucker schneller nach oben als jedes Dessert. Ein gutes Sauerteig- oder Vollkornbrot dagegen hält lange satt und verhindert, dass man schon nach dem ersten Gang ins Koma fällt.
Weniger ins Gewicht fällt übrigens die süße Sünde zum Abschluss. Der Körper verzeiht ein Dessert nach dem Essen mehr als den süßen Snack zwischendurch. Der Magen ist dann schon mit komplexen Kohlenhydraten gefüllt, da fällt die Zuckerbombe nicht so auf.
Und nach dem Essen? Bleibe ich nicht sitzen – absolviere aber auch keinen großen Spaziergang. Zehn Minuten Bewegung, einmal um den Block, das reicht schon. Der Blutzucker schießt dann nicht so hoch, und der Kreislauf bleibt wach. Das signalisiert dem Körper: „Keine Sorge, wir nutzen die Kalorien, die wir gerade aufgenommen haben.“
Und ja, Wasser trinken hilft. Mehr, als man denkt. Faustregel: die gleiche Menge Wasser wie Alkohol. Klingt spießig, rettet aber den nächsten Morgen. Alkohol entwässert, und wer parallel dazu Wasser trinkt, hält das System stabil. Ich mache das inzwischen automatisch.
Was zählt: Achtsamkeit und Reihenfolge. Nicht alles gleichzeitig, nicht alles auf einmal, nicht gedankenlos
Was gar nichts bringt, sind Verbote. Wer sich an Weihnachten diszipliniert durch die Mahlzeiten kämpft, hat spätestens am dritten Tag das Gefühl, das Leben bestehe nur aus Verzicht. Das ist der Moment, in dem man anfängt, Essen mit Schuld zu verbinden und das ist schlimmer als jedes Stück Stollen.
Ich habe in meinem Leben viele Diäten gesehen, viele Trends ausprobiert. Was bleibt, ist schlicht: Achtsamkeit und Reihenfolge. Nicht alles gleichzeitig, nicht alles auf einmal, nicht gedankenlos.
Und wenn es trotzdem zu viel war, ist das auch kein Problem. Der Körper ist lernfähig. Ein paar Tage mit leichtem Essen, etwas weniger Alkohol, dafür mehr Bewegung, und das System ist wieder im Lot. Keine Buße, kein Fastenritual. Nur das gute Gefühl, den eigenen Rhythmus wiederzufinden.
Feiertagsmenüs dürfen üppig sein. Hauptsache man findet danach wieder sein Gleichgewicht.
Dr. Gerd Wirtz ist promovierter Neurophysiologe, Experte für Präventivmedizin und Keynote-Speaker. In seiner Playboy-Kolumne schreibt er alle zwei Wochen über Longevity und Männergesundheit. Mit seinen Kollegen Prof. Dr. Ingo Froböse und Peter Großmann betreibt er zudem den Podcast "Männer-TÜV".