fauler Mann
Mi., 06.01.2021
Kommentar

Mehr Sport im neuen Jahr? Ein guter Plan mit oft schlechtem Ergebnis

Sind fitte Menschen weniger durch Covid-19 bedroht? Da Sport dazu beiträgt, die körpereigenen Abwehrkräfte nachhaltig zu stärken, ist die Wissenschaft inzwischen davon überzeugt, dass körperliche Fitness zwar nicht vor einer Ansteckung mit Corona schützt, aber für einen deutlich milderen Krankheitsverlauf sorgen kann. Dass „mehr Sport machen“ nicht immer die Lösung ist, verrät Playboy-Autor Alexander Neumann-Delbarre in seinem Meinungsstück über den Evergreen aller Neujahrsvorsätze. 

Im Sommer saß ich mit einem Freund, der von Beruf Orthopäde ist, in einer Bar. Er habe etwas Interessantes festgestellt, sagte er. Seit dem Lockdown im Frühjahr kämen vor allem zwei Arten von Patienten zu ihm. Die einen hätten Rückenschmerzen, weil sie, konfrontiert mit Stress, wackligem Internet und ergonomisch fragwürdiger Tischhöhe, im Home-Office sitzend vor dem Laptop verkrampfen. „Und die anderen?“, fragte ich. Die haben angefangen, Sport zu machen.

Sich mehr zu bewegen ist ein guter Plan mit oft schlechtem Ergebnis. Wir übernehmen uns (wer zum Nordic Walker gemacht ist, sollte nicht versuchen, Ultra Runner zu wer- den), trainieren falsch oder zwingen uns zu etwas, worauf wir schlicht keine Lust haben. Das machen weder Kopf noch Muskeln lange mit. Und oft ist es auch völlig unnötig. Denn die richtige Dosis Sport ist für manche schlicht: gar kein Sport. Spazieren gehen, gut schlafen, öfter mal die Treppe nehmen, das kann reichen, um sich gut zu fühlen. Vor allem wenn man die Alltagsbewegung auch als Training wahrnimmt. Harvard-Forscher zeigten in ei- nem Experiment: Zimmermädchen, die anfingen, ihre Arbeit bewusst als eine Art Work-out zu begreifen, hat- ten nach wenigen Wochen verbesserte Fitness-Werte. Die Vergleichsgruppe, die einfach nur weiterschuftete, nicht. Kluge Leute lernen aus solchen Erkenntnissen – andere machen es wie ich. Neulich traf ich wieder meinen Freund, den Orthopäden. Diesmal in seiner Praxis. Ich hatte mir das Knie verdreht, humpelte. Wie das passiert sei, fragte er. Ich habe wieder angefangen, Tennis zu spielen. Er seufzte. Dass es bei der fünften Trainingseinheit in fünf Tagen passiert war, traute ich mich nicht mal mehr zu sagen.

Titelbild: Imago