Di., 04.06.2019
Motor & Mobility

Ein Stern wie ein Komet – der neue Mercedes-AMG GT R Pro

Fünf Jahre nach dem ersten GT bringen die Stuttgarter mit dem Mercedes-AMG GT R Pro die absolute Speerspitze der Modellreihe heraus – quasi ein Rennwagen mit Straßenzulassung. Damit machen die Affalterbacher selbst Raketen wie dem 720S von McLaren starke Konkurrenz. Nachdem wir das Cabrio (Mercedes-AMG GT R Roadster) bereits vorgestellt hatten, testeten wir nun den Schwaben-Racer bei einer Ausfahrt auf dem Hockenheimring.

Als mich Rennlegende Bernd Schneider beim Einsteigen fragt: „Sind Sie so ein Auto schon einmal gefahren?“, bin ich nicht ganz sicher, was ich antworten soll. Klar saß ich während meiner journalistischen Tätigkeit schon des Öfteren in Supersportwagen jenseits der 500-PS-Grenze. Allerdings gilt dieser neue Wagen zurzeit als aggressivster und schnellster straßenzugelassener Serien-Mercedes der Welt. Selbst AMG-Chef Tobias Moers sagt über den Wagen: „Mit dem Mercedes-AMG GT R Pro sind wir näher am Rennsport als jemals zuvor mit einem straßenzugelassenen Fahrzeug.“ Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, und nicke dem fünffachen DTM-Gewinner Schneider, der gleich das Pace Car vor mir über den Hockenheimring steuern wird, selbstsicher zu. „Ich komme zurecht“, sage ich. Hoffentlich, denke ich.

Vor genau fünf Jahren brachte Mercedes-AMG den ersten GT heraus. Eigentlich sollte er vor allem das Image der Stuttgarter als Sportwagenhersteller aufpolieren, doch der Wagen erwies sich als so erfolgreich, dass die GT-Produktpalette mittlerweile 16 Varianten umfasst: fünf zweitürige Coupés, fünf viertürige Sportlimousinen, vier Roadster und zwei Kundensport-Rennwagen. Der GT ist das einzige Fahrzeug von Mercedes, das ausschließlich von der Firmentochter AMG entwickelt und gebaut wird, von dem es also keine normale Nicht-AMG-Variante gibt.

Schwäbisch herb: Vor allem von vorn unterscheidet sich der Pro deutlich vom normalen GT R: Eine neu gestaltete Frontschürze sowie Finnen in den Kotflügeln und Zierleisten in den Seitenschwellern unterstreichen sein aggressives Auftreten.
Credit: Mercedes

Nach einer gemütlichen Einführungsrunde drückt Bernd Schneider im Pace Car vor mir aufs Gaspedal. Nur mühsam kann ich ihm folgen, also schalte ich über einen Drehknopf am Lenkrad von „Sport Plus“ in den „Race“-Modus (insgesamt stehen sechs unterschiedliche Fahrprogramme zur Verfügung). Dank eingeschaltetem Stabilitätsprogramm ESP und dem zusätzlichen Anpressdruck, den die neue Frontschürze generiert, gelingt es mir, das Geschoss einigermaßen stabil durch die tückischen Kurven des Rings zu dirigieren.

Asphaltbolide: Der 4-Liter-V8-Biturbo-Motor, zahlreiche Carbon- und Leichtbauelemente sowie ein richtiger Stahlkäfig sorgen dafür, dass sich der GT R Pro wie ein professioneller Rennwagen anfühlt – allerdings inklusive Straßenzulassung.
Credit: Mercedes

Im Vergleich zum normalen GT R hat sich von den Daten her nicht viel verändert. Der Wagen wird vom gleichen 585 PS starken V8-Biturbo-Motor angetrieben. Damit beschleunigt er in 3,6 Sekunden von 0 auf 100. Die Spitzengeschwindigkeit: 318 km/h. Der Unterschied liegt wie so oft im Detail. Diverse Leichtbauteile – von den Rädern über die Schalensitze bis zum neu gestalteten und in der Mitte abgesenkten Carbon-Dach – sorgen für eine Gewichtsreduktion um rund 25 Kilo. Gleichzeitig wurden bestimmte Elemente aus dem Rennsport wie ein geschraubter Stahlkäfig, 4-Punkt-Gurte und Feuerlöscher (die beim GT R als Extra erhältlich waren) serienmäßig verbaut. Das absolute Highlight für Abstimmungstüftler ist jedoch das neu integrierte Gewindefahrwerk, mit dem man wie beim professionellen Motorsport die Zug- und Druckstufen der Dämpfer manuell einstellen kann. Ganz ohne Werkzeug, sondern mittels Drehrad, das jeweils im Motor- und im Kofferraum angebracht ist. Rennfahrer Marco Engel schaffte dank dieser Änderungen eine Rundenzeit auf der Nordschleife des Nürburgrings von 7:04,621 Minuten – immerhin knapp sechs Sekunden schneller als der GT R ohne Pro.

Doch zurück nach Hockenheim. In der vorletzten Runde werde ich übermütig und schalte das ESP-System aus. Jetzt lässt sich die Traktionskontrolle über ein gelbes Drehrad in der Mittelkonsole in neun Stufen schrittweise an- und abschalten. Ich drehe den Knopf vorsichtig bis zur vorletzten Stellung – und prompt verlässt mich mein Glück oder vielmehr mein Fahrvermögen. Als ich in der nächsten Kurve einen Tick zu viel Gas gebe, bricht das Heck aus. Hektisch gehe ich vom Gas, lenke gegen, aber zu spät: Der Wagen rattert über die weiß-roten Curbs auf den Asphalt neben der Strecke. Zum Glück war an dieser Stelle kein Kiesbett oder gar eine Mauer. Später beim Aussteigen fragt mich Schneider mit einem Grinsen: „Und, wie gefällt er dir?“ Noch voll auf Adrenalin, kriege ich dieses Mal verbal die Kurve: „Jetzt verstehe ich, woher der Spitzname ,Biest‘ kommt.“ Und denke mir im Stillen: Und dieses Gerät ist für die Straße zugelassen? Das ist ja fast schon kriminell. Macht aber auch entsprechend viel Spaß. Schade nur, dass der Wagen auf 750 Stück limitiert ist und über 200.000 Euro kostet.

 

 

Mercedes-AMG GT R Pro

Geschwindigkeit
318 km/h 

Gewicht
1585 kg 

0–100 km/h
3,6 Sekunden

Drehmoment
700 NM

Leistung (System)
585 PS

Preis
211.701 Euro